OGH 2Ob5/21f

OGH2Ob5/21f29.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Steger und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2018 verstorbenen H***** P*****, zuletzt wohnhaft *****, über den Revisionsrekurs der B***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Philipp Leitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 23. Oktober 2020, GZ 1 R 103/20x‑47, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 25. Mai 2020, GZ 2 A 164/18s‑34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00005.21F.0429.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die pflichtteilsberechtigte Tochter des Erblassers beantragte im Rahmen der Inventarserrichtung, die Bank des Erblassers zur Auskunftserteilung hinsichtlich aller bei ihr unterhaltenen, derzeit noch nicht im Inventar aufscheinenden Vermögenswerte, insbesondere aller zum Todeszeitpunkt auf den Namen des Erblassers identifizierten Sparbücher, auch Kleinbetragssparbücher, zu verpflichten. Sie brachte dazu vor, der Verstorbene habe bei der Bank Kleinbetragsspareinlagen unterhalten. Die Bank habe mangels Vorlage der Sparurkunde und Nennung des Losungsworts die Auskunft über diese Vermögenswerte an den Gerichtskommissär verweigert.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es ging davon aus, dass der Erblasser zwar Kleinbetragssparbücher bei der Bank unterhalten habe, mangels Vorlage der Sparurkunde aber keine Auskunftspflicht der Bank bestehe.

[3] Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im antragsstattgebenden Sinn ab und ließ den ordentlichen Revisionrekurs zu. Grundsätzlich fielen alle Sparguthaben, die dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zugestanden seien, in die Verlassenschaft und seien daher zu inventarisieren. Allein die erforderliche Erstidentifikation reiche auch bei einem „Kleinbetragssparbuch“ für die Annahme der Zugehörigkeit zum Nachlass aus, wenn kein Anhaltspunkt dafür vorliege, dass das Inhabersparbuch noch vor dem Ableben des Erblassers von einem Dritten gutgläubig erworben worden sei. Damit sei eine Auskunftspflicht des Bankinstituts zu bejahen.

[4] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine jüngere oberstgerichtliche Judikatur zur Auskunftspflicht von Bankinstituten zu Kleinbetragssparbüchern bestehe.

[5] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Bank mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[6] Die Tochter beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 70 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig, weil auch im Anwendungsbereich des § 62 Abs 1 AußStrG das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen ist (RS0112769 [T9 und T10]). In der – wenngleich nach der Entscheidung des Rekursgerichts jüngst ergangenen – Entscheidung 2 Ob 101/20x wurde bereits zu der hier maßgebenden Rechtsfrage eingehend Stellung genommen.

[8] Danach besteht auch bei solchen Sparbüchern, bei denen der Erblasser als Kunde identifiziert ist, deren Guthabenstand weniger als 15.000 EUR beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen sind (§ 32 Abs 4  Z 1 BWG; „Kleinbetragssparbücher“), unabhängig davon, dass sie als Inhaberpapiere einzuordnen sind (vgl 4 Ob 170/11w mwN), eine Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Verlassenschaftsgericht, solange die Spareinlage nicht unzweifelhaft nicht dem Nachlass zuzuordnen ist. Unter dieser Voraussetzung hat die Bank, ohne dass es auf den Besitz der Sparurkunde ankäme, dem Gerichtskommissär und dem Verlassenschaftsgericht Kontonummern und Kontensalden mitzuteilen sowie alle Auskünfte zu erteilen, die für die – dem Gerichtskommissär bzw dem Verlassenschaftsgericht obliegende – Entscheidung über die Aufnahme von Vermögenswerten in das Inventar erforderlich sind.

[9] Da die im Rechtsmittel aufgeworfene und vom Rekursgericht frei von Rechtsirrtum gelöste Rechtsfrage daher mittlerweile bereits beantwortet ist, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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