OGH 9ObA58/20z

OGH9ObA58/20z25.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** H*****, vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 33.543 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2020, GZ 7 Ra 98/19m‑27, mit dem das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 30. Jänner 2019, GZ 27 Cga 67/18x‑18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00058.20Z.1125.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 33.543 EUR brutto samt 4 % Zinsen

aus 1.032 EUR seit 1. 12. 2016,

aus 1.032 EUR seit 1. 1. 2017,

aus 1.032 EUR seit 1. 2. 2017,

aus 2.064 EUR seit 1. 3. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 4. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 5. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 6. 2017,

aus 2.082 EUR seit 1. 7. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 8. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 9. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 10. 2017,

aus 2.082 EUR seit 1. 11. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 12. 2017,

aus 1.041 EUR seit 1. 1. 2018,

aus 1.041 EUR seit 1. 2. 2018,

aus 2.082 EUR seit 1. 3. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 4. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 5. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 6. 2018,

aus 2.134 EUR seit 1. 7. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 8. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 9. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 10. 2018,

aus 2.134 EUR seit 1. 11. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 12. 2018,

aus 1.067 EUR seit 1. 1. 2019

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger bei Berücksichtigung seiner akademischen Ausbildung und unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten zu Beginn seines Dienstantritts bei der beklagten Partei am 1. 12. 2016 in die Bezugsstufe 10, Verwendungsgruppe A, einzuordnen war.

3. Das Zinsenmehrbegehren auf Zahlung von weiteren 5,2 % Zinsen aus den unter Punkt 1. genannten Beträgen wird abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 12.298,61 EUR (darin 1.812,27 EUR USt und 1.425 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.170,44 EUR (darin 671,24 EUR USt und 1.143 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit  5.078,24 EUR (darin 369,54 EUR USt und 2.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. 12. 2016 im Sekretariat in der Banknoten- und Münzkassa beschäftigt. Ein Bachelorstudium der Betriebswirtschaften bzw ein Masterstudium Industrial Management wird für diese Tätigkeit nicht benötigt.

[2] In den Jahren 2009 und 2010 absolvierte der Kläger an der Hochschule ***** (Deutschland) das Bachelorstudium der Betriebswirtschaftslehre. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Kooperationsstudium, das heißt, ein Studium, das von einer ausländischen Hochschule mit Hilfe einer österreichischen nichthochschulischen Institution (hier: I***** GmbH) ganz oder teilweise in Österreich angeboten wird. Die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester. Der Kläger besuchte universitäre Lehrveranstaltungen nur von 28. 2. 2009 bis 24. 8. 2010, weil ihm von der deutschen Hochschule für das Bachelorstudium 75 ECTS-Punkte (ECTS‑European Credit Transfer and Accumulation System) aufgrund seines Schulbesuchs einer österreichischen Handelsakademie, die er im Jahr 1988 mit Matura abgeschlossen hatte, angerechnet wurden. Durch die erfolgreich abgelegten universitären Prüfungen inklusive der Bachelorarbeit erlangte der Kläger weitere 105 ECTS-Punkte, sodass auf das Bachelorstudium insgesamt 180 ECTS-Punkte entfielen. Durch das vom Kläger im Anschluss an das Bachelorstudium absolvierte Masterstudium „Industrial Management“ erlangte er weitere 120 ECTS-Punkte.

[3] Vor seinem Dienstbeginn bei der Beklagten war der Kläger zunächst von 1. 1. 2006 bis 31. 8. 2013 als Erfolgskundenbetreuer für Privatkunden und Vertriebs- und Servicemitarbeiter im Filialbereich der Bank ***** tätig. Von 1. 9. 2013 bis 30. 11. 2016 war er sodann bei der G***** GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten, beschäftigt. Dort hatte er nach seiner Ausbildung zum Geldbearbeiter und dem Einsatz in verschiedenen Bereichen im Jänner 2015 die Aufgaben Assistenz der Geschäftsführung, Personaladministration sowie Auswertung und Erstellung von Statistiken übernommen.

[4] Anlässlich seiner Einstellung rechnete die Beklagte dem Kläger zur Abgeltung seiner Vordienstzeiten und sonstigen anrechenbaren Zeiten gemäß § 33 Abs 5 der Dienstbestimmungen V der Beklagten (im Folgenden kurz: DB V) sieben Jahre für die Zeitvorrückung an. Mit 1. 1. 2019 wurde der Kläger von der Beklagten in die Verwendungsgruppe B2, Bezugsstufe 15 eingestuft. Beim Einstellungsgespräch waren die Vordienstzeiten des Klägers kein Thema.

