OGH 2Ob48/21d

OGH2Ob48/21d26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2017 verstorbenen L***** C*****, zuletzt *****, über den Revisionsrekurs des Witwers R***** C*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 2020, GZ 42 R 361/20d‑102, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. August 2020, GZ 83 A 158/19p‑91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00048.21D.0526.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die am ***** 2017 verstorbene Erblasserin hinterließ einen Witwer und zwei Kinder aus erster Ehe. Strittig ist die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nach Art 4 EuErbVO: Nach Auffassung des Witwers lag der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin in Österreich, nach Auffassung eines Sohnes hingegen in Spanien. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

[2] Der Witwer hatte die Erblasserin 1988 geheiratet. Beide waren zunächst in Wien ansässig und gemeinsam in Österreich und im Ausland unternehmerisch tätig. Im Laufe der Zeit verlagerte sich ihr Lebensmittelpunkt allerdings nach Spanien, wo der Witwer schon in den 1980er Jahren ein Haus erworben hatte. Dieses Haus sollte beiden als Alterswohnsitz dienen. Nachdem sich beide 2000 aus dem Berufsleben zurückgezogen hatten, verkauften sie 2002 oder 2003 ihre österreichische Wohnung. Ab diesem Zeitpunkt lebten sie in Spanien, blieben aber pro forma in der Wiener Wohnung eines Bruders des Witwers gemeldet.

[3] Beim Haus in Spanien handelte es sich um ein „Traumhaus“ mit Pool, Terrasse und Meerblick „in bester Lage“. Die Ehegatten wollten in dem Haus „alt werden“. Sie sprachen Spanisch und hatten ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn, die sich bei Bedarf um ihre Haustiere kümmerten.

[4] Im September 2010 wurde bei der Erblasserin eine Knochenmarkerkrankung (myelodisplastisches Syndrom) diagnostiziert, die bald in eine akute Leukämie überging. Die österreichische Krankenversicherung bezahlte nur eine Behandlung in Österreich; zudem wäre die erforderliche Stammzellentransplantation in Spanien wegen des Alters der Erblasserin nicht mehr durchgeführt worden. Daher ließ sich die Erblasserin in Linz behandeln, wo am 22. Juni 2011 eine Stammzellentransplantation durchgeführt wurde. Bis Dezember 2011 musste die Erblasserin in Spitalnähe bleiben, wofür eine Villa angemietet wurde. Danach musste sie alle ein- bis eineinhalb Monate zur Kontrolle kommen; sie wurde aber auch in einer spanischen Klinik behandelt. Der Lebensmittelpunkt der Ehegatten blieb in Spanien; 2014 verbrachten sie 364 Tage dort, 2015 waren es 312 Tage.

[5] Im September 2015 erlitt die Erblasserin einen Rückfall, der wieder Behandlungen in Österreich erforderlich machte. Sie war bis zu ihrem Tod am ***** 2017 an 98 Tagen stationär aufgenommen und wurde darüber hinaus in Österreich ambulant mit Injektionen behandelt. Zu diesem Zweck mietete sie sich in einer Ferienwohnung in ***** ein. Diese hatte einen „kleinen Balkon“, war „zweckmäßig“ eingerichtet, ihre Kinder hatten bei Bedarf ein Zimmer zum Übernachten. Persönliche Gegenstände der Erblasserin befanden sich dort nicht. Die Ehegatten überlegten den Kauf dieser Wohnung, dieser kam jedoch nicht zustande.

[6] Zwischen den Behandlungszyklen kehrte die Erblasserin 2016 viermal und 2017 dreimal für insgesamt 93 Tage nach Spanien zurück, zuletzt vom 18. bis zum 29. April und vom 27. Mai bis zum 3. Juni 2017. Teilweise war auch eine frühere oder häufigere Rückkehr geplant, sie war jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Es war grundsätzlich der Wunsch beider Ehegatten, jeweils möglichst bald wieder nach Spanien zurückzukehren.

[7] An ein gesellschaftliches Leben war in dieser Zeit nicht zu denken. Die Ärzte bezeichneten den Zustand der Erblasserin schon im Juni 2016 aufgrund einer kritischen Blinddarmentzündung als „infaust“ (sehr ungünstig) und regten an, dass man sich um ein Heim umschauen sollte. Die Erblasserin erholte sich jedoch wieder, und es waren noch mehrere Aufenthalte in Spanien möglich.

