European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00027.21F.0315.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Nach Einwendungen der Beklagten gegen die gerichtliche Aufkündigung beraumte das Erstgericht für 25. 11. 2019 die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an, zu der die Beklagte nicht erschienen ist; sie teilte per E‑Mail mit, dass sie krank sei. Daraufhin beantragte die Klägerin die Fällung eines Versäumungsurteils, dessen Erlassung sich das Erstgericht – bis zur Überprüfung der mitgeteilten Verhinderung der Beklagten – vorbehielt. Mit Beschluss vom 26. 11. 2019 (ON 16) wurde der Beklagten binnen 14 Tagen die Vorlage einer ärztlichen Bestätigung aufgetragen, woraus ihre Ausgehunfähigkeit am 25. 11. 2019 ersichtlich ist. Auf diesen Beschluss reagierte die Beklagte mit einem Ablehnungsantrag. Nach rechtskräftiger Zurückweisung dieses Antrags (am 3. 2. 2020) kam die Beklagte am 19. 2. 2020 der gerichtlichen Aufforderung in ON 16 durch Vorlage einer (mit 17. 2. 2020 datierten) ärztlichen Bestätigung „unter Protest“ nach.
[2] Das Erstgericht erließ (am 8. 6. 2020) das beantragte Versäumungsurteil; damit erklärte es die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur geräumten Übergabe der Wohnung top ***** in *****.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verneinte das Vorliegen des behaupteten Nichtigkeitsgrundes und der geltend gemachten Verfahrensmängel und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die geforderte ärztliche Bestätigung verspätet ausgestellt und vorgelegt worden sei. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht diese Bestätigung nicht als hinreichende Begründung für das Fernbleiben der Beklagten angesehen habe. Der Argumentation der Beklagten sei zudem zu erwidern, dass nach § 402 Abs 1 ZPO nur objektive Umstände die Ablehnung der Erlassung eines Versäumungsurteils rechtfertigten, nicht aber subjektive Hinderungsgründe, für die der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung stehe.
Rechtliche Beurteilung
[4] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[5] 1.1 Die Beklagte macht als Verfahrensmangel zunächst geltend, dass sie über die Unzulässigkeit der gesonderten Anfechtung des Beschlusses in ON 16 nicht belehrt worden sei.
[6] 1.2 Dieser behauptete Verfahrensmangel bezieht sich auf das erstinstanzliche Verfahren. Nach ständiger Rechtsprechung können vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr in der Revision gerügt werden (RS0042963; RS0043111).
[7] 2.1 Zudem führt die Beklagte in der außerordentlichen Revision aus, dass – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch subjektive Hinderungsgründe von § 402 Abs 1 Z 2 ZPO erfasst seien und daher zur Verweigerung eines beantragten Versäumungsurteils führen müssten.
[8] 2.2 Nach § 402 Abs 1 Z 1 ZPO kann ein sogenanntes „vorbehaltenes Versäumungsurteil“ erlassen werden, wenn der Zustellnachweis betreffend die Ladung der säumigen Partei fehlt oder wenn trotz Vorliegens eines solchen Nachweises Bedenken gegen die ordnungsgemäße Zustellung bestehen. Demgegenüber ist der Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils gemäß § 402 Abs 1 Z 2 ZPO sofort abzuweisen, wenn es bei Gericht offenkundig ist, dass die nicht erschienene Partei durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen gehindert ist. Nach der (mehrere Jahre zurückliegenden) Rechtsprechung und einem Teil der Lehre fallen unter diese Bestimmung nur objektive Umstände, nicht aber auch Ereignisse, die sich subjektiv aus der Person des Säumigen ergeben, was beispielsweise für eine Erkrankung gilt (RS0040884). Dies wird damit begründet, dass die in Rede stehende Bestimmung eine Ergänzung zu § 146 ZPO bilde und subjektive Hinderungsgründe daher nur eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten (Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny 3 § 402 ZPO Rz 4 mwN). In der Literatur wird auch der gegenteilige Standpunkt vertreten (Garber in Höllwerth/Ziehensack § 402 ZPO Rz 15; Rechberger/Klicka 5 § 402 ZPO Rz 3).
[9] 2.3 Wird – wie hier – eine Krankheit (mit Ausgangsverbot) behauptet, so muss somit nach dem einen Meinungsstand das beantragte Versäumungsurteil ohne Weiteres sofort erlassen werden und nach dem anderen Meinungsstand über den Antrag sofort entschieden und das Versäumungsurteil sofort erlassen werden, wenn der Hinderungsgrund nicht offenkundig ist. Daraus folgt, dass dann, wenn der behauptete subjektive Hinderungsgrund bei der Tagsatzung, die versäumt wird, für das Gericht nicht offenkundig ist, das beantragte Versäumungsurteil in jedem Fall erlassen werden muss. Die Schlussfolgerungen der Beklagten, dass bei Behauptung einer Erkrankung das beantragte Versäumungsurteil verweigert werden müsse, ist demnach unrichtig.
[10] 2.4 Im Anlassfall war die behauptete Erkrankung der Beklagten für das Erstgericht jedenfalls nicht offenkundig, weshalb es die Erlassung des Versäumungsurteils „vorbehalten“ hat, um das Vorliegen des behaupteten Hinderungsgrundes zu überprüfen. Selbst wenn man davon ausginge, dass in einem solchen Fall ein „vorbehaltenes Versäumungsurteil“ unzulässig wäre, ist die Beklagte durch die vom Erstgericht gewählte Vorgangsweise jedenfalls nicht beschwert, weil diese für sie günstiger war als die sofortige Erlassung des Versäumungsurteils (vgl RS0006111 [T2]). Dem von der Beklagten gerügten Umstand, dass das Versäumungsurteil „vorbehalten“ wurde, kommt damit keine Relevanz zu.
[11] 3. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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