OGH 1Ob71/21d

OGH1Ob71/21d18.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden, sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Matthias Strampfer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Cortolezis Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen 288.505,15 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Februar 2021, GZ 4 R 173/20y‑43, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. August 2020, GZ 39 Cg 108/18h‑33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00071.21D.0518.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Der Oberste Gerichtshof wird zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (vgl RIS‑Justiz RS0123663); ihm kommt eine Funktion als Tatsacheninstanz nicht zu (RS0042903 [T7]). Angelegenheiten der Beweiswürdigung sind daher ausschließlich von den Tatsacheninstanzen zu behandeln (1 Ob 14/20w uva).

[2] Das Berufungsgericht setzte sich in seiner Entscheidung mit den in der Berufung erhobenen Mängel- und Beweisrügen auseinander und erachtete sie als nicht berechtigt. Diese können demnach nicht (ein weiteres Mal) an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (vgl RS0043371; RS0042963). Nach ständiger Rechtsprechung fallen die in der außerordentlichen Revision angesprochenen Fragen, ob zum Beweis einer strittigen Tatsache – hier einer behaupteten Branchenübung – ein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich ist, ob der gerichtliche Sachverständige die notwendigen Kenntnisse besitzt, die Beurteilung der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens sowie die Bemängelung des vom Erstgericht aufgenommenen Sachverständigenbeweises in das Gebiet der Beweiswürdigung (1 Ob 14/20w mwN). Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit oder zur mangelnden Beweiskraft des Gutachtens stellen daher eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar (vgl RS0043175 [T2]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Mängel- und Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0042963 [T58]; RS0043371 [T28]).

[3] 2. Mit der Rechtsrüge können tatsächliche Feststellungen nur insoweit angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind (vgl RS0043356 [insbes T3] uva). Solche Fehler des Berufungsgerichts vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

[4] 3. Es steht fest, dass eine Prüfung, ob der Stahlbetonrost (als Teil des im Rahmen der Baumeisterarbeiten hergestellten „Untergrunds“) selbst ausreichend dimensioniert ist (und daher das Mauerwerk ausreichend „zusammenhält“) und ob er ausreichend nach unten verankert ist sowie ob auch weiter nach unten reichende Bauteile – bis zum Fundament hin – geeignet sind, die aus dem Dach auftretenden Lasten bis in den Baugrund schadensfrei abzuleiten, nach der in der Baubranche üblichen Vorgehensweise vom Zimmerer nicht vorgenommen wird. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die von ihrem Statiker durchgeführte statische Berechnung abgeändert, hat sich als unrichtig erwiesen. Vielmehr steht fest, dass der Beklagten zwar ein Einreichplan, nicht aber die Berechnung des Statikers zur Verfügung gestellt worden war und dass ihre statische Berechnung nur ihr eigenes Gewerk, also die Dachstuhlkonstruktion betraf.

[5] 4. Im Zusammenhang mit ihrer (unrichtigen) Behauptung, die Beklagte habe die vorhandene Berechnung ihres Statikers abgeändert, brachte die Klägerin vor, die Beklagte wäre im Rahmen einer „umfassenden Vorprüfung“ verpflichtet gewesen, sie vor Montage des Dachstuhls davor zu warnen, dass die (ausreichende) Belastbarkeit aller Bauteile nicht gegeben sei. Für das Bestehen einer solchen Verpflichtung stützte sie sich auf die ÖNORM B 7215. In der Revision wirft sie den Vorinstanzen vor, sie seien zur „Anwendung der ÖNormen“ (bei Verneinung dieser Prüfpflicht) von bisher (zu 4 Ob 356/86; 10 Ob 212/98v; 1 Ob 262/00m; 10 Ob 24/09s) ergangener Judikatur des Höchstgerichts abgewichen. Die von ihr genannten Entscheidungen betreffen aber Fälle, in denen anders gelagerte Sach- und Rechtsfragen zu lösen waren. Angebliche Warn- und Prüfpflichten des Auftragnehmers hinsichtlich des (ausgeführten) Werks eines anderen waren in keinem der von ihr zitierten Entscheidungen Gegenstand der Beurteilung gewesen.

[6] Die Klägerin räumt zwar ausdrücklich ein, dass die ÖNORM B 7215 eine „Verfahrensnorm“ (betreffend die Ausschreibung und Erstellung des Angebots) ist, tituliert sie dann aber als „technische Norm“ und behandelt sie in weiterer Folge so, als bezöge sie sich auf die Ausführung des Werks und ergebe sich aus ihr die Verpflichtung zur Überprüfung einer ausgeführten Vorleistung. Die – unstrittig zwischen den Streitteilen nicht vereinbarte – ÖNORM B 7215 enthält als Ergänzung zur ÖNORM 2050 („Vergabe von Aufträgen über Leistungen – Ausschreibung, Angebot und Zuschlag – Verfahrensnorm“) Hinweise für die Ausschreibung und die Erstellung von Angeboten sowie die hierzu erforderliche Abfassung von Leistungsbeschreibungen. Nach ihrem Anwendungsbereich beschreibt sie „im vorvertraglichen Bereich die Grundsätze anerkannter Ausschreibungsmethoden zur erfolgreichen Ausführung ausreichend bestimmt abgestimmter Zimmermeister‑ und Holzbauarbeiten“. Sie ist ausdrücklich „nicht dazu bestimmt Vertragsbestandteil zu werden“ und richtet sich in ihren Anforderungen sowohl an den Ausschreibenden als auch den Angebotsleger. Aufgrund welcher Planungsunterlagen die Beklagte bei der Erstellung ihres Anbots den (noch dazu anders als geplant ausgeführten) „Untergrund“ im „vorvertraglichen Bereich“ in welcher Hinsicht und mit welchem Ergebnis hätte prüfen (können und) müssen, legte die Klägerin gar nicht dar.

[7] Die Prüf‑ und Warnpflicht der Beklagten wäre nach Ansicht der Klägerin „vor der Montage des Dachstuhls dahin gegeben gewesen“, „dass die Belastbarkeit aller Bauteile nicht gegeben sei“. Sie bezog sich damit auf eine Prüfung des bereits ausgeführten „Untergrunds“ für den Dachstuhl. Wenn die Vorinstanzen (abgesehen von den Feststellungen zu dem in der Branche üblichen Vorgehen) aus dieser (den „vorvertraglichen Bereich“ und die Erstellung des Anbots betreffenden) ÖNORM, die gar nicht Vertragsbestandteil werden soll, keine Verpflichtung der Beklagten zur Überprüfung des (tatsächlich anders als geplant) ausgeführten (gesamten) unterliegenden Werks während der Bauphase auf „die Belastbarkeit aller Bauteile“ hin, ableiteten, kann die Revisionswerberin, die vor allem einzelne Passagen des Normtextes wiedergibt und daraus sogar ableiten will, dass der Zimmermeister für die Untergrundbeschaffenheit „verantwortlich“ sei, keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[8] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[9] 6. Kostenersatz für die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung steht der Beklagten nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu (RS0043690 [T6, T7]).

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