European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00214.20D.0126.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist eine gemeinnützige Bauvereinigung im Sinn des WGG. Die Beklagte vertreibt ein Verrechnungsprogramm für Hauseigentümer und Hausverwaltungen als Standardsoftware, die an die speziellen Anforderungen des Verwenders angepasst werden kann.
[2] Am 18. 11. 2015 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Lieferung der Software samt Wartung, Support und Einschulung. Zur Gewährleistung und Haftung wurde in diesem Vertrag bestimmt:
„Die Auftragnehmerin leistet Gewähr, dass die Software den Vorgaben der Spezifikation nach Anlage ./7 entspricht. Jede Partei haftet der jeweils anderen Partei für Schäden, die vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden, unbeschränkt nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Die Parteien haften einander unbeschränkt für Personenschäden. Im Übrigen wird die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen, die Haftung für entgangenen Gewinn und Folgeschäden ausgeschlossen und die Haftung der Parteien insgesamt auf einen Betrag von a) 100 % der Kosten der Implementierungsphase für in der Implementierungsphase verursachte Schäden bzw b) 100 % der jährlichen Wartungsentgelte für nach der Annahme verursachte Schäden beschränkt.“
[3] Die WGG‑Novelle 2016, BGBl I 2015/157, die ab 1. 7. 2016 anzuwenden war, brachte eine Neuregelung bei der Berechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags (EVB). Der novellierte § 14d Abs 2 WGG lautet:
„Der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag darf je m² der Nutzfläche und Monat, sofern das Erstbezugsdatum fünf Jahre oder weniger zurückliegt, den Ausgangsbetrag von 0,50 EUR nicht übersteigen. Ab dem sechsten Jahr und für jedes weitere Jahr des Zurückliegens des Erstbezugsdatums erhöht sich dieser Betrag um 12 vH pro Jahr, jeweils gerechnet vom Ausgangsbetrag. Der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag darf jedoch je m² der Nutzfläche und Monat zwei Euro nicht übersteigen.“
[4] Vor der Programmierung des Software-Updates anlässlich dieser Novelle erkundigten sich die Mitarbeiter der Beklagten beim Revisionsverband der gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen sowie bei ihren eigenen Kunden danach, wie diese Bestimmung zu verstehen sei. Sie recherchierten dazu auch im Internet und befassten sich mit der Regierungsvorlage. Letztlich kamen sie zum Schluss, dass die erste Erhöhung des EVB erst nach Ablauf des sechsten und nicht schon nach Ablauf des fünften Jahres nach Erstbezug zulässig sei. Diese Lösung setzten sie im Rahmen des Software-Updates um. Dies wurde den Kunden im Rahmen von Schulungen, an denen auch Mitarbeiter der Klägerin teilnahmen, mitgeteilt. Die Auslieferung des Software-Updates an die Kunden erfolgte im April 2016.
[5] Im Frühherbst 2016 teilten Kunden der Beklagten mit, dass die Berechnung des EVB doch schon nach Ablauf des fünften Jahres zu erhöhen sei. Die Kunden der Beklagten hatten die Möglichkeit, die Berechnung des EVB im Verrechnungsprogramm auch selbst zu ändern.
[6] Die Klägerin begehrte 105.652,51 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Das von der Beklagten erstellte Software-Update sei fehlerhaft gewesen. Es liege keine Fehlinterpretation des Gesetzes, sondern ein grob fahrlässiger Programmierfehler vor. Sollte die Beklagte tatsächlich Zweifel an der Auslegung des Gesetzestextes gehabt haben, so hätte sie bei der Klägerin Rückfrage halten müssen.
[7] Die Beklagte entgegnete, dass kein Programmierfehler, sondern eine vertretbare Interpretation der Neuregelung des § 14d Abs 2 WGG vorgelegen gewesen sei.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin hätte ab Dezember 2016 die Möglichkeit gehabt, die Berechnung des EVB im Verrechnungsprogramm selbst zu korrigieren.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Richtig sei zwar, dass eine Erhöhung des EVB bereits mit Beginn des sechsten Jahres zulässig gewesen sei (so Rosifka, Neuregelung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags sowie Änderungen beim Wiedervermietungsentgelt, wobl 2016, 262). Für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch fehle es jedoch am Verschulden der Beklagten. Es liege kein Programmierfehler vor. Vielmehr sei der Schaden auf eine unrichtige Gesetzesauslegung zurückzuführen. In Bezug auf die Beurteilung von Rechtsfragen habe die Beklagte ihren Sorgfaltsanforderungen dadurch entsprochen, dass sie sowohl beim zuständigen Revisionsverband als auch bei ihren Kunden nachgefragt habe. Damit habe sie ihre fehlende Sachverständigeneigenschaft hinsichtlich der Beurteilung von Rechtsfragen sowie ihre Zweifel offengelegt. Zudem falle der Klägerin ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit zur Last, weil sie die Möglichkeit gehabt hätte, die Berechnung des EVB selbständig im Verrechnungsprogramm zu adaptieren. Aus diesem Grund trete auch ein allfälliges geringfügiges Verschulden der Beklagten an der unrichtigen Gesetzesauslegung vollkommen in den Hintergrund.
