OGH 2Ob101/20x

OGH2Ob101/20x25.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Parzmayr und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2017 verstorbenen J***** B*****, zuletzt *****, über den Revisionsrekurs der V***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Richard Bickel, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 20. Februar 2020, GZ 1 R 28/20f‑137, womit infolge Rekurses dieses Kreditinstituts der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 19. Dezember 2019, GZ 34 A 177/17z‑127, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00101.20X.0325.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am ***** 2017 verstorbenen Erblasser war zufolge bedingter Erbantrittserklärungen ein Inventar zu errichten. Der Nachlass wurde, jeweils aufgrund des Gesetzes, der Witwe zu einem Drittel und dem Sohn zu zwei Drittel eingeantwortet.

[2] Nach Fassung des Einantwortungsbeschlusses gab die Revisionsrekurswerberin (in der Folge: Bank) dem Gerichtskommissär bekannt, dass die von ihr ursprünglich erteilte Auskunft, der Erblasser habe zu ihr keine Geschäftsbeziehungen unterhalten, irrtümlicherweise „nicht ganz richtig“ erfolgt sei. Tatsächlich habe sich der Erblasser gemäß § 5 Z 1 FM-GwG zu Spareinlagen legitimiert gehabt. Für den Fall der Nachlasszugehörigkeit werde um Bekanntgabe der Spareinlagen-Kontonummern zwecks Vornahme der Sperre ersucht.

[3] Die Erben teilten dem vom Erstgericht von Amts wegen mit der Nachtragsabhandlung beauftragten Gerichtskommissär mit, dass die Spareinlagen (jedenfalls zum Teil) nachlasszugehörig seien. Die entsprechenden Sparurkunden wurden in der Verlassenschaft nicht aufgefunden.

[4] Die Bank verweigerte gegenüber dem Gerichtskommissär die Auskunft über Kontonummer und Kontostand der Spareinlagen mit der Begründung, bei Kleinbetragssparbüchern mit einem Einlagestand unter 15.000 EUR handle es sich um Inhaberpapiere, sodass die Auskunftserteilung an die Vorlage der Sparurkunden gebunden sei.

[5] Das Erstgericht trug der Bank auf, dem Gerichtskommissär über sämtliche bei ihr auf den Verstorbenen legitimierten Vermögenswerte Auskunft zu geben, insbesondere die (Spareinlagen-)Kontonummern, den Saldo zum Todestag und den aktuellen Saldo bekannt zu geben. Es konnte nicht feststellen, ob das Sparguthaben vor dem Tod des Erblassers zediert wurde oder ein Dritter die dem Erblasser allenfalls abhanden gekommenen Sparurkunden gutgläubig erworben hatte.

[6] Das von der Bank angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, die Identifizierung des Erblassers beim Bankinstitut sei ein ebenso starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf eine Spareinlage wie in sonstigen Fällen sein Besitz. Ein dem Erblasser abhanden gekommenes Überbringersparbuch sei in die Abhandlung einzubeziehen, solange nicht ersichtlich sei, dass es ein Dritter vor dem Tod gutgläubig erworben habe. Diesen Standpunkt habe der Oberste Gerichtshof schon zur alten Rechtslage, also zum „anonymen“ Sparbuch, eingenommen. Ansonsten hätte es ein Bankinstitut gegenüber einem Kunden – und damit auch dessen Rechtsnachfolger – in der Hand, nach Abhandenkommen eines Sparbuchs unter Verweis auf eine bloß mögliche Übertragung der Forderung die Bekanntgabe der Kontodaten zu verweigern, sodass die Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens verunmöglicht werden könnte. Auch mit dem Hinweis auf die Rechte Dritter oder von Kontomitinhabern könne diese Auskunft nicht verweigert werden.

[7] Auf Antrag der Bank ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auskunftspflicht eines Bankinstituts betreffend auf den Erblasser identifizierter Kleinbetragssparbücher, die sich nicht mehr im Besitz der Verlassenschaft befinden, nicht vorliege.