[5] § 2 Abs 2 der DB V sieht als Voraussetzung für die Einreihung in die Verwendungsgruppe A den Abschluss eines für die Verwendung in der Bank einschlägigen, aufgrund des § 54 Universitätsgesetz (UG) bzw § 3 Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG) eingerichteten, mindestens sechssemestrigen ordentlichen Studiums an einer Universität bzw Fachhochschule mit einem Mindestumfang von 180 ECTS-Punkten vor. Studien, die dem oben genannten System (Bologna-Prozess) nicht unterliegen, müssen mit diesem Ausmaß vergleichbar sein (§ 2 Abs 2 der DB V). Für die Einstufung eines Dienstnehmers in die Verwendungsgruppe A ist für die Beklagte die entsprechende Ausbildung, nicht aber die vorgesehene und dann tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgeblich.

[6] Die Einstufung in die Bezugsschemata regelt § 33 DB V. Dessen Abs 7 sieht vor, dass Aufnahmewerber, die ein für die Verwendung in der Bank einschlägiges, aufgrund des Universitätsgesetzes bzw des Fachhochschul-Studiengesetzes eingerichtetes, mindestens sechssemestriges Studium (gemäß § 54 Universitätsgesetz bzw § 3 FHStG) mit einem Mindestumfang von 180 ECTS-Punkten an einer Universität bzw Fachhochschule absolviert haben, in die Stufe 1 der Verwendungsgruppe A eingestuft werden. Handelt es sich um ein mindestens achtsemestriges derartiges Studium (§ 54 Universitätsgesetz bzw § 3 FHStG) mit einem Mindestumfang von 240 ECTS-Punkten, erfolgt die Einstufung in Stufe 3 der Verwendungsgruppe A. Gleiches gilt für Dienstnehmer, die zwei mindestens sechssemestrige Studien (Bachelorabschlüsse) entsprechend den Dienstbestimmungen abgeschlossen haben, sofern jedes dieser Studien die Einreihung in die Stufe 1 der Verwendungsgruppe A gerechtfertigt hätte und keine weitgehende Identität der Studieninhalte (Richtwert: 50 %) vorliegt. Die Beklagte geht bei der Einstufung von Aufnahmewerbern davon aus, dass (auch) mit einem Bachelor- und einem Masterstudium zusammen die Voraussetzung eines Studiums mit mindestens 8 Semestern und einem Mindestumfang von 240 ECTS‑Punkten erreicht wird.

[7] § 33 Abs 5 DB V enthält ua Regelungen über die Anrechnung von einschlägigen Vordienstzeiten. Diese sind im vorhandenen Ausmaß bis zur Erreichung des ersten Bandbreitenendes beim Eintritt in die Bank anzurechnen (Satz 1). Die nachfolgenden Sätze dieser Bestimmung enthalten besondere Regelungen und Voraussetzungen für die sogenannte „Bandbreitenüberwindung“, die nur mit einem Direktoriumsbeschluss erfolgen kann. Da der Kläger zwei Mal eine sehr gute Beurteilung erhalten hatte, wurde ihm eine Bandbreitenänderung zuteil. Auch wenn der Kläger in die Verwendungsgruppe A eingestuft gewesen wäre, hätte er eine Bandbreitenüberwindung durch die zweimalige sehr gute Bewertung erlangt. Das Bandbreitenende bei der Verwendungsgruppe B2 der Bandbreite 1 liegt bei Stufe 9, bei der Bandbreite 2 bei Stufe 17. Das Bandbreitenende bei der Verwendungsgruppe A2 der Bandbreite 1 liegt bei Stufe 10, bei der Bandbreite 2 bei Stufe 18.

