European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00073.21W.0420.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 21. März 2018 wurde für den Betroffenen ua für die Verwaltung des Vermögens und die Vertretung bei Rechtsgeschäften ein Sachwalter (nunmehr gerichtlicher Erwachsenenvertreter) bestellt. Mit Beschluss vom 29. August 2019 wurde für rechtsgeschäftliche Erklärungen des Betroffenen ein Genehmigungsvorbehalt nach § 242 Abs 2 ABGB angeordnet und ausgesprochen, dass die Wirksamkeit dieser Angelegenheiten die Genehmigung des Erwachsenenvertreters und in den Fällen des § 258 Abs 4 ABGB (nicht ordentlicher Wirtschaftsbetrieb) auch jene des Gerichts voraussetzt. Der 40jährige Betroffene wohnt in einer Eigentumswohnung samt Abstellplatz.
[2] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Erwachsenenvertreters auf gerichtliche Genehmigung einer im Rahmen eines Übergabevertrags geplanten Schenkung der Eigentumswohnung an die beiden minderjährigen Söhne des Betroffenen (dies bei gleichzeitiger Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts und eines Belastungs- und Veräußerungsverbots) ebenso ab wie den damit verbundenen Antrag auf Genehmigung einer (zur Abdeckung der Betriebskosten bis 2027 gewidmeten) Zahlung von 25.000 EUR an die Mutter der Minderjährigen. Das Rekursgericht ging in Übereinstimmung mit dem Erstgericht davon aus, dass die Übergabe der Wohnung an die Kinder nicht dem offenbaren Vorteil des Betroffenen diene. Das abzuschließende Geschäft sei im besten Fall nicht vermögensmindernd. Dem Wunsch des Betroffenen auf Sicherung einer lebenslangen Wohnversorgung werde durch die zu seinem Schutz getroffenen Maßnahmen (Erwachsenenvertretung mit Genehmigungsvorbehalt) bereits ohne Aufgabe des Eigentums an der Wohnung entsprochen. Mit der Übertragung der Wohnung sei eine Wohlgefährdung verbunden.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
[4] 1.1 Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung von Grundbesitz setzt den offenbaren Vorteil des Betroffenen voraus (§ 223 ABGB iVm § 258 Abs 3 ABGB). Diese Frage muss das Gericht nach seinem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilen. Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend muss dabei ein äußerst strenger Maßstab angelegt werden, um das unbewegliche Vermögen des Betroffenen zu erhalten (RIS‑Justiz RS0081749 [T3]).
[5] 1.2 Die Entscheidung über die Genehmigung der Veräußerung von Grundbesitz ist dabei regelmäßig eine Einzelfallentscheidung (RS0048176). Eine an den besonderen Umständen des Einzelfalls orientierte, letztlich dem billigen Ermessen des Gerichts anheimgestellte Entscheidung ist jedoch, wenn sich keine eklatante Fehlbeurteilung erkennen lässt, nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0044088 [T10]). Die Entscheidung, ob die Veräußerung einer Liegenschaft dem Wohl des Betroffenen dient, ist daher nur dann einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof zugänglich, wenn den Vorinstanzen ein grober Fehler unterlaufen wäre (RS0081749 [T4]; 6 Ob 153/17v mwN).
[6] 1.3 Wenn das Rekursgericht zum Ergebnis gelangte, dass in der unentgeltlichen Übergabe der Wohnung an die Kinder des Betroffenen kein offenbarer Vorteil des Betroffenen liege, ist darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken, zumal der Betroffene mit der Übergabe seinen einzig bedeutenden und sicheren Vermögenswert verlieren würde und eine dauerhafte Wohnversorgung des Betroffenen durch den Status quo gesichert ist.
[7] 2.1 Der aufgezeigte Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 46/19x liegt nicht vor. Auch nach dieser Entscheidung wurde der Verkauf der Liegenschaft des Betroffenen nicht genehmigt, wobei auch dort die Sicherung der Wohnversorgung entscheidend war. Der Senat hielt fest, dass gerade bei der Verwertung von Liegenschaften mit besonderer Zurückhaltung und Sensibilität vorgegangen werden muss.
[8] Als Zusatzargument wurde auch der Wille des Betroffenen herangezogen, der sich im dortigen Anlassfall gegen den Verkauf seiner Liegenschaft wandte. Dazu wurde ausgeführt, dass sich der Erwachsenenvertreter bei allen Entscheidungen in Vermögensangelegenheiten nach § 241 Abs 2 ABGB an den Wünschen der betroffenen Person zu orientieren hat, solange durch die Erfüllung der Wünsche das Wohl des Betroffenen nicht erheblich gefährdet wird.
[9] 2.2 Die Frage, was der tatsächliche und aktuelle Wunsch des Betroffenen ist, hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab wie die Frage einer allfälligen Gefährdung bei Berücksichtigung dieses Wunsches, sodass im Regelfall keine Rechtsfrage in der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität vorliegen wird (dazu zuletzt 6 Ob 3/21s).
[10] 2.3 Das Rekursgericht hat sich in jedenfalls vertretbarer Weise mit der gesetzlichen Vorgabe des § 241 Abs 2 ABGB auseinandergesetzt. Wenn es davon ausgeht, dass dem Wunsch des Betroffenen auf „langfristige Sicherung der Wohnung“ durch das aufrechte Eigentum an dieser Wohnung in Kombination mit den gerichtlichen Maßnahmen der Erwachsenenvertretung entsprochen werden kann, ohne dass dabei die mit der Schenkung verbundenen Nachteile (beträchtlicher Vermögensverlust) in Kauf genommen werden müssen, bedarf das keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[11] 2.4 Die angefochtene Entscheidung hat damit den Willen des Betroffenen in vertretbarer Weise berücksichtigt. Damit stellt sich auch nicht die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage, ob § 241 Abs 2 ABGB die Bestimmung des § 223 ABGB verdrängt.
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