European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00086.20T.1217.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin steht seit 2014 in einem aufrechten Vertragsbedienstetenverhältnis zur Beklagten. Ihr Dienstverhältnis unterliegt der Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995). Sie ist Bedienstete der Bedienstetengruppe der Überwachungsorgane für Kurzparkzonen und den ruhenden Verkehr des Schemas IV Verwendungsgruppe E und wird als Überwachungsorgan der Parkraumüberwachung bei der MA 67 eingesetzt.
[2] Im Zuge der Dienstrechts‑ und Besoldungsreform 2018 wurde das Wiener Bedienstetengesetz (W‑BedG; LGBl 2017/33) erlassen, das nach § 1 Abs 1 für alle ab 1. 1. 2018 neu in den Dienst der Gemeinde Wien eintretenden Bediensteten gilt. Für Vertragsbedienstete, die – wie die Klägerin – bereits vor 1. 1. 2018 ihre Beschäftigung bei der Gemeinde Wien aufgenommen haben, gilt weiterhin die Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995). Die Organe der Parkraumüberwachung, die nach dem 1. 1. 2018 aufgenommen wurden, erhalten nach § 78 Abs 1 iVm § 76 Abs 3 Z 7 W‑BedG eine monatliche Erschwernisabgeltung von 150 EUR. Die VBO 1995 sieht für die gleiche Tätigkeit keine Erschwernisabgeltung vor.
[3] Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Begehren der Klägerin, ihr ebenfalls eine monatliche Erschwernisabgeltung, eventualiter eine Abgeltung für Erschwernisse/Gefahren nach Punkt 23 bzw eine Erschwerniszulage analog Punkt 29 des Nebengebührenkatalogs des Magistrats der Stadt Wien zu bezahlen, abgewiesen.
[4] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Klägerin erhob eine außerordentliche Revision gegen die Berufungsentscheidung.
Rechtliche Beurteilung
[5] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision allerdings nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Dies ist hier nicht der Fall.
[6] 1. Die in der außerordentlichen Revision der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft, sie liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[7] 2. Nach ständiger Rechtsprechung können die Rechte und Pflichten von Vertragsbediensteten nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden (RS0050823 [T2]; 8 ObA 36/13x Pkt 3.). Insbesondere müssen auch Entgeltansprüche auf dem Gesetz beruhen (9 ObA 121/18m Pkt 3.). Dies ist beim Begehren der Klägerin nicht der Fall. Unstrittig gilt für die Klägerin die VBO 1995, die für die Tätigkeit der Klägerin keine Erschwernisabgeltung vorsieht. Der zwingende Charakter der Entgeltvorschriften der VBO 1995 verbietet eine nicht auf einen Sondervertrag (hier: § 54 VBO 1994) beruhende Erweiterung der Ansprüche der Klägerin durch eine sonstige vertragliche Vereinbarung (Zusage, Versprechen) oder eine betriebliche Übung. Das Vorliegen eines Sondervertrags wird von ihr jedoch nicht behauptet. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes findet in den Bestimmungen von Gesetzen, Verordnungen und dergleichen ihre Grenze (RS0016684).
[8] 3.1. Der Wiener Landesgesetzgeber hat für Bedienstete, die der VBO 1995 unterliegen, keine Möglichkeit geschaffen, in das neue Besoldungssystem des W‑BedG zu optieren. Diese Gesetzeslage bindet die Gerichte, auch wenn dies von der Klägerin als unbefriedigend empfunden wird (vgl RS0008880).
[9] 3.2. Eine Überprüfung von Bestimmungen des W‑BedG auf ihre Verfassungskonformität strebt die Klägerin ausdrücklich nicht an (Seite 10 der Berufung, ON 12), weil sie selbst erkennt, dass sie auf diesem Weg die begehrte Zulage nicht erhalten kann.
[10] 4. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin verstößt das W‑BedG auch nicht wegen mittelbarer Altersdiskriminierung gegen Art 2 RL 2000/78/EG . Nach der Rechtsprechung ist es durchaus zulässig, wenn mit jeweils auf den Eintrittstag bezogenen Änderungen von Dienstbestimmungen Gruppen von Arbeitnehmern geschaffen werden, die unterschiedlichen Regelungen unterliegen und deren Lage aus diesem Grund nicht unmittelbar vergleichbar ist (vgl zur Zulässigkeit stichtagsbezogener Verschlechterungen im Spannungsfeld der Diskriminierung wegen Alters EuGH 14. 2. 2019, Rs C‑154/18, Horgan, Keegen / Irland ). Der parallele Bestand unterschiedlicher vertraglicher Systeme bedeutet nicht, dass ältere Regelungen, die für andere Gruppen von vornherein nicht gelten, in Zukunft einzementiert bleiben müssen und keiner verschlechternden Veränderung mehr unterliegen können (8 ObA 55/19z). Dasselbe muss aber auch gelten, wenn stichtagsbezogen ein neues Besoldungssystem geschaffen wird, dass in einzelnen Punkten nicht nur Verschlechterungen, sondern auch Verbesserungen vorsieht.
[11] 5. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Schadenersatz stützt, weil die Beklagte ihr Versprechen, durch die Einführung des W‑BedG werde es bei ihren Bediensteten nur zu einer Neuverteilung der Lebensverdienstsumme, nicht aber zu wechselseitigen Gehaltseinbußen kommen, nicht eingehalten habe, weil der Entgeltanspruch der Klägerin niedriger sei, als der jener Vertragsbediensteten, die dem W‑BedG unterliegen, übergeht die Klägerin den bereits erwähnten zwingenden Charakter der Entgeltvorschriften der Vertragsbediensteten (siehe Pkt 2.). Im Übrigen ist nicht erkennbar, worin der Schaden der Klägerin liegen soll, denn durch die Einführung des W‑BedG hat sich ihre entgeltrechtliche Stellung nicht geändert.
[12] 6. Die übereinstimmende Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der Klägerin stünde für ihre Tätigkeit auch keine Erschwernisabgeltung nach dem allgemeinen Zulagensystem des Nebengebührenkatalogs zu, weil keine der begehrten Zulagen (Kennzahlen 801201 und 911301) für Mitarbeiter der Parkraumüberwachung vorgesehen ist, ist basierend auf dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Verordnung nicht zu beanstanden. Der äußerste mögliche Wortsinn einer Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung ist die Grenze jeglicher Auslegung (RS0031382).
[13] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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