OGH 8Ob114/20b

OGH8Ob114/20b23.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Thomas Burkowski, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei P ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, wegen 6.810 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 6. Juli 2020, GZ 22 R 135/20i‑21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 15. April 2020, GZ 55 C 17/18p‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00114.20B.0223.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte war aufgrund der Überlegungen des Geschäftsführers der M***** GmbH (kurz M*****) gegründet worden, um – offenbar unter Umgehung der Bestimmungen des BTVG – für die Bebauung durch die M***** geeignete Grundstücke an- und weiterzuverkaufen. Zu diesem Zweck sollten Kunden gefunden werden, die sowohl ein Grundstück der Beklagten erwerben als auch Bauleistungen bei der M***** in Auftrag geben wollten. Die Beklagte bzw deren Geschäftsführerin selbst unternahmen keine Anstrengungen, um Grundstücke für ihre geschäftliche Tätigkeit zu erwerben. Vielmehr gestaltete sich die übliche Vorgangsweise so, dass der Geschäftsführer der M*****, aber auch andere „Verkäufer“ – wie etwa der Geschäftsführer der Klägerin –, die für die M***** tätig waren, für die Bebauung geeignete Grundstücke suchten und die Verhandlungen mit deren Eigentümern sowie der Gemeinde hinsichtlich der Aufschließung führten. Der Geschäftsführer der M***** gerierte sich dabei den „Verkäufern“ der M***** gegenüber als mit entsprechender Vollmacht der Beklagten ausgestatteter Vertreter. Er erteilte den „Verkäufern“ Anweisungen, genehmigte weitere Vorgehensweisen und entschied über den Ankauf von Grundstücken durch die Beklagte, der dann auch zu den ausverhandelten Bedingungen durchgeführt wurde, insbesondere bestimmte er sämtliche An- und Verkaufsmodalitäten für die Beklagte. Er teilte den „Verkäufern“ auch mit, dass er zwar nicht offiziell, wohl aber tatsächlich Eigentümer der Beklagten sei und diese berechtigterweise vertreten könne.

[2] Hinsichtlich der Verwertung von in L***** gelegenen Grundstücken der Beklagten erteilte der Geschäftsführer der M***** die Anweisung, nicht nur Kunden für die Bebauung durch M*****, sondern auch für den bloßen Grundstückserwerb zu suchen. Er gab einen Quadratmeterpreis von rund 130 EUR zuzüglich Aufschließungskosten je Grundstück von 18.000 EUR vor und sicherte den „Verkäufern“ ein allfälliges Überschreiten dieser Mindestvorgaben als Provision zu.

[3] Im September 2017 veräußerte die Beklagte ein in L***** gelegenes, 827 m² großes Grundstück zu einem Kaufpreis von 132.320 EUR an ein Ehepaar, mit dem der Geschäftsführer der Klägerin zuvor Verkaufsgespräche geführt hatte.

[4] Die Klägerin begehrte von der Beklagten für die Vermittlung dieses Kaufvertrags eine Provision von 6.810 EUR sA.

[5] Die Beklagte wandte ein, dass sie der Klägerin keinen Vermittlungsauftrag erteilt habe. Der Geschäftsführer der M***** sei auch nicht berechtigt gewesen, rechtsverbindliche Erklärungen für die Beklagte abzugeben.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging aufgrund der jahrelangen betrieblichen Übung und der tatsächlichen Umsetzung der vom Geschäftsführer der M***** gegenüber den „Verkäufern“ getätigten Vorgaben durch die Beklagte vom Vorliegen einer der Beklagten zurechenbaren Anscheinsvollmacht des Geschäftsführers der M***** für die strittige Provisionszusage aus.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Für die Beurteilung der Frage, mit wem der Vertrag zustande gekommen sei, sei entsprechend dem Grundsatz vom objektiven Empfängerhorizont maßgebend, wen der Kunde für seinen Vertragspartner halten musste. Wenn Mitarbeiter offenkundig im Namen eines bestimmten Unternehmens handelten, würden sie grundsätzlich den jeweiligen Unternehmensträger berechtigen und verpflichten. Da die Grundstücke jeweils von der Beklagten erworben worden seien und sich der Geschäftsführer der M***** den Vermittlern gegenüber als mit entsprechender Vollmacht der Beklagten ausgestatteter Vertreter geriert habe, sei davon auszugehen, dass er die gegenständliche Provisionszusage für die bloße Vermittlung von Grundstücksverkäufen im Namen (als Vertreter) der Beklagten gemacht habe. Auch beim Projekt K***** sei die Entgeltvereinbarung vom Geschäftsführer der M***** mit dem Geschäftsführer der Klägerin ohne Einbindung der organschaftlichen Vertreterin der Beklagten abgeschlossen worden. Die Beklagte habe diese Vereinbarung erfüllt. Zudem habe es die Geschäftsführerin der Beklagten über einen langen Zeitraum „geduldet“, dass der Geschäftsführer der M***** nach seinem Gutdünken Liegenschaften für die Beklagte erworben und zu einem von ihm bestimmten Kaufpreis weiterveräußert habe. Die Beklagte müsse sich daher das Verhalten des Geschäftsführers der M***** gegenüber der Klägerin kraft Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.