[8] Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten die (der Höhe nach unstrittige) Gehaltsdifferenz für die jeweils am Monatsersten fälligen Gehälter von 1. 12. 2016 bis 1. 1. 2019 in Höhe von 33.543 EUR samt Staffelzinsen in Höhe von 9,2 %. Diese Gehaltsdifferenz errechne sich aus der Entlohnung, die ihm bei Berücksichtigung seiner akademischen Ausbildung an der deutschen Hochschule ***** und unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten von sieben Jahren zu Beginn seines Dienstantritts bei der Beklagten in die Verwendungsgruppe A2, Bezugsstufe 10, zustünde, im Vergleich mit seiner tatsächlichen Entlohnung aufgrund der unrichtigen Einstufung in die Verwendungsgruppe B2, Bezugsstufe 9. Weiters begehrt der Kläger die Feststellung seiner angestrebten Einstufung bei Beginn des Dienstantritts am 1. 12. 2016. Die von ihm absolvierten Studien (Bachelorstudium, Masterstudium) an der deutschen Hochschule unterlägen dem Bologna-System und seien daher bei der Einstufung zu berücksichtigen. Abgesehen davon seien sie mit einem österreichischen Studium gemäß § 54 UG bzw § 3 FHStG vergleichbar. Eine inhaltliche Gleichwertigkeit, wie sie von der Beklagten gefordert werde, sei für die Anrechnung der Studien nach § 2 Abs 2 DB V nicht erforderlich.

[9] Die Beklagte bestritt die Klagebegehren (das Leistungsbegehren nur dem Grunde nach, das Zinsenbegehren nur soweit es den Zinssatz von 4 % übersteigt) und wandte ein, dass der Kläger entsprechend den anwendbaren Dienstbestimmungen und unter Berücksichtigung seiner akademischen Ausbildung sowie den (nicht-akademischen) Anforderungen seines konkreten Arbeitsplatzes richtig eingestuft worden sei. Das Studium des Klägers an einer deutschen Hochschule könnte nur dann der Einstufung zugrunde gelegt werden, wenn es einem Studium gemäß UG bzw FHStG gleichwertig sei. Dies sei aber nicht der Fall, weil dem Kläger für sein Bachelorstudium von der deutschen Hochschule 75 ECTS-Punkte aufgrund seines Schulbesuchs einer österreichischen Handelsakademie angerechnet worden seien. Zudem könnten dem Kläger allenfalls nur die drei Jahre seiner Tätigkeit bei der G***** GmbH angerechnet werden, weil nur Vordienstzeiten, die sowohl der Tätigkeit als auch dem Ausbildungsniveau der Verwendungsgruppe A entsprächen bzw nach Abschluss des Studiums lägen, als einschlägig im Sinne der DB V anzusehen seien.

[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 21.999 EUR brutto samt 4 % Zinsen und wies die Mehrbegehren von 11.544 EUR brutto sA und weiteren 5,2 % Zinsen aus 21.999,00 EUR brutto sowie das Feststellungsbegehren ab. Das Bachelorstudium des Klägers an der deutschen Hochschule sei zufolge Anrechnung von 75 ECTS-Punkten aufgrund der Schulzeit des Klägers an der Handelsakademie einem Studium, bei dem alle Prüfungen an der Universität bzw Fachhochschule absolviert worden seien, nicht gleichzusetzen. Da aber das Masterstudium des Klägers im Ausmaß von weiteren 120 ECTS-Punkten zur Gänze als einem österreichischem Masterstudium gleichwertig anzusehen sei, sei bei der Einstufung des Klägers jedenfalls von einem mindestens sechssemestrigen Studium mit mindestens 180 ECTS-Punkten auszugehen. Zusätzlich seien dem Kläger sieben einschlägige Vordienstjahre anzurechnen. Aus § 33 Abs 5 1. Satz DB V gehe nicht hervor, dass sich die Einschlägigkeit der Vordienstzeiten auf die höchste abgeschlossene Ausbildung beziehen müsse. Diese Vordienstzeiten könnten durch den Wechsel in die Verwendungsgruppe A bei gleichbleibender Tätigkeit nicht verloren gehen. Der Kläger habe daher bei Beginn des Dienstverhältnisses Anspruch auf eine Einstufung in die Verwendungsgruppe A, Stufe 8, gehabt, weil zur Stufe 1 die sieben bereits bei Dienstbeginn von der Beklagten im Dienstvertrag anerkannten Vordienstjahre hinzukämen. Daraus errechne sich das dem Kläger zugesprochene Differenzentgelt. Die Entscheidung über die Zinsen beruhe auf § 49a Satz 2 ASGG. Die erhöhten Zinsen gemäß § 49a Satz 1 ASGG gebührten dem Kläger nicht, weil die abweichende Rechtsansicht jedenfalls der Beklagten vertretbar gewesen sei. Das Feststellungsbegehren sei infolge der Einstufung des Klägers in die Verwendungsgruppe A, Stufe 8, abzuweisen.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil des Klagebegehrens nicht Folge, hingegen jener der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil Folge und wies in teilweiser Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung sowohl das Leistungsbegehren von 33.543 EUR samt 9,2 % Zinsen als auch das Feststellungsbegehren ab. Das Studium des Klägers an der deutschen Hochschule entspreche nicht den nach den DB V geforderten Kriterien für eine Einstufung in die Verwendungsgruppe A. Dieses Studium sei zwar grundsätzlich den entsprechenden österreichischen Fachhochschul-Bachelor- bzw Masterstudiengängen vergleichbar, aber nicht gleichwertig, weil dem Kläger für sein Bachelorstudium wesentliche Themenbereiche im Ausmaß von 75 ECTS-Punkten angerechnet worden seien, denen keine universitäre Ausbildung zugrunde gelegen sei. Da die Absolvierung eines (ordentlichen) Bachelor-Studiengangs eine zwingende Basis-Ausbildung für einen (ordentlichen) Master-Studiengang sei, erfülle der Kläger nicht die für die Einreihung in die Verwendungsgruppe A nach den DB V geforderte Voraussetzung eines mindestens sechssemestriges Studiums (gemäß § 54 UG bzw § 3 FHStG) mit einem Mindestumfang von 180 ECTS-Punkten an einer Universität bzw Fachhochschule. Eine bloße Addition von ECTS-Punkten und Studiensemestern verschiedener Ausbildungen des Klägers sei nicht zulässig.

