OGH 3Ob119/20a

OGH3Ob119/20a20.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen (restlich) Zinsen über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2020, GZ 1 R 31/20s‑79, mit dem das Endurteil des Handelsgerichts Wien vom 11. Dezember 2019, GZ 24 Cg 96/14x‑75, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00119.20A.0120.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten (nach Jahren aufgeschlüsselte) Ansprüche auf Vergütung für die Lieferung von Ökostrom in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2013 geltend. Zum einen anerkenne die Beklagte nicht, dass die von einer Papierfabrik KG zugekaufte Rinde aus einem „mit der Forstindustrie verbundenen Industriezweig“ stamme und deshalb als „Biomasse“ einzustufen sei, weshalb die Klägerin (für alle vier Jahre zusammen) 138.486,51 EUR samt Zinsen nachforderte. Zum anderen habe sich die Beklagte vorerst geweigert, die Rinde aus den Sägewerken der Klägerin als Biomasse zu qualifizieren und den daraus produzierten Strom entsprechend zu entlohnen, wodurch sich für die Stromlieferungen in den Jahren 2010 bis 2013 ein Gesamtfehlbetrag von 1.671.614,91 EUR errechnet habe, den die Beklagte erst am 14. November 2014 bezahlt habe, weshalb die Beklagte der Klägerin noch die darauf entfallenden Zinsen schulde. Deshalb erhob die Beklagte auch ein Zinsenbegehren zu den auf die einzelnen Jahre entfallenden Fehlbeträgen.

[2] Die Beklagte bestritt ua den von der Klägerin behaupteten Zeitpunkt der Fälligkeit ihrer Ansprüche und wendete eine Gegenforderung compensando ein.

[3] Das Erstgericht wies vorerst das Begehren von 138.486,51 EUR samt Zinsen mit Teilurteil rechtskräftig ab. Mit seinem Endurteil stellte das Erstgericht fest, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, gab dem Zinsenbegehren im Umfang von 7,88 % Zinsen aus 1.671.675,59 EUR von 1. Jänner 2014 bis 19. Februar 2014 teilweise statt und wies das darüber hinausgehende Zinsenbegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht gab der nur von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Fälligkeit von Entgelten nach dem Ökostromgesetz fehle.

[5] Mit ihrer Revision strebt die Klägerin die Abänderung im Sinn des vollen Zuspruchs des Zinsenbegehrens an.

[6] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung primär die Zurückweisung der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

[8] 1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt. Gemäß § 54 Abs 2 JN bleiben bei der Berechnung des Werts des Streitgegenstands unter anderem Zinsen unberücksichtigt. Diese Bestimmung gilt sinngemäß auch für die Berechnung des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat (§ 500 Abs 3 ZPO).

[9] 2. Als Nebenforderungen werden Zinsen dann geltend gemacht, wenn sie mit einer Klage von Anfang an („gleichzeitig“) gemeinsam mit der ihnen zugrundeliegenden Hauptforderung – oder auch nur einem Teil davon (2 Ob 31/95) – begehrt werden (RIS‑Justiz RS0042813). Werden Zinsen als Anhang, also nicht selbständig, eingeklagt und wird erst im Zuge des Verfahrens die Klage auf Zinsen (und Kosten) eingeschränkt, so bedeutet dies nicht, dass die Zinsen und Kosten nunmehr selbständig eingeklagt wären. Es bleibt vielmehr bloß die Nebenforderung streitverfangen, sodass der Streitwert – infolge Wegfalls der Hauptsache – unter den im § 502 Abs 2 ZPO als Zulässigkeitsgrenze genannten Betrag von 5.000 EUR gesunken ist (1 Ob 342/98w = RS0046466 [T4]). Für die Qualifikation der Zinsen als Nebenforderung ist nicht relevant, ob der Kläger sie in den Kapitalbetrag integriert hat oder nicht (6 Ob 533/95 mwN; Gitschthaler in Fasching/Konecny ³ § 54 JN Rz 27 f). Nicht anders als die Klageeinschränkung ist die vorliegende Konstellation zu beurteilen, in der die Kapitalforderung bereits rechtskräftig abgewiesen wurde und nur mehr über das (restliche) Zinsenbegehren zu entscheiden war.

[10] Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das den Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens bildende Zinsenbegehren ebenso wie die mit Teilurteil des Erstgerichts rechtskräftig entschiedene Kapitalforderung auf die (Gesamt‑)Forderung der Klägerin aus den Abrechnungsjahren 2010 bis 2013 bezieht.

[11] Betrifft aber die Entscheidung des Berufungsgerichts nur das Begehren auf Zuspruch von Zinsen als Nebengebühren, übersteigt nach der dargestellten Rechtslage dessen Entscheidungsgegenstand den Betrag von 5.000 EUR nicht (3 Ob 566/92).

[12] 3. Das von der Klägerin erhobene, den alleinigen Gegenstand des Berufungsverfahrens bildende Zinsenbegehren ist nicht als selbständige Hauptforderung anzusehen.

[13] Hauptforderungen des gegenständlichen Prozesses waren Vergütungsansprüche der Klägerin für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013, die sie für jedes dieser Jahre mit einem Teilbetrag an Kapital (von zusammen 138.486,51 EUR) samt Anhang einklagte. Schon in der Klage war damit das Begehren auf Zinsen aus anderen, (nach dem Standpunkt der Klägerin) verspätet nachgezahlten Teilen der Hauptforderung verbunden, sodass die Klägerin die für die Nachzahlungen begehrten Zinsen gleichzeitig mit einem Teil der der Zinsenforderung zugrundeliegenden Hauptforderung und damit als Nebenforderung geltend machte.

[14] 4. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts übersteigt somit an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht, weshalb die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist.

[15] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die absolute Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sich ihre Revisionsbeantwortung als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erweisen (3 Ob 101/16y; RS0035962 [T22]).

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