[8] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil die Zuordnung der festgestellten Provisionszusage des Geschäftsführers der M***** zum Unternehmensgegenstand der Beklagten unter Anwendung von Anscheinsvollmachtsregeln dem das Stellvertretungsrecht beherrschenden Offenlegungsgrundsatz widersprechen könnte.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Der Wille, im Namen eines anderen zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen erkennbar sein (RIS‑Justiz RS0088884). Ist der Wille, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar, kann die Wirkung der direkten Stellvertretung nicht eintreten (RS0019540 [T2]). Im Zweifel ist ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen (RS0019516 [T1]).

[11] Wenn ein ausdrückliches Handeln im fremden Namen nicht vorliegt, bedarf es in jedem Einzelfall der sorgfältigen Prüfung, wie der Dritte – von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen – das Auftreten des Handelnden verstehen musste (RS0019516). Die Beurteilung der Erkennbarkeit hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen (RS0019516 [T2]). Maßgeblich ist auch hier die Vertrauenstheorie (zuletzt etwa 9 Ob 36/20i). Danach kommt es darauf an, wie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks und der gegebenen Umstände die Erklärung verstehen durfte (RS0113932).

[12] Da diese Prüfung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt (RS0019516), liegt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Eine – vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende – krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zeigt die Revisionswerberin im Anlassfall nicht auf.

[13] 2. Die Ausführungen der Beklagten, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Offenlegungsgrundsatz auseinandergesetzt, es fehle an einem Handeln im Namen der Beklagten, blenden aus, dass nach den (teilweise dislozierten) Feststellungen die Klägerin schon im Jahr 2013 das – von beiden Vorinstanzen für die rechtliche Beurteilung hervorgehobene – Liegenschaftsprojekt K***** für die Beklagte realisierte, dessen Modalitäten und Honorierung der Geschäftsführer der Klägerin ebenfalls ausschließlich mit dem Geschäftsführer der M***** besprach. Die vom Geschäftsführer der M***** in diesem Zusammenhang gemachten Zusagen wurden von der Beklagten tatsächlich auch eingehalten, sodass der Geschäftsführer der M***** gegenüber der Klägerin sehr wohl bereits vor der strittigen Provisionsvereinbarung (mit Erfolg) als Vertreter der Beklagten auftrat.

[14] Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nahe, der Geschäftsführer der M***** habe (auch) das Entgelt für die Vermittlung der Grundstücke der Beklagten in L***** namens der Beklagten zugesagt: Diese Grundstücke sollten eben nicht durch die M***** bebaut werden, weswegen im Gegensatz zu den anderen Liegenschaftstransaktionen, für die (unstrittig) die M***** die Provisionen bezahlte, (ähnlich wie beim Projekt K*****) allein die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks vom Geschäft profitierte. Da sich das vermittelte Geschäft damit eindeutig nur auf das Unternehmen der Beklagten (und nicht auch auf das Unternehmen der M*****) bezog, hält sich die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, der Geschäftsführer der M***** habe mit der Provisionszusage erkennbar die Beklagte berechtigen und verpflichten wollen, im Rahmen der Rechtsprechung.

[15] Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Vorinstanzen übereinstimmend das Vorliegen eines Vertrauenstatbestands und die Gutgläubigkeit der Klägerin bejahten: Nach den Feststellungen kam eine Berechtigung des Geschäftsführers der M***** zum Abschluss von (Entgelt‑)Vereinbarungen für die Beklagte in deren Verhalten (bzw im Verhalten von deren Geschäftsführerin) nicht zuletzt rund um das Projekt K***** zum Ausdruck und ging der Geschäftsführer der Klägerin nicht nur von einer solchen Berechtigung aus, sondern hatte auch keinen Grund, daran zu zweifeln.

[16] 3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

[17] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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