European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00047.21D.0420.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1 Nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0110725) und der herrschenden Lehre (Klang in Klang² II 256; Spielbüchler in Rummel³ § 387 Rz 1; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 387 Rz 1; Schickmair in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 387 Rz 1; Eccher/Riss in KBB6 § 387 Rz 1; Holzner in Klang³ § 387 Rz 1; Mader in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 387 Rz 1; Höller in Kodek, Grundbuchsrecht² § 4 GBG Rz 62 ff) besteht die Möglichkeit der Preisgabe unbeweglicher Sachen und deren Aneignung. Bei verbücherten Liegenschaften muss nach den das österreichische Sachenrecht beherrschenden Grundsätzen (§ 444 ABGB) die Preisgabe des Eigentums im öffentlichen Buch eingetragen werden, was durch die Einverleibung der
Herrenlosigkeit bewirkt wird (RS0110726).
[2] 1.2 Gestützt auf seine notariell beglaubigte Erklärung „über die Aneignung eines Grundstücks“ begehrte der Antragsteller die Einverleibung der Löschung des Eigentums für den „Gemeindeschießstand […]“, die Anmerkung der Herrenlosigkeit der Liegenschaft und die Vormerkung seines Eigentumsrechts daran, weil sämtliche Vorarlberger Schützengilden im Jahr 1938 aufgelöst worden seien. Aus der sich aus dem Grundbuch ergebenden Tatsache, dass die Liegenschaft nicht an einen Dritten übertragen worden sei, ergebe sich deren Dereliktion. Mit diesen Ausführungen kann der Antragsteller keine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht aufzeigen, das die Abweisung seines Antrags durch das Gericht erster Instanz bestätigte:
[3] 2.1 Die Preisgabe erfolgt durch die tatsächliche Aufgabe des Besitzes mit dem Willen, das Eigentum an der Sache aufzugeben (§ 362 ABGB). Sie ist eine Willensbetätigung und setzt voraus, dass der Wille zur Aufgabe des Eigentums aus dem verwirklichten äußeren Tatbestand zu erschließen ist. Bei fehlendem Willen geht das Eigentum nicht verloren (4 Ob 37/97p). Dazu bedarf es eines von außen erkennbaren Akts der Dereliktion (vgl 7 Ob 388/56 = RS0010333; 1 Ob 213/13z). Bei verbücherten Liegenschaften ist für deren Wirksamkeit zusätzlich die Eintragung (der Herrenlosigkeit) im Grundbuch erforderlich (5 Ob 126/98k; Höller aaO Rz 63; Schickmair aaO § 387 Rz 2; Rassi 3 Rz 4.40).
[4] 2.2 Die Bildung der Schützengesellschaften war im Gesetz für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg vom 14. 5. 1874 (zuletzt in der Fassung X. St. 26 vom 15. 5. 1913) geregelt, die, wenn sie einen bestimmten Schießübungsplatz hatten, die Bezeichnung „Schießstände“ trugen. Es mag zutreffen, dass – wie der Revisionsrekurswerber geltend macht – der hier in Rede stehende Gemeindeschießstand bereits vor dem zweiten Weltkrieg aufgrund gesetzlicher Anordnung aufgelöst worden ist. Nähere Erhebungen der Vorinstanzen im Rahmen ihrer Prüfpflicht gemäß § 94 Abs 2 GBG dazu waren entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers aber schon deshalb entbehrlich, weil ganz allgemein gilt, dass eine juristische Person unabhängig von ihrer (amtswegigen) Löschung solange fortbesteht als sie über Aktivvermögen verfügt (zum Verein: RS0079726; zu Kapitalgesellschaften: RS0050186). Die Löschung (Auflösung) wirkt nur deklarativ, sodass eine Vollbeendigung in all diesen Fällen erst eintritt, wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (zur Personengesellschaft: 8 Ob 6/94).
[5] 2.3 Nach dem Grundbuchsstand ist der Schützengesellschaft Liegenschaftsvermögen zugeordnet. Unabhängig von einer (gesetzlichen) Auflösung liegt damit – wie bei jeder juristischen Person – keine Vollbeendigung des „Gemeindeschießstands […]“ vor, sodass es keine Fehlbeurteilung begründet, wenn das Rekursgericht schon die Legitimation des Antragstellers zur Abgabe der für die Dereliktion erforderlichen Willenserklärung verneinte (vgl nur 1 Ob 259/48: Zulässigkeit der Bestellung eines Kurators für das Vermögen eines behördlich aufgelösten Vereins). Kommt eine Einverleibung der Herrenlosigkeit mangels einer darauf gerichteten (wirksamen) Willenserklärung nicht in Betracht, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen das Gesuch um Vormerkung des Eigentumsrechts zugunsten des Antragstellers abgewiesen haben.
[6] 3. Da das Grundbuchsgesuch mit der vorgelegten Urkunde nicht wiederholt werden kann, erübrigt sich nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats die Prüfung der weiteren, von den Vorinstanzen herangezogenen Abweisungsgründe (RS0060544). Inwieweit es einen Verfahrensfehler begründen soll, weil die Vorinstanzen seinen Antrag nach inhaltlicher Prüfung abgewiesen und den Antragsteller nicht aufgefordert haben, diesen zurückzuziehen, ist bei dieser Sachlage nicht nachvollziehbar.
[7] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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