OGH 2Ob147/20m

OGH2Ob147/20m25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Abwesenheitspflegschaftssache des B***** K*****, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin S***** J*****, vertreten durch Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 10. Juni 2020, GZ 2 R 88/20f‑50, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 8. April 2020, GZ 233 P 2/16k‑46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00147.20M.0225.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin bezahlte als Alleinerbin nach ihrem Vater aufgrund eines vom Erstgericht mit Beschluss vom 21. 8. 2017 pflegschaftsgerichtlich genehmigten außergerichtlichen Vergleichs mit dem bestellten Abwesenheitskurator einen Geldbetrag zur Abgeltung des Pflichtteils des abwesenden unehelichen Sohnes des Erblassers. Das daraus resultierende Sparguthaben wurde vom Erstgericht pflegschaftsgerichtlich gesperrt (§ 133 Abs 4 AußStrG). Dass der Abwesende niemals existent war, wurde bisher nicht nachgewiesen.

[2] Die Erbin beantragte am 5. 8. 2019 die Ausfolgung des Geldbetrags gemäß § 13 VerwEinzG unter Hinweis darauf, dass die Existenz und der Aufenthalt des Abwesenden bisher nicht habe ausgeforscht werden können und nicht davon auszugehen sei, dass er den Pflichtteilsanspruch geltend machen werde.

[3] Der Abwesenheitskurator erklärte, gegen die Ausfolgung des verwahrten Geldbetrags keinen Einwand zu erheben.

[4] Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil es sich beim betreffenden Guthaben nicht um nach dem VerwEinzG hinterlegte Beträge der Antragstellerin, sondern um dem Abwesenden zuzurechnendes Vermögen handle.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag mangels Parteistellung der Antragstellerin zurückgewiesen wurde. Im Übrigen teilte es die Rechtsansicht des Erstgerichts zur fehlenden inhaltlichen Berechtigung des Antrags.

[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob einem Dritten, der die Ausfolgung eines für den Abwesenden verwahrten Geldbetrags begehre, im Abwesenheitspflegschaftsverfahren Parteistellung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

[8] 1. Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind und auch angewendet wurden (2 Ob 31/13t; RS0107773 [T3]).

[9] 2. Im vorliegenden Fall hat weder eine Hinterlegung (§ 3 ff VerwEinzG) noch eine Einziehung (§ 7 ff VerwEinzG) stattgefunden. Auf das VerwEinzG als Rechtsgrundlage für ihren Ausfolgungsantrag kommt die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs aber ohnehin nicht mehr zurück.

[10] 3. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das Pflegschaftsverfahren nur dazu dient, die Interessen des Pflegebefohlenen, nicht aber diejenigen seiner Vertragspartner und sonstiger Dritter zu schützen (6 Ob 136/20y mwN). Diesen kommt daher auch bei der Abwesenheitskuratel nach § 277 Abs 1 Z 3 ABGB – von dem hier nicht relevanten Fall des § 277 Abs 3 ABGB abgesehen – keine Antragslegitimation zu; sie haben keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts (vgl 1 Ob 207/09m; vgl auch 2 Ob 166/12v [Sachwalterschaftsverfahren]; RS0108946; RS0006610). Selbst die Parteistellung im Verfahren über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ist deshalb auf den Pflegebefohlenen beschränkt (RS0006212 [T8, T9]; RS0006225 [T13, T15]; RS0123647 [T6]; RS0006210 [T8]; RS0006157 [T4]). Die rechtlich geschützte Stellung Dritter wird hingegen durch die gerichtliche Tätigkeit nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beeinflusst (1 Ob 207/09m; vgl 2 Ob 166/12v; RS0006610 [T14]). Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass dann, wenn für den unbekannten Eigentümer einer Sache ein Kurator bestellt wird, einem Dritten, der behauptet, er sei der Eigentümer, in dem Verfahren keine Parteistellung zukommt. Er muss sein Eigentumsrecht im Prozessweg geltend machen (3 Ob 406/61; RS0006174).

[11] Die Ansicht des Rekursgerichts, der Erbin komme ungeachtet des Umstands, dass der Abwesenheitskurator ausdrücklich keine Einwände gegen die Ausfolgung des Geldbetrags erhoben habe, kein Antragsrecht zu, findet Deckung in dieser Rechtsprechung.

[12] 4. Mangels zu beurteilender erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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