OGH 5Ob195/20t

OGH5Ob195/20t16.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Mayrhofer, LL.B., MBA, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Feststellung, Zustimmung und Herausgabe (Gesamtstreitwert 324.820 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. September 2020, GZ 3 R 88/20m‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00195.20T.0316.000

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Schriftsatz der klagenden Partei vom 25. 1. 2021 wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] I. Da die Revision der Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

[2] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

[3] 1.1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist nach ständiger Rechtsprechung mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑ Justiz RS0043150; RS0043371). Das Berufungsgericht ist dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043162; RS0043150 [T2]; RS0043268 [T5]; RS0040165 [T3, T4]; RS0043371 [T18]; RS0040180 [T1]).

[4] 1.2. Das Berufungsgericht hat die Rüge einzelner Feststellungen ausdrücklich nicht behandelt, weil die betroffenen Tatsachenfragen aus rechtlichen Gründen nicht entscheidungswesentlich seien. Das Berufungsgericht wies dabei zutreffend darauf hin, dass aus den von der Klägerin in diesem Zusammenhang begehrten Ersatzfeststellungen der in diesem Verfahren strittige Abschluss eines verbindlichen Kaufvertrags nicht abzuleiten ist. Voraussetzung dafür wäre vielmehr die behauptete mündliche Vereinbarung („Fixierung“) in einem am 8. 5. 2019 geführten Gespräch. Die bekämpften Feststellungen zur „Vor- und Nachgeschichte“ des Zusammentreffens der Geschäftsführer der Streitteile am 8. 5. 2019 können zwar möglicherweise Indizien für dessen Verlauf und Inhalt sein, sie sind aber nicht selbst Teil des rechtserzeugenden Tatbestands und wirken sich daher nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung aus. Ob zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der dazu vernommenen Zeugen und Parteien solchen Hilfstatsachen Bedeutung beizumessen ist, ist aber Sache der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen (vgl zum Indizienbeweis RS0040278 [T1], RS0112460 [T1]; zum Kontrollbeweis RS0040246 [T2], RS0043406). Der Grundsatz, dass das Berufungsverfahren an einem Mangel leidet, wenn sich das Berufungsgericht mit einer Beweisrüge überhaupt nicht befasst hat, kommt aber nur dann zum Tragen, wenn diese Beweisrüge entscheidungserhebliche Feststellungen betrifft. Werden dagegen – wie hier – Feststellungen angefochten, die bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Sache ohne Bedeutung sind, ist das Berufungsgericht nicht verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen (RS0043190).

[5] 1.3.  Mit den unmittelbaren Beweisergebnissen und den Feststellungen des Erstgerichts zu den für die Entscheidung wesentlichen Tatsachenfragen im Zusammenhang mit dem (angeblichen) Gespräch am 8. 5. 2019 hat sich das Berufungsgericht ausführlich auseinandergesetzt. Davon dass das Berufungsgericht (auch) diesbezüglich mangels Auseinandersetzung mit deren „Kernargumenten“ die Mindestanforderungen an die mängelfreie Erledigung der Beweisrüge der Klägerin unterschritten habe, kann keine Rede sein.

[6] 1.4. Das Berufungsgericht hat die Beweise nur dann gemäß § 488 ZPO selbst in mündlicher Berufungsverhandlung zu wiederholen und allenfalls zu ergänzen, wenn es den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht zu folgen vermag (RS0042081; RS0043125 [T2]). Hat das Berufungsgericht aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise hingegen keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, ist es selbst unter Heranziehung neuer Argumente nicht zur Beweiswiederholung verpflichtet (RS0043096; RS0043125 [T9]).

[7] 1.5. Ob den Anforderungen des § 500a ZPO entsprochen wurde, ist eine Einzelfallfrage, die vom Obersten Gerichtshof nur bei einer grob fehlerhaften Anwendung der Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgegriffen werden könnte (RS0123827; RS0122301 [T1]). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die gegenteilige Argumentation der Klägerin beruht auf einem unrichtigen Verständnis der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts (vgl 2.).

[8] 2.1. Die Klägerin behauptet eine grob unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts. Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich nämlich, dass es zwar nicht am 8. 5. 2019, aber bereits davor zu einem Vertragsschluss zwischen den Parteien gekommen sei, der freilich mit einer Bedingung verknüpft worden sei.

[9] 2.2. Dieses Verständnis der eigentlichen Feststellungen und der Rechtsausführungen des Erstgerichts mit angeblichem Feststellungscharakter bezeichnete schon das Berufungsgericht als unschlüssig. Die Auslegung von Urteilsfeststellungen im Einzelfall wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0118891). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt hier jedenfalls nicht vor (RS0118891 [T5]).

[10] 2.3. Inwieweit die Ausführungen der Klägerin, die auf der dem Erstgericht unterstellten Feststellung eines früheren Vertragsabschlusses beruhen, mit deren Prozessstandpunkt in erster Instanz in Einklang zu bringen sind, ist daher nicht mehr zu prüfen.

[11] II. Der Schriftsatz der Klägerin vom 25. 1. 2021 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und ist daher als unzulässig zurückzuweisen (RS0041666).

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