[8] Die Erblasserin war österreichische Staatsbürgerin. Sie war Eigentümerin eines Liegenschaftsanteils in Spanien und verfügte in Österreich über kein unbewegliches Vermögen. Aktenkundig sind ein gemeinsames Konto und ein gemeinsames Wertpapierdepot der Ehegatten bei einer österreichischen Bank mit einem Gesamtguthaben von etwa 21.000 EUR, weiters hatten die Ehegatten ein gemeinsames Konto in Spanien.

[9] Das Erstgericht sprach seine internationale Unzuständigkeit aus und stellte das Verlassenschaftsverfahren ein. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers sei aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände der letzten Jahre vor dem Tod zu bestimmen, wobei auch subjektive Elemente relevant seien. Im konkreten Fall seien die Eheleute in Spanien integriert gewesen; der einzige Bezug zu Österreich seien die hier lebenden Kinder, eine österreichische Pension, ein gemeinsames Bankkonto und die Staatsbürgerschaft gewesen. Die Behandlung sei einzig aus Kostengründen in Österreich durchgeführt worden; es habe zweifellos die Absicht bestanden, nach Spanien zurückzukehren. Die Krankenbehandlung habe daher nicht zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts geführt.

[10] Das vom Witwer angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

[11] Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass ein nur zum Zweck der medizinischen Behandlung erfolgter „Umzug“ keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründe; dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Ferienwohnung möbliert gemietet worden sei und die Erblasserin keinerlei persönliche Ausstattung mitgenommen habe. Daran ändere auch die Absicht, die Ferienwohnung zu kaufen, nichts, weil es sich dabei keinesfalls um eine dem spanischen Haus gleichwertige Unterkunft gehandelt hätte. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, insbesondere in der hier zu beurteilenden Konstellation, fehle.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Witwers ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

[13] 1. Das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer Frage des Unionsrechts begründet für sich allein noch keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

[14] Dies folgt aus der Leitfunktion des Europäischen Gerichtshofs für die Auslegung des Unionsrechts (Art 267 AEUV). Hat er eine konkrete Frage entschieden, so ist die Revision nur zulässig, wenn das Berufungsgericht von dieser Entscheidung abweicht; das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schadet in diesem Fall – ebenso wie bei einem acte clair (1 Ob 216/02z) – nicht (Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 502 ZPO Rz 59 mwN). Bei unbestimmten Gesetzesbegriffen reicht es aus, wenn sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Leitlinien zu deren Auslegung ergeben. Die Anwendung dieser Leitlinien auf den Einzelfall kann in weiterer Folge – wie auch in rein nationalen Fällen, in denen die Leitfunktion dem Obersten Gerichtshof zukommt (Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 502 ZPO Rz 51 mwN) – nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, also eine gravierende Fehlbeurteilung vorliegt (RS0117100).

[15] 2. Solche Leitlinien sind im vorliegenden Fall der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entnehmen:

[16] 2.1. Nach Art 4 EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen – auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (C‑20/17, Oberle) – die Gerichte jenes Mitgliedstaats zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wegen der Zielsetzung der EuErbVO, eine Nachlassspaltung zu vermeiden, kann es nur einen letzten gewöhnlichen Aufenthalt geben, den das mit der Sache befasste Gericht „anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls […] festzulegen“ hat (C‑80/19, E.E., Rn 40). Dabei sind insbesondere die Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO zu beachten (C‑80/19, E.E., Rn 37).

[17] 2.2. Diese Erwägungsgründe lauten:

(23) In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.

(24) In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte– entsprechend den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.

 

[18] 2.3. Maßgebend ist daher die nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmende „besonders enge und feste Bindung“ zu einem bestimmten Staat (EG 23, letzter Satz). Dabei ist nicht nur auf den Zeitpunkt des Todes, sondern auch auf die „Jahre“ davor abzustellen (EG 23); neben Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sind die damit zusammenhängenden „Umstände und Gründe“ relevant (EG 23). Auch ein längerer Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, der auf „beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen“ beruht, muss nicht zwingend zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts führen, wenn eine „enge und feste Bindung“ zum Herkunftsstaat aufrecht blieb (EG 24). In komplexen Situationen können auch die Staatsangehörigkeit und die Lage des Vermögens als relevante Faktoren angesehen werden (EG 24).

