OGH 6Ob171/20w

OGH6Ob171/20w22.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** J*****, vertreten durch Dr. Reinhard Blaschon, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J***** K*****, vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen 35.000 EUR sA (Revisionsinteresse 9.040 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. April 2020, GZ 14 R 11/20w‑27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 22. November 2019, GZ 2 Cg 55/18s‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00171.20W.1022.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens obliegt dem Erstgericht.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil die Fallkonstellation, dass die von Lebensgefährten ursprünglich zum gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften angemietete Liegenschaft nach Beendigung der Lebensgemeinschaft allein von einem Partner der vormaligen Lebensgemeinschaft zu eigenen Wohn- und betrieblichen Zwecken genutzt werde, durchaus typisch sei. Der Beurteilung einer Regressforderung des auf der Liegenschaft Verbliebenen gegen den Ausgezogenen nach § 896 ABGB wegen der gänzlichen Bezahlung des Mietzinses durch den Verbliebenen komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Die Gewichtung der Zurechnungsgründe bei Festsetzung der Regressquoten beim Ausgleich unter Solidarschuldnern nach § 896 ABGB hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 61/17k; 2 Ob 121/19m = RS0017501 [T18]; RS0026824). Sie wirft daher außer bei einer auffallenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Dies gilt auch für Umstände bei der Beendigung einer Lebensgemeinschaft, weil auch in diesem Fall je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls keine generellen Aussagen möglich sind.

Eine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt, wie noch auszuführen sein wird, nicht vor.

2. Auch die Revisionswerberin hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

2.1. Der Kläger hat in erster Instanz vorgebracht, er habe die Liegenschaft Ende 2017 verlassen und danach keine Möglichkeit gehabt, diese zu nutzen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Lebensgemeinschaft damals beendet. Die Vorinstanzen gingen erkennbar davon aus, dass die Streitteile darüber einig waren, dass die Beklagte die Liegenschaft künftig allein nutzen sollte.

Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen als „besonderes Verhältnis“ iSd § 896 ABGB einen Nutzen des Klägers aus seiner Stellung als Mitmieter der Liegenschaft und somit einen Regressanspruch der Beklagten gegen den Kläger nach dieser Gesetzesstelle für den von ihr nach seinem Auszug allein gezahlten Mietzins verneint hat, ist dies keineswegs korrekturbedürftig (vgl 1 Ob 514/93).

2.2. Dass die Beklagte durch die Zinszahlung den Kläger von seiner Schuld gegenüber dem Vermieter befreit hat, bildet keinen Nutzen des Klägers, der ihn nach § 896 ABGB regresspflichtig machte. Denn die Befreiung des einen Solidarschuldners von einer Solidarschuld durch einen anderen Solidarschuldner ist jedenfalls notwendige Tatbestandsvoraussetzung eines Regressanspruchs nach § 896 ABGB. Begründete allein die Schuldbefreiung jedenfalls einen Anspruch nach § 896 ABGB, käme es auf die allfällige Beurteilung eines „besonderen Verhältnisses“ nach § 896 ABGB zwischen den Solidarschuldnern niemals an. Diese Auslegung widerspräche somit dem Gesetz.

2.3. Das Erstgericht hat den „trennungsbedingten Auszug [des Klägers] Ende des Jahres 2017“ festgestellt. Der Beklagten steht daher auch für Jänner 2018 kein Anspruch gegen den Kläger zu.

3. Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.

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