European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020NC00023.18G.0925.000
Spruch:
Die Akten werden dem vorlegenden Gericht zurückgestellt.
Begründung:
Der Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband Feldkirch teilte dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit, dass H***** D***** am ***** 2018 in Feldkirch gestorben sei. Der Verstorbene habe die österreichische und die türkische Staatsangehörigkeit besessen. Die „Anschrift“ sei unbekannt.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien überwies den Akt gemäß §§ 44, 105 JN zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Feldkirch.
Dieses führte Erhebungen durch, aus denen sich ergab, dass der Verstorbene vor vielen Jahren aus der Türkei nach Österreich gezogen und in Vorarlberg wohnhaft und berufstätig gewesen sei. Dann sei er wieder zurück in die Türkei gezogen, wo er für ca ein halbes Jahr in „Izmir Umgebung“ gelebt habe und wohin auch seine Pension überwiesen worden sei. Am 26. 2. 2018 sei er wegen schwerer medizinischer Komplikationen im LKH Feldkirch zu einer stationären Behandlung aufgenommen worden. Nach einer Notoperation am 9. 3. 2018 (Amputation des linken Beins) habe sich der Verstorbene in einem gesundheitlichen Zustand befunden, in dem eine Rückkehr in die Türkei kaum noch möglich gewesen wäre.
Daraufhin überwies das Bezirksgericht Feldkirch die Sache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurück. Der Verstorbene habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Feldkirch und auch nicht in Österreich gehabt.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor. Der Verstorbene habe zwar bis Februar 2018 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei gehabt, eine Rückkehr in absehbarer Zeit sei aber weder geplant noch möglich gewesen. Da somit ein dauerhafter Aufenthalt in Österreich geplant gewesen sei, der Verstorbene bereits in den Jahren 2000 bis 2016 durchgehend in Österreich gelebt und bis zu seinem Tod eine österreichische Pension bezogen habe, sei zum Todeszeitpunkt ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich vorgelegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfehlt.
1. Voraussetzung für ein Verfahren nach § 47 JN ist, dass es sich um eine Sache handelt, für die die österreichischen Gerichte international zuständig sind (2 Nc 27/15s mwN). Das trifft hier aus den folgenden Gründen nicht zu:
2. Nach Art 4 der seit 17. August 2015 geltenden VO (EU) 650/2012 (EuErbVO) sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der vertragsautonom auszulegende Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird zwar in der EuErbVO nicht definiert (Auslegungshilfen kann neben ErwGr 23 und 24 auch die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu anderen auf den „gewöhnlichen Aufenthalt“ abstellenden Europäischen Verordnungen geben; vgl Deixler‑Hübner in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO [2015] Art 4 Rz 16 ff), zu fordern ist aber jedenfalls eine gewisse Stabilität (Deixler‑Hübner Art 4 Rz 23; Dutta in MünchKomm BGB7 [2018] EuErbVO Art 4 Rn 6). Aus diesem Grund ist es für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausreichend, wenn sich der Erblasser nur vorübergehend in einem Staat aufhält, etwa weil er sich zu Zwecken einer bestimmten medizinischen Behandlung dort befindet (Deixler‑Hübner Art 4 Rz 24; Dutta Art 4 Rn 10). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts ist jener des Todes (Dutta Art 4 Rn 8).
3. Nach den vom Bezirksgericht Feldkirch erhobenen Lebensumständen des Erblassers hatte dieser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich, sondern in der Türkei. Er kam im Februar 2018 nur deshalb nach Österreich, um sich einer stationären Krankenbehandlung zu unterziehen. Dass er nach dem Krankenhausaufenthalt in Österreich bleiben wollte, geht aus den Erhebungsergebnissen nicht hervor. Ob er, hätte er überlebt, wegen seines gesundheitlichen Zustands möglicherweise nicht in die Türkei zurückkehren hätte können, ist aber für die auf den Todeszeitpunkt abzustellende Beurteilung nicht entscheidend. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des Vorlagegerichts hatte der Verstorbene daher im Zeitpunkt seines Todes in Österreich keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Die subsidiäre Zuständigkeit nach Art 10 Abs 1 EuErbVO kommt schon deshalb nicht zum Tragen, weil ein sich im Inland befindendes Nachlassvermögen des Verstorbenen nicht aktenkundig ist.
4. Derzeit gibt es daher keinen Hinweis auf eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Damit erübrigt sich, wie der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Fall bereits ausgesprochen hat, eine Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit (2 Nc 27/15s). Die Akten sind deshalb dem vorlegenden Gericht zurückzustellen.
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