European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130153
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.310,30 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 385,05 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte bei der Rechtsvorgängerin der H* Versicherung AG (in der Folge: H*) eine Unfallversicherung abgeschlossen. Nachdem er sich am 31. 10. 2006 eine Verletzung zugezogen hatte, machte er, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Hu*, mit Klage vom 20. 8. 2013 zu * Cg * des Handelsgerichts Wien (in der Folge: Vorverfahren) gegen die H* einen Anspruch aus dieser Unfallversicherung in Höhe von 327.027,75 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. 11. 2006 geltend. Ab 8. 4. 2015 wurde er in diesem Verfahren anwaltlich vom Beklagten vertreten. Der Klage wurde in zweiter Instanz mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 26. 11. 2015 im Umfang von 283.424,05 EUR samt 4 % Zinsen seit 26. 9. 2013 stattgegeben, das (insbesondere: Zinsen‑)Mehrbegehren wurde abgewiesen. Die Berufung des Klägers in der damaligen Berufungsschrift auf Art 14 AUVB 1988 zur Stützung des Zinsenbegehrens wurde vom Oberlandesgericht Wien als unzulässige Neuerung qualifiziert. Die vom Kläger erhobene außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 16. 3. 2016 zurück. Betreffend die Fälligkeit führte der Oberste Gerichtshof damals aus, es stelle keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliege. Die Beurteilung des Oberlandesgerichts Wien sei jedenfalls vertretbar, „umso mehr als der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren den Zinsenlauf völlig losgelöst von diesen in der nunmehr relevierten Klausel genannten Voraussetzungen festsetzte“. Die Entscheidung wurde dem Beklagten als damaligem anwaltlichen Vertreter des Klägers am 12. 4. 2016 zugestellt.
Mit am 5. 12. 2018 eingelangtem und beim Erstgericht zu 57 Nc 11/18z registriertem Antrag begehrte der Kläger – nach Verbesserung – die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts zur Einbringung einer Klage über 78.791 EUR sA gegen den Beklagten bzw Mag. Hu*, da ihm im Vorverfahren Zinsen nicht zugesprochen worden seien, weil diese nicht begründet begehrt worden seien. Der Verfahrenshilfeantrag wurde ohne Anfügung eines Vermögensbekenntnisses gestellt. Das Erstgericht trug dem Kläger mit Beschluss vom 6. 12. 2018 unter anderem auf, binnen zwei Wochen das beigefügte Vermögensbekenntnis vollständig ausgefüllt und eigenhändig unterschrieben dem Gericht zu retournieren. In dem am 28. 12. 2018 bei Gericht eingelangten Vermögensbekenntnis gab der Kläger als Vermögen lediglich ein Konto bei der PSK mit einem Stand von 146,48 EUR, Bargeld von 250 EUR und eine Rechtsschutzversicherung an. Das Erstgericht trug dem Kläger mit Beschluss vom 2. 1. 2019 unter anderem auf, binnen zwei Wochen Kontoauszüge der letzten zwei Monate, aus denen sämtliche Umsätze und der Kontostand zum 31. 12. 2018 hervorgehen, vorzulegen. Der Kläger bat mit Schreiben vom 20. 1. 2019 das Gericht „um Verständnis“, dass er „nicht alle [s]eine Kontoauszüge von November bis Dezember aus privaten Gründen vorlegen kann“. Das Erstgericht forderte den Kläger mit Punkt 1. des Beschlusses vom 25. 1. 2019 unter anderem auf, binnen zwei Wochen darzulegen, was mit der im Verfahren * Cg * zugesprochenen Versicherungsleistung von 283.424,05 EUR samt Zinsen von zumindest 25.000 EUR passiert sei, wofür der Kläger diesen Betrag verwendet habe bzw wieso davon laut seinen Angaben nichts mehr übrig sei. Mit Schreiben vom 3. 2. 2019 übermittelte der Kläger dem Erstgericht ein gekürzt ausgefertigtes Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. 9. 2017, womit er von der wider ihn erhobenen Anklage, „er habe am 27. 7. 2016 in Wien als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, indem er im gegen ihn geführten Exekutionsverfahren des Bezirksgerichts D* zuvor erhaltene Zahlungen im Gesamtwert von 444.668,05 EUR verschwieg, und dadurch die Befriedigung seiner Gläubigerin Dr. S* K* vereitelt, wobei durch die Tat ein im Zweifel 50.000 EUR nicht übersteigender Schaden herbeigeführt wurde“, freigesprochen wurde. Als Grund des Freispruchs war angeführt: „Kein Schuldbeweis. Der Angeklagte hatte die Beträge bereits im März 2014 bzw zum Jahresende 2016 erhalten und blieb die Staatsanwaltschaft Wien jeden Beweis schuldig, dass er am 27. 7. 2017 noch darüber verfügte oder entsprechend andere Vermögenswerte hatte.“ Der Kläger erklärte im Schreiben vom 3. 2. 2019 zu Punkt 1. des vorgenannten Beschlusses, auf dieses Urteil zu verweisen; dass dieses aufgrund einer Anzeige seiner ehemaligen Verfahrenshelferin zu seiner Anschwärzung angestrebt worden sei; und dass das Gericht auf die weiteren diesbezüglichen Erklärungen seinerseits verzichten möge, „da es in [s]eine intime Privatsphäre reicht“.
Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 12. 2. 2019 den Verfahrenshilfeantrag mit der wesentlichen Begründung ab, die mangelnde Auskunftserteilung müsse iSd § 381 ZPO – auf die Rechtsfolge dieser Bestimmung war der Kläger vom Erstgericht in den verschiedenen Verbesserungsaufträgen hingewiesen worden – dahin gewürdigt werden, dass davon ausgegangen werde, dass die vom Kläger Anfang 2016 erworbenen Geldmittel von rund 308.930 EUR entweder zumindest zum Teil noch bei ihm vorhanden oder zur Anschaffung von Luxusgegenständen verwendet worden seien.
Dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 18. 4. 2019 nicht Folge. Diese Entscheidung wurde dem Kläger durch Hinterlegung – mit Beginn der Abholfrist am 2. 5. 2019 – zugestellt.
Der Kläger begehrt nunmehr mit seiner am 23. 5. 2019 beim Erstgericht eingelangten Klage die Zahlung von 77.992,09 EUR sA wegen einer Pflichtverletzung des Beklagten im Vorverfahren, insbesondere weil dieser es unterlassen habe, sich rechtzeitig auf Art 14 AUVB 1988 zu berufen. Dies habe dazu geführt, dass dem Kläger im Vorverfahren nicht auch 4 % Zinsen ab 8. 11. 2006 zugesprochen worden seien. Ihm sei ein Zinsschaden im Klagsbetrag entstanden. Zur Frage der Verjährung beriefsich der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – darauf, dass diese durch seinen Verfahrenshilfeantrag und die nach dessen rechtskräftiger Abweisung unverzügliche Erhebung der Klage unterbrochen worden sei.
Der Beklagte bestritt und wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – die Verjährung der Klagsforderung ein. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorverfahren habe der Kläger bereits im April 2016 Kenntnis aller haftungsbegründenden Umstände und über die Person des – vermeintlichen – Schädigers, des Beklagten, gehabt, sodass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB bei Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Den von ihm festgestellten – und soweit für das Revisionsverfahren relevant zuvor wiedergegebenen und dabei um den unstrittigen Inhalt des in der Tagsatzung einverständlich verlesenen Verfahrenshilfeakts ergänzten (vgl RIS‑Justiz RS0121557 [T4]) – Sachverhalt würdigte es in rechtlicher Hinsicht dahin, dass dem Kläger spätestens seit Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am 12. 4. 2016 der Schaden (nicht zugesprochene Zinsen für den Zeitraum 8. 11. 2006 bis 25. 9. 2013) und der (vermeintliche) Schädiger (der Beklagte) bekannt gewesen seien. Weil damit bereits im April 2016 die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe, sei die am 23. 5. 2019 eingebrachte Klage verjährt. Der Verfahrenshilfeantrag des Klägers wäre bei Bewilligung der Verfahrenshilfe in der Lage gewesen, die Verjährung zu unterbrechen, allerdings sei dem Kläger die Verfahrenshilfe nicht bewilligt worden, sodass eine Unterbrechung wegen des Verfahrenshilfeantrags ausscheide.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision mangels gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob ein als verbesserungsfähiger Klagsschriftsatz anzusehender Verfahrenshilfeantrag die Verjährung auch dann unterbrechen könne, wenn er in der Folge als unberechtigt abgewiesen werde.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungs-, hilfsweise mit einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Kläger beruft sich zur Entgegnung des Vorwurfs, verspätet geklagt zu haben, darauf, dass er nach rechtskräftiger Ablehnung der Verfahrenshilfe unverzüglich durch einen (freigewählten) Anwalt die vorliegende Schadenersatzklage eingebracht habe.