[19] 2.4. Die Einzelfallbezogenheit der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts ergibt sich auch aus der zur Brüssel IIa-VO ergangenen Entscheidung C‑497/10 PPU, Mercredi. Dort führte der EuGH in Rn 51 aus, für die Verlagerung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat sei vor allem der Wille maßgebend, dort „den ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu verleihen“. Die Dauer eines Aufenthalts könne daher nur als „Indiz im Rahmen der Beurteilung seiner Beständigkeit“ dienen, die im Licht „aller besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls“ vorzunehmen sei. Die weiteren Erwägungen dieser Entscheidung, in der es um den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kleinkindes ging, können nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

[20] 3. Im konkreten Fall hat das Rekursgericht seinen nach diesen Leitlinien bestehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten:

[21] 3.1. Dass die Ehegatten nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien begründeten, kann angesichts des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts nicht ernsthaft bezweifelt werden. Sie hatten nicht etwa einen Zweitwohnsitz in einer Ferienwohnanlage erworben (vgl zu einer solchen Fallgestaltung OLG Düsseldorf 3 Wx 138/20), sondern ihren Lebensmittelpunkt vollständig nach Spanien verlegt. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass sie ihre Wohnung in Österreich verkauften und am neuen Aufenthaltsort sozial integriert waren. Das erstmalige Auftreten der Krankheit im Herbst 2010 führte insofern zu keiner Änderung. Dass eine Stammzellenspende (zumindest aus Sicht der Erblasserin) nur in Österreich möglich war, veranlasste die Erblasserin nur zu vorübergehenden Aufenthalten in Österreich, die keinesfalls als Rückverlagerung des Lebensmittelpunkts angesehen werden konnten. Dies folgt auch daraus, dass sie sich in den Folgejahren wieder weit überwiegend in Spanien aufhielt.

[22] 3.2. Fraglich kann daher nur sein, ob es aufgrund der Krankenbehandlungen ab dem Herbst 2015 zu einer Rückverlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Österreich kam. Die Verneinung dieser Frage durch das Rekursgericht ist vertretbar:

[23] (a) Nach EG 23 der EuErbVO kann der rein faktisch überwiegende Aufenthalt in Österreich für sich allein noch nicht entscheidend sein, auch die „Umstände und Gründe“ sind relevant. EG 24 zeigt, dass auch ein längerer, durch bestimmte Gründe verursachter Aufenthalt noch nicht zwingend zu einem „gewöhnlichen“ Aufenthalt führen muss. Zwar sind in diesem Erwägungsgrund nur berufliche oder wirtschaftliche Gründe genannt, es ist aber nicht erkennbar, weshalb nicht auch Krankheitsgründe relevant sein können. Das gilt insbesondere dann, wenn bestimmte Behandlungen im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität durchgeführt werden oder faktische Hindernisse für deren Inanspruchnahme bestehen (Kurth, Wechselleben zwischen der spanischen Costa Brava und der ostwestfälischen Provinz, IPRax 2019, 123 [126 f]).

[24] (b) In solchen Fällen ist entscheidend, ob die Beziehung zum bisherigen Lebensmittelpunkt aufrecht bleibt und nur Praktikabilitätsgründe zu einem (auch längeren) Aufenthalt abseits von diesem Lebensmittelpunkt führen (vgl in einem umgekehrten Fall OLG Hamm 10 W 108/18: letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland trotz scheidungsbedingter Wohnungnahme in Spanien und krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Rückkehr nach Deutschland; zur Irrelevanz einer auch längeren Krankenbehandlung in einem anderen Staat Dutta in MüKo BGB8 Art 4 EuErbVO Rn 10). EG 24 verweist in diesem Zusammenhang zwar nur auf den „Herkunftsstaat“ („State of origin“, „État d'origine“), was möglicherweise als Bezugnahme auf jenen Staat gedeutet werden könnte, dem der Erblasser angehört. Die hinter dieser Bestimmung stehende Wertung erfasst aber jedenfalls auch Situationen, in denen (wie hier) die Verbindungen zum Heimatstaat (hier Österreich) weitestgehend abgebrochen und durch feste und beständige Beziehungen zu einem anderen Staat (hier Spanien) ersetzt wurden.

[25] (c) Diese Beziehungen wurden im konkreten Fall durch den krankheitsbedingten Aufenthalt in Österreich nicht beendet. Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Erblasserin trotz ihrer schweren Krankheit immer wieder nach Spanien wollte und diesen Wunsch auch noch in den letzten Monaten vor dem Tod mehrfach umsetzte. Eine Übersiedlung hat entgegen einer missverständlichen Formulierung des Rekursgerichts („Umzug“) nicht stattgefunden; vielmehr blieben die persönlichen Sachen der Erblasserin im spanischen „Traumhaus“. Aus den immer wieder unternommenen Rückreisen ergibt sich, dass die Erblasserin dieses Haus weiterhin als ihren Lebensmittelpunkt (ihr „Zuhause“) betrachtete. Die in Österreich gemietete Wohnung diente demgegenüber nur einem durch die Umstände erzwungenen Aufenthalt mit einem begrenzten Zweck.

