European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130NS00087.20B.1118.000
Spruch:
Das Verfahren gegen Alfredo M***** ist vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.
Gründe:
Mit am 19. März 2020 beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 115 Hv 39/20b eingebrachtem Strafantrag legte die Staatsanwaltschaft Wien Salah Z***** ein als Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB beurteiltes Verhalten zur Last.
Mit Verfügung vom 20. März 2020 ersuchte die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien um Aktenübersendung hinsichtlich des beim Bezirksgericht Innsbruck gegen Salah Z***** geführten Verfahrens AZ 29 U 171/19k zur Einbeziehung in das Verfahren AZ 115 Hv 39/20b des Landesgerichts für Strafsachen Wien.
Mit am 16. April 2020 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachtem Strafantrag legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck Salah Z***** und Alfredo M***** jeweils dem Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB subsumiertes Verhalten zur Last (ON 7 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck).
Die Einzelrichterin des Landesgerichts Innsbruck übermittelte nach dokumentierter Prüfung des Strafantrags am 21. April 2020 mit Verfügung vom selben Tag den Akt dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 115 Hv 39/20b zur Verfahrensverbindung (ON 8 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck).
Nach Verbindung der beiden Verfahren am 28. April 2020 (ON 10 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck) schied der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien in der Hauptverhandlung vom 29. Mai 2020 das Verfahren gegen Alfredo M***** „zur Vermeidung von Verzögerungen in der Haftsache gegen Z*****“ aus (ON 9 S 4 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck).
Am 19. August 2020 überwies der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien das ausgeschiedene Verfahren gegen Alfredo M***** an das Landesgericht Innsbruck „zuständigkeitshalber gemäß §§ 36 Abs 3, 38 StPO (Tatort: I*****) unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil“ gegen Z***** (ON 9 S 1 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck).
Das Landesgericht Innsbruck bezweifelte seine Zuständigkeit und legte die Akten dem Obersten Gerichtshof nach § 38 letzter Satz StPO vor (ON 11 in AZ 25 Hv 34/20a des Landesgerichts Innsbruck).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO sind die Verfahren zu verbinden, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein weiteres Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist. Die Verbindung zweier (im Sinn dieser Bestimmung konnexer) Verfahren setzt die Rechtswirksamkeit (§ 4 Abs 2 StPO) beider Anklagen (RIS‑Justiz RS0123444 und RS0123445 [T7]) und die (gleichzeitige) Anhängigkeit beider Hauptverfahren (11 Ns 3/19h mN) voraus. Im – hier vorliegenden – Fall des § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO kommt das Verfahren gemäß § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO jenem Gericht zu, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam wurde.
Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts tritt die Rechtswirksamkeit der Anklage mit dem positiven Ausgang einer amtswegigen Vorprüfung des Strafantrags durch das Gericht ein. Sie zeigt sich in einem (Real-)Akt, der als Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Sinn eines – das Hauptverfahren einleitenden (§ 4 Abs 2 StPO) – contrarius actus zur Ablehnung der Entscheidung über den Strafantrag (§ 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO) zu begreifen ist (11 Ns 42/20w; RIS‑Justiz RS0132157; Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 7/1 f mwN).
Die Verbindung von Verfahren gemäß § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO ist zwingend, dem Gericht kommt insoweit kein Ermessensspielraum zu (RIS-Justiz RS0128876; Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 10).
Vorliegend wurde der beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 115 Hv 39/20b gegen Z***** eingebrachte Strafantrag zuerst rechtswirksam, indem dieses Gericht mit Verfügung vom 20. März 2020 um Übermittlung von Akten des Bezirksgerichts Innsbruck zur Einbeziehung ersuchte. Damit ließ es die Bejahung der eigenen Zuständigkeit unmissverständlich erkennen und ordnete solcherart die Hauptverhandlung an (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO). Zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit des Strafantrags im Verfahren des Landesgerichts Innsbruck AZ 25 Hv 34/20a am 21. April 2020 (durch aktenmäßig dokumentierte Verneinung von Gründen nach § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO) war das Verfahren AZ 115 Hv 39/20b des – demnach zuständigkeitsbegründend zuvorgekommenen – Landesgerichts für Strafsachen Wien noch anhängig.
Daraus folgt, dass die beiden Verfahren aufgrund subjektiver Konnexität zu verbinden waren und das Landesgericht für Strafsachen Wien kraft Zuvorkommens gemäß § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO zur Führung des verbundenen Verfahrens zuständig war.
Die nachfolgende (Wieder-)Ausscheidung eines der verbundenen Verfahren aus Gründen der Prozessökonomie (vgl § 36 Abs 4 erster Halbsatz StPO) ist zulässig. Jedoch bleibt durch eine solche Vorgangsweise die durch Konnexität nach § 37 Abs 3 StPO begründete Zuständigkeit unverändert (in § 36 Abs 4 zweiter Halbsatz StPO normierte Ausnahmen liegen fallbezogen nicht vor), selbst wenn sich für das ausgeschiedene Verfahren bei isolierter Betrachtung ein anderer örtlicher Anknüpfungspunkt ergäbe (vgl RIS-Justiz RS0128876; Oshidari , WK-StPO § 36 Rz 9 mwN).
Daher ist – wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt – das (verbleibende) Verfahren gegen Alfredo M***** vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.
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