[12] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Anrechnung von im Ausland erworbenen Ausbildungen nach der DB V der Beklagten vorliege.

[13] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Stattgabe des Leistungsbegehrens mit 33.543 EUR samt 9,2 % Zinsen und des Feststellungsbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist auch großteils berechtigt.

[16] 1.1.  Die gemäß § 38 Abs 2 Satz 1 Nationalbankgesetz 1984 (NBG) vom Generalrat erlassenen – hier anwendbaren – Dienstbestimmungen V bilden eine den Einzelverträgen zugrundezulegende Vertragsschablone (RS0071779). Sie sind weder ein Kollektivvertrag noch eine Betriebsvereinbarung (9 ObA 222/88; 9 ObA 192/94).

[17] 1.2.  Da diese „kollektiv“ festgesetzten Bestimmungen nicht das Ergebnis von Vertragsverhandlungen der Parteien darstellen, sind sie objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände gemäß § 914 ABGB auszulegen. Sie sind so zu verstehen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises erschließen (vgl RS0038622 [T13] zu ÖNORMEN; vgl auch 9 ObA 2180/96w zur VBO der Stadt Innsbruck; Rebhahn in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3 § 864a ABGB Rz 52). Davon, dass die DB V als Vertragsschablone Eingang in den Dienstvertrag des Klägers gefunden haben und nach den §§ 914 ABGB auszulegen sind, geht auch die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung aus.

[18] 2.1.  Maßgeblich für die vom Kläger gewünschte Einreihung in die Verwendungsgruppe A ist § 2 Abs 2 DB V. Die Bestimmung des § 33 Abs 7 DB V regelt die Einordnung in die konkrete Bezugsstufe innerhalb der Verwendungsgruppe A.

[19] 2.2.  § 2 Abs 2 DB V lautet auszugsweise wie folgt:

„Abschluss eines für die Verwendung in der Bank einschlägigen, aufgrund des § 54 Universitätsgesetzes bzw. § 3 Fachhochschul-Studiengesetzes eingerichteten, mindestens sechssemestrigen ordentlichen Studiums an einer Universität bzw. Fachhochschule mit einem Mindestumfang von 180 ECTS-Punkten (European Credit Transfer and Accumulation System). Studien, die dem oben genannten System (Bologna-Prozess) nicht unterliegen, müssen mit diesem Ausmaß vergleichbar sein.“

[20] 2.3.  § 54 UG regelt primär die Einrichtung ordentlicher österreichischer Studien – also Diplom-, Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien – während § 3 FHStG Ziele und leitende Grundsätze von österreichischen Fachhochschul-Studiengängen formuliert.

[21] 2.4.  § 2 Abs 2 DB V greift auf das European Credit Transfer und Accumulation System (ECTS) – das europäische Erfassungssystem für zu erbringende und erbrachte Leistungen von Studierenden – zurück. Das ECTS‑System stellt eines der zentralen Instrumente zur Erreichung der in der Bologna-Erklärung 1999 definierten Ziele, nämlich der Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse dar ( Budischowsky in Jaeger/Stöger , EUV/AEUV Art 166 AEUV Rz 20).