Rechtliche Beurteilung
Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, unterbrechen die Verjährung nicht, daher auch grundsätzlich nicht ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (RS0034826). Einem auf Beistellung eines Rechtsanwalts zwecks Klagsführung gerichteten Verfahrenshilfeantrag kommt aber verjährungsunterbrechende Wirkung zu, wenn er den anspruchserzeugenden Sachverhalt sowie das Begehren der beabsichtigten Klage bereits deutlich erkennen lässt, die Verfahrenshilfe bewilligt wird und danach die Klage unverzüglich eingebracht wird (1 Ob 245/05v; 1 Ob 65/14m [Pkt 2.2] ua).
Ob auch in der hier vorliegenden Konstellation der Abweisung des Verfahrenshilfeantrags bei kurz danach erfolgter Einbringung der Klage durch den freigewählten Anwalt trotz zwischenzeitlichen Ablaufs der Verjährungsfrist die Klage rechtzeitig ist, weil immerhin der Sachverhalt und Begehren darstellende Verfahrenshilfeantrag vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kläger hat nämlich nicht nur das Verfahren gehörig fortzusetzen, er muss – möchte er sich auf eine verjährungsunterbrechende Wirkung seines Verfahrenshilfeantrags berufen – auch das Verfahrens-hilfeverfahren selbst gehörig führen. Voraussetzung eines erfolgreichen Verfahrenshilfeantrags ist grundsätzlich– wovon § 66 Abs 1 Satz 2 ZPO über die Pflicht, zur Vorlage eines Vermögensbekenntnisses und Beibringung von Belegen auch ausgeht – die Bereitschaft des Klägers zur Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny,Zivilprozessgesetze3 II/1 § 63 ZPO Rz 3, § 66ZPO Rz 2, 4 ff; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 66 Rz 1 ff), lassen sich doch nur so die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 63 ZPO überprüfen. Liegt – so wie hier – diese Bereitschaft nicht vor, ist dem Kläger eine Berufung darauf, dass bereits sein erfolgloser Verfahrenshilfeantrag die Verjährung unterbrochen habe, jedenfalls versagt.
2. Der Kläger beruft sich zur Entgegnung des Vorwurfs, verspätet geklagt zu haben, zum anderen darauf, dass bereits sein Verfahrenshilfeantrag als Klagsschrift zu werten gewesen wäre und dieser damit als Klage die Verjährung unterbrochen habe. Dafür reicht entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht, dass der Antrag den Klagssachverhalt und das Klagebegehren erkennen lässt. Dies sind nämlich Mindesterfordernisse eines jeden Verfahrenshilfeantrags, da sich ansonsten nicht die Ausschlussgründe der Mutwilligkeit und Aussichtslosigkeit iSd § 63 ZPO überprüfen ließen. Um bereits als Klagsschrift zu gelten muss dem Verfahrenshilfeantrag auch ein auf Einleitung eines Zivilprozesses und Sachentscheidung über einen Urteilsantrag gerichtetes Rechtsschutzziel zu entnehmen sein (2 Ob 533/90; 4 Ob 141/93; 6 Ob 279/08k [Pkt 2.3]; RS0034875).
Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger mit bei Gericht am 5. 12. 2018 eingelangtem Schreiben die Gewährung von Verfahrenshilfe, „um die Klage formgerecht einbringen zu können“. Er ergänzte diesen Antrag in der Folge dahingehend, dass er den genaueren anspruchsbegründenden Sachverhalt und die Höhe seiner Forderung gegenüber dem Beklagten bezifferte (ON 3 und 6 des VH‑Akts). Auch in der verbesserten (ergänzten) Gestalt ließ sich aber der Eingabe nicht entnehmen, dass sie bereits selbst die Klage sein sollte.
Weil sich der Kläger demnach nicht auf eine die Verjährung unterbrechende Wirkung seines Verfahrenshilfeantrags berufen kann, wurde die von ihm erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB bei Gericht eingebrachte Klage von den Vorinstanzen zutreffend wegen Verjährung des mit der Klage geltend gemachten Schadenersatzanspruchs abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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