[8] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Bank mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben; hilfsweise, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Beschlussfassung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[9] Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grundzulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

[11] Die Bank macht geltend, die vom Rekursgericht herangezogene Rechtsprechung zu Großbetragssparbüchern könne nicht auf Kleinbetragssparbücher übertragen werden. Letztere seien Inhaberpapiere, sodass die Bank von einer Übertragung an einen neuen Inhaber nicht erfahren müsse. Eine Zuordnung zum Erblasser bloß aufgrund der „Erstlegitimation“ bei Eröffnung des Sparbuchs sei nicht möglich. Diese bilde daher keinen ausreichenden Anhaltspunkt für die Nachlasszugehörigkeit. Die Bank dürfe daher nur dann Auskunft erteilen, wenn sich die Sparurkunde im Todeszeitpunkt noch im Besitz des Erblassers befunden habe oder für kraftlos erklärt worden sei. Auch die Mitteilung der Erben, dass die Spareinlagen (nur) zum Teil nachlasszugehörig seien, führe dazu, dass die Bank bei Offenlegung der Informationen zumindest zum Teil gegen das Bankgeheimnis verstoßen würde.

[12] Hiezu wurde erwogen:

[13] 1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Fachsenats des Obersten Gerichtshofs beruht das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs und des Abhandlungsgerichts auf eigenem Recht, die Rechtsgrundlage bildet § 38 Abs 2 Z 3 BWG. Der Umfang ihrer Befugnisse ergibt sich aus den gesetzlich festgelegten Aufgaben des Gerichtskommissärs, vor allem also aus den §§ 145 ff und 165 ff AußStrG (2 Ob 113/17g; 2 Ob 183/15y; RS0130973).

[14] 2. Im vorliegenden Fall wurde gemäß § 165 Abs 1 Z 1 AußStrG ein Inventar errichtet, weil bedingte Erbantrittserklärungen abgegeben wurden. In dieses sind alle körperlichen Sachen und alle vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen und ihr Wert im Zeitpunkt seines Todes aufzunehmen (§ 166 Abs 1 AußStrG). Das Erstgericht beauftragte den Gerichtskommissär aufgrund der Mitteilung der Revisionsrekurswerberin von Amts wegen mit der Durchführung einer Nachtragsabhandlung. Dieser hat gemäß § 183 Abs 2 AußStrG das Inventar zu ergänzen. Gerichtskommissär und Abhandlungsgericht wurden daher im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse tätig (vgl 2 Ob 127/17s; Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 11).

[15] 3. Der Fachsenat hat in der Entscheidung 2 Ob 183/15y mit ausführlicher Begründung klargestellt, dass das Bankgeheimnis durch § 38 Abs 2 Z 3 BWG nicht lediglich insoweit durchbrochen ist, als Geheimnisse des Erblassers und des Nachlasses offenbart werden sollen. § 38 Abs 2 Z 3 BWG differenziert nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen. Die Berufung der Bank auf das Bankgeheimnis wird dadurch gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht grundsätzlich ausgeschlossen. Mit dem Hinweis auf Rechte Dritter oder von Kontomitinhabern kann die Auskunft daher nicht verweigert werden (2 Ob 183/15y).

[16] Daraus folgt aber, dass nur dann keine Auskunftspflicht besteht, wenn ein Bankkonto oder eine Spareinlage unzweifelhaft nicht dem Nachlass zuzuordnen ist (vgl Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 9; Hofmann, Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014/1). Ist das nicht der Fall, ist die Bank gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht zur Auskunft verpflichtet. Davon umfasst sind jedenfalls Angaben über Kontonummer und Kontensaldo (vgl § 166 Abs 1 AußStrG; Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 10). Die Bank hat aber auch alle weiteren Auskünfte zu erteilen, die zum Zweck der Klärung der Nachlasszugehörigkeit erforderlich sind (2 Ob 183/15y [ErwGr 4.4.2]; Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 9 und Rz 14). Die Entscheidung über die Aufnahme von Vermögenswerten in das Inventar obliegt dem Gerichtskommissär bzw dem Verlassenschaftsgericht (Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 16; idS auch Hofmann, Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014/1, 14).

[17] 4. Grundsätzlich fallen alle Sparguthaben in die Verlassenschaft und sind daher zu inventarisieren, die dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zustanden. Dass das betreffende Sparbuch im Todeszeitpunkt im Besitz des Erblassers stand, ist dafür aber nicht notwendige Voraussetzung. Sparbücher, die auf den Namen des Erblassers lauten, sind unabhängig davon, wo sich das Sparbuch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers befindet, grundsätzlich in das Inventar aufzunehmen (2 Ob 95/17k mwN; 2 Ob 64/17a).