[22] 3.1.  Die Beklagte stellt grundsätzlich nicht in Frage, dass auch ein ausländisches, mindestens sechssemestriges ordentliches Studium an einer Universität bzw Fachhochschule, das für die Verwendung in der Bank einschlägig ist, die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Satz 1 DB V erfüllen kann, wenn mit diesem Studium mindestens 180 ECTS-Punkte erreicht wurden. Sie versieht diese Sichtweise allerdings mit der aus dem voliegenden Fall gewonnenen Einschränkung, dass keine Anrechnung von nicht hochschulischen Leistungen bzw Prüfungen, die hinsichtlich Inhalt und Umfang mit den zu erlassenden Lehrveranstaltungen nicht gleichwertig sind, erfolgen darf. Da jedoch § 2 Abs 2 Satz 1 DB V ausdrücklich auf das ECTS‑System als zentrales Element der Bologna-Erklärung 1999 abstellt, ist diese Bestimmung im unionsrechtlichen Kontext objektiv so auszulegen, dass die Einreihung eines Arbeitnehmers in die Verwendungsgruppe A dann zu erfolgen hat, wenn dieser ein mindestens sechssemestriges ordentliches – in- oder ausländisches – Studium mit einem Mindestumfang von 180 ECTS-Punkten (Bologna-Prozess), das für die Verwendung in der Bank einschlägig ist, absolviert hat. Die der Beklagten vorschwebende Einschränkung, wonach es ihr offensteht, trotz Absolvierung eines Studiums den Inhalt von Lehrveranstaltungen, Prüfungen und sonstigen Leistungen auf ihre Anrechenbarkeit in Bezug auf ECTS‑Punkte zu prüfen, kann den DB V nicht entnommen werden.

[23] 3.2.  Eine „Gleichwertigkeitsprüfung“ eines nach dem ECTS-System (Bologna-Prozesses) – wie hier vom Kläger – absolvierten Studiums gegenüber einem österreichischen Studium nach § 54 UG bzw § 3 FHStG sieht § 2 Abs 2 DB V nicht vor. Bei den vom Kläger absolvierten Studien handelt es sich um Studiengänge nach § 51 Abs 2 Z 1 UG, mit denen er zwei Abschlüsse mit einem Umfang von 180 bzw 120 ECTS-Punkten in zwei Studiengängen gemäß dem Bologna-Prozess erworben hat. Dagegen sprechen auch nicht die grundsätzlich zutreffenden Ausführungen der Beklagten, wonach durch den Bologna-Prozess kein verbindliches System zur Anerkennung der Gleichwertigkeit von Studienabschlüssen geschaffen worden sei, weil § 2 Abs 2 DB V nicht die Gleichwertigkeit eines nach dem ECTS‑System (Bologna-Prozess) absolvierten Studiums verlangt.

[24] 3.3.  Aus dem in der Revisionsbeantwortung angesprochenen Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS‑QSG) leitet die Beklagte ohnehin nichts Entscheidendes für ihren Standpunkt ab. Fest steht, dass die gegenständlichen Lehrgänge „Industrial Management“ (Master of Science) und – 2014 auslaufend – „Betriebswirtschaft“ (Bachelor of Arts) nach § 27 Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS‑QSG) in Österreich registriert wurden. Die deutsche Hochschule war damit berechtigt, diese Lehrgänge in Kooperation mit der österreichischen I***** GmbH in Österreich anzubieten und durchzuführen. Dass mit der Entscheidung über die Meldung der Studien keine Feststellung der (inhaltlichen) Gleichwertigkeit mit österreichischen Studien und entsprechenden österreichischen akademischen Graden verbunden ist und diese Studien und akademischen Grade als solche des Herkunfts- bzw Sitzstaates der Bildungseinrichtung gelten (§ 27 Abs 7 Satz 1 und 2 HS‑QSG), ist richtig, hier aber mangels Erforderlichkeit einer Gleichwertigkeitsprüfung nicht weiter von Bedeutung. Im Übrigen stellt § 27 Abs 2 HS‑QSG ohnehin klar, dass das Anbieten von Studien, welche mit österreichischen Studien nicht vergleichbar sind, von vornherein unzulässig wäre. Bildungseinrichtungen, die in ihrem jeweiligen Herkunfts- bzw Sitzstaat nicht als postsekundär im Sinne des § 51 Abs 2 Z 1 UG anerkannt sind, dürfen Studien in Österreich nicht anbieten.