[10] Mit ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel und die relevierte Aktenwidrigkeit liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Die Richtigkeit des Inhalts des Softwarevertrags wurde von den Parteien nicht bestritten, weshalb die Wiedergabe dessen Inhalts durch das Berufungsgericht zulässig war (RIS‑Justiz RS0121557). Auf den in der außerordentlichen Revision angesprochenen Passus zu den Mitwirkungspflichten der Klägerin kommt es im Übrigen nicht an.
[12] Ausgehend von den Feststellungen ist die unrichtige Berechnung des höheren EVB erst nach Ablauf von sechs Jahren auf eine Fehlinterpretation von § 14d Abs 2 WGG idF der WGG‑Novelle 2016 und nicht, wie die Klägerin argumentiert, auf eine Fehlfunktion der Software zurückzuführen. Warum die Klägerin dennoch darauf beharrt, dass ein Softwarefehler vorliege, ist nicht nachvollziehbar.
[13] 2.1 Die Klägerin macht einen Schadenersatzanspruch geltend. Dabei geht sie offenbar selbst davon aus, dass die Haftung der Beklagten für leichte Fahrlässigkeit vertraglich ausgeschlossen wurde, zumal sie– unter Hinweis auf diese Vertragsbestimmung – darauf beharrt, dass der Beklagten grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei.
[14] 2.2 Gründet sich der Rechtswidrigkeitsvorwurf auf die Behauptung der unrichtigen Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, so ist – bei Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts und fehlender einschlägiger Spruchpraxis – ein Verschulden nur dann anzunehmen, wenn bei pflichtgemäßer Überlegung das erzielte Auslegungsergebnis nicht mehr als vertretbar bezeichnet werden kann (RS0026732). Eine unrichtige, aber vertretbare Auslegung führt nicht zur Schadenersatzpflicht, selbst wenn sie in weiterer Folge von den Gerichten oder – mangels einer Spruchpraxis – im Schrifttum nicht geteilt wird (RS0023526; RS0026727; 6 Ob 116/05k; 8 Ob 28/20f). Die Beurteilung hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb im Allgemeine keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RS0023526 [T16]).
[15] Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Wortlaut der komplexen Neuregelung in § 14d Abs 2 WGG keineswegs eindeutig sei und der Beklagten als Softwareunternehmen, das nicht auf die Beurteilung von Rechtsfragen spezialisiert sei, kein Verschulden angelastet werden könne, zumal sich die Klägerin beim zuständigen Revisionsverband erkundigt und ihre Zweifel auch gegenüber den Mitarbeitern der Klägerin offen gelegt habe, ist bei der maßgebenden ex-ante-Betrachtung keine grobe Fehlbeurteilung. Einschlägige Rechtsprechung oder Literaturmeinungen zu dieser Rechtsfrage lagen zum Zeitpunkt der Auslieferung des Software-Updates noch nicht vor. Die Gesetzesmaterialien (RV 895 BlgNR 25. GP 12) nehmen zu der in Rede stehenden Frage nicht Stellung. Die zitierte Literaturmeinung von Rosifka wurde erst im Juli 2016 veröffentlicht.
[16] 2.3 Soweit die Klägerin in der außerordentlichen Revision noch ausführt, dass sie schon ab dem 1. 7. 2016 den höheren EVB hätte vorschreiben wollen, ihr die unrichtige Umsetzung durch die Beklagte aber nicht bekannt gewesen sei, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab. Nach den Feststellungen hat die Beklagte die von ihr gewählte Berechnungsmethode anlässlich von Schulungen auch den Mitarbeitern der Klägerin erklärt. Damit räumt die Klägerin ein, dass sie von Anfang an von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, was sie (nach den Feststellungen) im Verrechnungsprogramm auch selbständig hätte korrigieren können (vgl dazu RS0111235). Davon ausgehend erweist sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein allfälliges geringfügiges Verschulden der Beklagten an der unrichtigen Gesetzesauslegung in den Hintergrund trete, als nicht korrekturbedürftig.
[17] 3. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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