[26] (d) Dass eine endgültige Rückkehr nach Spanien faktisch ausgeschlossen gewesen wäre, ergibt sich – anders als der Revisionsrekurs annimmt – aus dem festgestellten Sachverhalt nicht; es ist nicht erkennbar, weshalb eine (reine) Palliativbehandlung nicht auch in Spanien möglich gewesen wäre. Der Sachverhalt unterscheidet sich daher von Fällen, in denen der Erblasser gezielt in ein Hospiz oder Pflegeheim in einem bestimmten Land zieht, um dort bis zu seinem Tod zu leben (dazu Mankowski, Glosse zu 2 Nc 23/18g, FamRZ 2019, 1011; vgl auch OLG Celle 6 AR 1/19).

[27] (e) Für den gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien spricht darüber hinaus die – ebenfalls in EG 24 genannte – Lage des Vermögens. Dieses befindet sich überwiegend in Spanien: Dem gemeinsamen Konto/Depot in Österreich mit einem Stand von rund 21.000 EUR steht der Anteil an der offenkundig wertvollen Immobilie in Spanien gegenüber (vgl zur Relevanz von Immobilienbesitz bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts OLG Köln, 2 Wx 222/18); zudem verfügten die Ehegatten auch über ein gemeinsames Konto in Spanien. Demgegenüber hat die ebenfalls in EG 24 genannte Staatsangehörigkeit nur geringe Relevanz. Sie bildet zwar einen formalen Anknüpfungspunkt, der eine Rechtswahl (Art 22 EuErbVO) und, darauf aufbauend, eine Verschiebung der Zuständigkeit (Art 6 und 7 EuErbVO) ermöglicht. Für die allein von den tatsächlichen Umständen abhängige Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts könnte die Staatsangehörigkeit demgegenüber nur dann Bedeutung haben, wenn aus ihrem Beibehalten im konkreten Fall das Aufrechtbleiben von engen Beziehungen zum Heimatstaat abgeleitet werden könnte. Dafür bedürfte es aber angesichts der zunehmenden faktischen und rechtlichen Irrelevanz der Staatsangehörigkeit in der Europäischen Union besonderer Indizien.

[28] (f) Die Entscheidungen der Vorinstanzen überschreiten daher nicht jenen Rahmen, der durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑80/19, E.E., und die darin genannten Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO gebildet wird. Ein krankheitsbedingter Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat muss auch dann nicht zwingend zur Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts führen, wenn er – anders als im insofern eindeutigen Fall 2 Nc 23/18g – über längere Zeit anhält. Entscheidend ist, ob die engen und beständigen Beziehungen zum bisherigen Aufenthaltsstaat aufrecht bleiben. Dies hat das Rekursgericht hier in vertretbarer Weise bejaht.

[29] 4. Der Witwer behauptet weiters einen Mangel des Rekursverfahrens wegen „bloß floskelhafter Erledigung der Beweisrüge“. Auch damit zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[30] 4.1. Der Witwer hat in seinem Rekurs lediglich zusätzliche Feststellungen beantragt, nicht aber eine Beweisrüge zu konkreten Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts ausgeführt. Insbesondere hat er die (wenngleich dislozierte) Feststellung nicht bekämpft, wonach „zweifelsohne“ eine „Rückkehrabsicht“ nach Spanien bestanden habe. Diese aufgrund verschiedener Indizien getroffene Feststellung steht der vom Witwer gewünschten Feststellung, dass die Ehegatten ihren Aufenthalt schon 2016 endgültig nach Österreich verlegen wollten, diametral entgegen.

[31] 4.2. Der Oberste Gerichtshof ist an die Feststellung zur „Rückkehrabsicht“ nach Spanien gebunden. Zur Klarstellung ist jedoch festzuhalten, dass diese Feststellung für die Erledigung des außerordentlichen Revisionsrekurses irrelevant ist, weil das Rekursgericht seine Entscheidung ohnehin aufgrund einer (vertretbaren) Gesamtbewertung der objektiven Umstände getroffen hat. Es kann daher offen bleiben, ob subjektive Elemente (hier also eine „Rückkehrabsicht“) zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, wenn die objektiven Elemente – anders als hier – überwiegend oder auch eindeutig in eine andere Richtung wiesen (vgl zur strittigen Relevanz subjektiver Elemente zusammenfassend Kurth, Der gewöhnliche Aufenthalt in Art 4, 21 Abs 1 EuErbVO [2017] 92 ff mwN).

[32] 5. Das Rekursgericht hat somit seinen durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eröffneten Beurteilungsspielraum nicht überschritten, und es liegt auch kein relevanter Mangel des Rekursverfahrens vor. Der Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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