[25] 3.4.  Soweit die Beklagte auf das von ihr eingeholte Gutachten der ENIC NARIC Austria, dem Nationalen Informationszentrum für akademische Anerkennung im Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, verweist, wonach keine uneingeschränkte Gleichwertigkeit der deutschen Studien des Klägers mit jenen nach dem UG bzw FHStG bestehe, ist daraus für die Auslegung des § 2 Abs 2 DB V nichts zu gewinnen. Diese Institution bewertet zwar auf Grundlage des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (sog „Lissabonner Anerkennungsübereinkommen“, BGBl III 71/1999) im Rahmen des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes (AuBG) auch ausländische Studien, die in Österreich oder von Österreich aus mit der erforderlichen Meldung gemäß § 27 HS‑QSG durchgeführt werden (§ 6 Abs 6 AuBG). Im Anlassfall ist aber nach § 2 DB V nicht entscheidend, ob der deutsche Hochschulabschluss des Klägers im Sinne der genannten Bestimmungen in Österreich (formal) „anzuerkennen“ ist.

[26] 3.5.  Auch das staatsvertragliche Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (BGBl III 2004/6), das die Bedingungen festlegt, unter denen Prüfungen an Hochschulen beider Vertragsstaaten gegenseitig „anerkannt“ werden, Studienabschlüsse ein Recht zum weiterführenden Studium geben und akademische Grade geführt werden können, kann – wie die Revisionsbeantwortung insofern zutreffend darstellt – zur gegenständlichen Auslegungsfrage nichts Entscheidendes beitragen.

[27] 5.  Der Kläger erfüllt demnach durch sein abgeschlossenes Bachelorstudium mit einem Mindestumfang von 180 ECTS‑Punkten an der deutschen Hochschule, das eine Regelstudienzeit von sechs Semestern aufweist und für die Verwendung in der Bank einschlägig ist, die Voraussetzungen nach § 2 Abs 2 DB V für die Einreihung in die Verwendungsgruppe A. Die Revisionsbeantwortung stellt nicht in Frage, dass § 2 Abs 2 DB‑V auf die Regelstudiendauer und nicht auf die tatsächliche Studiendauer abstellt.

[28] 6.  Somit bleibt noch zu prüfen, wieviele Vordienstjahre dem Kläger anzurechnen sind und in welche Bezugsstufe der Verwendungsgruppe A der Kläger bei Beginn seines Dienstverhältnisses einzuordnen war. § 33 DB V Abs 7 Satz 2 spricht hinsichtlich der Einstufung in Stufe 3 von einem mindestens achtsemestrigen Studium mit einem Mindestumfang von 240 ECTS-Punkten. Zwischen den Parteien ist hier nicht weiter strittig und wird dies von der Beklagten auch in der Praxis so gehandhabt, dass diese Voraussetzung auch durch den Abschluss eines Bachelorstudiums im Ausmaß von 180 ECTS-Punkten und einem Masterstudium im Ausmaß von 120 ECTS-Punkten erreicht werden kann.

[29] 7.1.  Nach § 33 Abs 5 Satz 1 DB V sind den Dienstnehmern ua einschlägige Vordienstzeiten im vorhandenen Ausmaß bis zur Erreichung des ersten Bandbreitenendes beim Eintritt in die Bank anzurechnen. Der Kläger hat einschlägige Vordienstzeiten durch seine Tätigkeiten bei der Bank ***** von 1. 1. 2006 bis 31. 8. 2013 und der G***** GmbH von 1. 9. 2013 bis 30. 11. 2016 erworben. Diese Vordiensttätigkeiten führten durch die vom Kläger damit erworbenen zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Vergleich mit einem Berufseinsteiger ohne diese Vordienstzeiten zweifellos zu einer besseren Verwendbarkeit des Klägers bei der Beklagten.