[18] 5. Zu Großbetragssparbüchern (§ 32 Abs 4 Z 2 BWG), bei denen der Erblasser iSd § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG als Kunde identifiziert ist, hat der erkennende Senat bereits mehrfach festgehalten, dass die Identifizierung des Erblassers beim Kreditinstitut als ebenso starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf eine Spareinlage zu werten ist, wie in sonstigen Fällen sein Besitz (2 Ob 4/18d; 2 Ob 95/17k; 2 Ob 64/17a; RS0131962). Dies auch aufgrund der Erwägung, dass die Bank wegen der Eigenschaft der Großbetragssparbücher als Rektapapiere bis zur Bescheinigung einer Zession davon auszugehen hat, dass der identifizierte Kunde (bzw nun die Verlassenschaft) weiterhin ihr Gläubiger ist (2 Ob 95/17k mwN; 2 Ob 64/17a; vgl RS0010938).

[19] 6. Sparbücher deren Guthabensstand weniger als 15.000 EUR beträgt, die nicht auf einen Namen lauten und mit einem Losungswort versehen sind (§ 32 Abs 4  Z 1 BWG; „Kleinbetragssparbücher“), sind Inhaberpapiere (4 Ob 170/11w mwN). Auch bei der Eröffnung eines solchen Sparbuchs hat sich der Einleger jedoch zu identifizieren (§ 5 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG). Kleinbetragssparbücher werden grundsätzlich durch Übergabe und Mitteilung des Losungsworts ins Eigentum des Übernehmers übertragen (vgl RS0102510). Das Kreditinstitut darf an den identifizierten (§ 6 Abs 1 Z 1 FM-GwG) Vorleger der Urkunde, der das korrekte Losungswort nennt, leisten.

[20] 7. Der Oberste Gerichtshof hat schon zum früheren „anonymen“ Sparbuch festgehalten, dass ein dem Erblasser abhanden gekommenes Überbringersparbuch in die Abhandlung einbezogen werden müsse, solange nicht ersichtlich sei, dass es ein Dritter vor dem Tod gutgläubig erworben habe (RS0107375). Trotz der unterschiedlichen wertpapierrechtlichen Qualifikation der Kleinbetrags- und Großbetragssparbücher ist aus dieser Wertung abzuleiten, dass aus dem Nichtvorliegen der Sparurkunde nicht auf eine Übertragung derselben – sei es durch reale Übergabe des Inhabersparbuchs, sei es durch Zession des Rektapapiers – geschlossen werden kann (vgl 2 Ob 95/17k; Tschugguel, EF‑Z 2018/86 [Glosse zu 2 Ob 64/17a]).

[21] 8. Solange daher der Bank keine entsprechenden gegenteiligen Nachweise vorliegen, darf sie auch bei Kleinbetragssparbüchern, bei denen der Erblasser als Einleger identifiziert ist, keineswegs zweifelsfrei davon ausgehen, dass sie nicht dem Nachlass zuzuordnen sind. Daher besteht auch betreffend solche Spareinlagen eine Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Verlassenschaftsgericht im oben genannten Umfang (Punkt 3.), ohne dass es auf den Besitz der Sparurkunde ankommt (vgl 2 Ob 64/17a EF-Z 2018/86 [Tschugguel]; Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 145a Rz 16; aM: Trinkl in Dellinger, BWG [10. Lfg] § 31 Rz 79; Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht2 I Rz 2/115; zweifelnd: Riss, Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166 [179 f]; vgl auch Spitzer in Bollenberger/Oppitz, Bankvertragsrecht3 I Rz 2/135).

[22] 9. Diesem Ergebnis entgegenstehende schutzwürdige eigene Interessen der Bank sind demgegenüber nicht erkennbar, zumal sich insbesondere an den Voraussetzungen für eine Auszahlung nichts ändert. Für die Rechtsnachfolger des Bankkunden bleibt hingegen dadurch die Möglichkeit zur Durchführung eines Kraftloserklärungsverfahrens gewahrt, in welchem allfällige Rechte Dritter berücksichtigt werden können (vgl 2 Ob 95/17k EF‑Z 2017/146 [Tschugguel]).

[23] 10. Es wurde bereits erörtert (Punkt 3.), dass die Bank mit dem Hinweis auf Rechte Dritter oder von Kontomitinhabern die Auskunft nicht verweigern kann (2 Ob 183/15y). Auch die Mitteilung der Erben, dass die Spareinlagen (nur) zum Teil nachlasszugehörig seien, führt daher nicht dazu, dass die Bank bei der Auskunftserteilung zumindest zum Teil gegen das Bankgeheimnis verstoßen würde.

[24] 11. Die Vorinstanzen sind somit zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Bank auch im vorliegenden Fall gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht nicht auf das Bankgeheimnis berufen kann. Der Revisionsrekurs bleibt erfolglos.

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