OGH 8ObA19/21h

OGH8ObA19/21h3.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* S*, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwaltin Salzburg, wegen 6.312,35 EUR brutto sA (Revisionsinteresse), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. Jänner 2021, GZ 12 Ra 65/20w‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131903

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtsfrage, ob bzw wann der auf seine Funktion als Betriebsratsvorsitzender im Betrieb der Beklagten gegründete besondere Kündigungsschutz des Klägers aufgrund einer dauernden Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats geendet hat.

[2] 2. Es steht fest, dass am 17. 12. 2018 sechs Mitglieder bzw Ersatzmitglieder des Betriebsrats ihren Rücktritt von dieser Funktion schriftlich (nur) gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt haben, nicht aber gegenüber dem klagenden Betriebsratsvorsitzenden. Dieser erhielt die Rücktrittsschreiben erst am 2. 9. 2019 durch den Beklagtenvertreter. Unbestritten geblieben ist, dass der Betriebsrat, wären diese Rücktritte wirksam gewesen, nur mehr aus dem Kläger als Vorsitzendem bestanden hätte und damit funktionsunfähig geworden wäre.

[3] Der Geschäftsführer der Beklagten hatte die an ihn gerichteten Rücktrittsschreiben, ohne von den Erklärenden dazu konkret beauftragt gewesen zu sein, nach vielen Monaten auch an den Kläger weitergeleitet und die im Verfahren als Vorfrage strittige Kündigung ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

[4] 3. Das Berufungsgericht ist unter Darstellung der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zur Form und Empfangsbedürftigkeit des Rücktritts eines Betriebsratsmitglieds sowie zu den Voraussetzungen einer wirksamen Übermittlung durch einen Boten zu dem Ergebnis gelangt, dass die auftragslose Weiterleitung der nicht an den Kläger adressierten Erklärungen nicht zur Beendigung der Funktion der Betriebsratsmitglieder geführt hat.

[5] 4. Die Revision macht dagegen zunächst geltend, dass es sich bei den Rücktrittserklärungen von Betriebsratsmitgliedern nur um empfangs‑, aber nicht um zustimmungspflichtige Willenserklärungen handle.

[6] Davon ist auch das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ausgegangen. Es hat aber dargelegt, dass eine wirksame Erklärung erfordert, dass sie auch an den richtigen Empfänger gerichtet war (vgl zum Zustellrecht auch RIS‑Justiz RS0106119; RS0106442).

[7] Soweit die Revision ausführt, die Rücktrittserklärungen der Betriebsratsmitglieder seien ohnehin an den Kläger gerichtet gewesen, entfernt sie sich vom erstinstanzlichen Parteienvorbringen und den bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen (RS0043312).

[8] 5. Auf einen konkludenten Rücktritt der Betriebsratsmitglieder gegenüber dem richtigen Empfänger hat sich die Beklagte, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, in erster Instanz nicht berufen.

[9] 6. Wie konkret der nach dem Gesetz zuständige Adressat einer Willenserklärung vom Absender bezeichnet werden muss, um ihn nach den Umständen unzweifelhaft erkennen zu können, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls und wirft als solche keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0042555; auch RS0044358 ua).

[10] 7. Die außerordentliche Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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