[30] 7.2.  Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren (die Revisionsbeantwortung enthält dazu keine Ausführungen) ist die Einschlägigkeit im Sinne des § 33 Abs 5 DB V nicht (einschränkend) dahin zu verstehen, dass die anrechenbaren Vordienstjahre sowohl hinsichtlich der Tätigkeit als auch hinsichtlich des Ausbildungsniveaus jener Verwendungsgruppe entsprechen müssen, in die der Dienstnehmer gemäß den DB V eingestuft wird. § 33 Abs 5 DB V stellt hinsichtlich der Frage der Einschlägigkeit keinen Zusammenhang mit der Ausbildung und einer daraus folgenden Einstufung her. Die in § 33 Abs 5 DB V auch enthaltene Regelung, dass bei einer im ersten Dienstjahr aufgrund des Abschlusses einer Ausbildung erfolgten Einreihung in eine höhere Verwendungsgruppe eine Neueinstufung des Dienstnehmers zu erfolgen hat, bedeutet nicht, dass damit eine neue und vor allem andere Beurteilung der Einschlägigkeit der Dienstzeiten erfolgen kann. Eine derartige Sichtweise würde bedeuten, dass die Beklagte von einer zu Beginn des Dienstverhältnisses erfolgten Vordienstzeitenanrechnung wieder abgehen könnte, wenn sich die Tätigkeit des jeweiligen Dienstnehmers ändert. Die Möglichkeit der Neueinstufung betrifft nur den Fall einer Neueinstufung aufgrund Einreihung in eine höhere Verwendungsgruppe zufolge des Abschlusses einer Ausbildung im ersten Dienstjahr. Für die weitere Behauptung der Beklagten, bei einer Einstufung des Klägers in die Verwendungsgruppe A könnten nur jene Vordienstzeiten berücksichtigt werden, die nach dem Abschluss des zu berücksichtigenden Studiums zurückgelegt worden seien, bieten die hier vereinbarten DB V ebenfalls keine Grundlage.

[31] 8.1.  Zusammengefasst war der Kläger bei Beginn des Dienstverhältnisses zur Beklagten am 1. 12. 2016 unter Berücksichtigung seiner akademischen Ausbildung und unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten in die Verwendungsgruppe A, Bezugsstufe 10, einzuordnen. Dem Kläger gebührt daher die – der Höhe nach unstrittige – Differenz zwischen dem bezogenen und dem ihm aufgrund dieser Einstufung tatsächlich zustehendem Entgelt. Auch dem Feststellungsbegehren betreffend die richtige Einstufung des Klägers war stattzugeben (vgl 9 ObA 92/17w Pkte 1. und 2.).

[32] 8.2.  Lediglich das Zinsenbegehren des Klägers, soweit dieses die gesetzlichen Zinsen von 4 % übersteigt und auch nur insoweit es von der Beklagten bestritten wurde, ist nicht berechtigt. Die – zutreffende – Anwendung des § 49a Satz 2 ASGG durch das Erstgericht hat der Kläger bereits im Berufungsverfahren nicht mehr substantiiert bekämpft.

[33] 9.  Aufgrund der Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war auch die Kostenentscheidung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren neu zu fassen. Diese Entscheidung sowie auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Für die gegenständliche Klage gebührt gemäß § 23 Abs 6 RATG nur der einfache Einheitssatz. Den nach der vorbereitenden Tagsatzung eingebrachten vorbereitenden Schriftsatz des Klägers vom 27. 11. 2018 hat das Erstgericht in der Verhandlung vom 14. 1. 2019 zurückgewiesen, soweit er über eine Urkundenvorlage und einem Beweisantrag hinausgeht. Für die vom Erstgericht in der Verhandlung vom 2. 10. 2018 zugelassene Urkundenvorlage und den zugelassenen Beweisantrag gebührt dem Kläger lediglich eine Entlohnung nach TP 2 RATG (vgl 7 Ob 139/15i Pkt 10; 3 Ob 118/18a Pkt 10). Der Schriftsatz des Klägers vom 11. 1. 2019, mit dem er Urkunden vorgelegt und sein Klagebegehren ausgedehnt hat, war – entsprechend den Einwendungen der Beklagten – nicht nach TP 2 RATG zu honorieren, weil der Kläger die Klagsausdehnung auch in der Verhandlung vom 14. 1. 2019 vornehmen hätte können, sondern nur als Urkundenvorlage nach TP 1 I. lit a RATG (vgl Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 3.66). Insgesamt waren dem Kläger daher an Kosten für das erstinstanzliche Verfahren 12.298,61 EUR zuzusprechen. Die Kosten für die Berufung des Klägers waren auf Basis des (richtigen) Berufungsinteresses von 21.544 EUR zu berechnen.

[34] Da sich die Revision des Klägers damit großteils als berechtigt erweist, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

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