OGH 1Ob140/20z

OGH1Ob140/20z23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers DI J* R*, vertreten durch Prof. Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Dr. S* R*, vertreten durch Mag. Paulus Heinzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 2020, GZ 44 R 567/19m‑305, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 14. Oktober 2019, GZ 7 Fam 10/11w‑285, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129628

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Im Außerstreitverfahren können bei Rekursen nicht anwaltlich vertretener Parteien nicht dieselben Form- und Inhaltserfordernisse verlangt werden wie bei anwaltlich vertretenen Personen. § 47 Abs 2 AußStrG verweist hinsichtlich Form und Inhalt des Rekurses auf die allgemeinen Erfordernisse eines Anbringens. Als weitere rechtsmittelspezifische Anforderungen verlangt das Gesetz lediglich eine Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses und die „hinreichende“ Angabe, aus welchen Gründen sich die Partei als beschwert erachtet und welche andere Entscheidung sie anstrebt (§ 47 Abs 3 AußStrG). Die Anforderungen an Rekurserklärung, Rekursgründe und Rekursantrag sind damit deutlich reduziert. Dadurch trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass im Rekursverfahren keine Anwaltspflicht besteht. Das Gesetz schreibt damit im Wesentlichen die Rechtsprechung zur früheren Rechtslage fort (6 Ob 193/19d mwN; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 47 Rz 9; vgl RS0006674; RS0006991).

Das Rekursgericht hat sich mit den Rekursargumenten der unvertretenen Frau eingehend auseinandergesetzt und sich insbesondere mit ihrer Beweisrüge befasst. Die unkonkreten Behauptungen im Revisionsrekurs, ihr Rekurs habe „erhebliche rechtliche Mängel“ aufgewiesen, die zu verbessern gewesen wären, und die „oftmalige pauschale Ablehnung der Behandlung des Vorbringens im Rekurs“ sei mit einer „Scheinbegründung“ des Rekursgerichts erfolgt, zeigen keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens auf. Offen bleibt, welche „rechtlichen Mängel“ ihr Rekurs aufgewiesen haben soll und welches ihrer Rekursargumente (zu Unrecht mangels gesetzmäßiger Ausführung) nicht behandelt worden sein soll. Soweit die Revisionsrekurswerberin moniert, es sei ihr keine Möglichkeit gegeben worden, ihre Überlegungen „zur Billigkeit“ gesetzeskonform darzulegen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie von weiteren rechtlichen Argumenten im Revisionsrekurs grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist.

2. Die Frau begehrte im erstinstanzlichen Verfahren unter anderem eine 15%ige Provision von allen Nettoeinkünften des Mannes für den Zeitraum von zwei Jahren nach der Scheidung, die er mit Architektenleistungen für Privathäuser erzielt habe, weil er das eheliche Haus auch nach der Scheidung noch als Werbeobjekt verwendet habe und deshalb Kunden und Einkommen lukrieren habe können. Das Erstgericht verneinte einen solchen Anspruch der Frau.

In ihrem Rekurs schnitt sie dieses Thema nicht an. Sie behauptete auch nicht eine Verletzung der erstrichterlichen Anleitungspflicht. Eine im Rekursverfahren nicht vorgebrachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann aber im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (RS0030748 [T3, T8]; RS0043111 [T18, T26]). Die nunmehr relevierte Verletzung der erstinstanzlichen Manuduktionspflicht kann daher nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Selbst wenn ihr Antrag – wie sie nunmehr meint – auf einen „Ausgleich von unentgeltlichen Leistungen“ für das Unternehmen des Mannes „im Vertrauen auf das Fortbestehen der Ehe“ gerichtet gewesen sein sollte, vermag sie im Revisionsrekurs die Relevanz nicht näher konkretisierter beruflicher Unterstützungsleistungen für die Entscheidung über die nacheheliche Vermögensaufteilung nicht aufzuzeigen.

3. Bei der Aufteilung ist in erster Linie auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft (der Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und Ansammlung der ehelichen Ersparnisse) Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG; vgl RS0057923). Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 entspricht bei gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, wenn nicht gewichtige Umstände im Einzelfall die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]).

Die Vorinstanzen gingen von einer Gleichwertigkeit der Beiträge beider früherer Ehepartner aus und nahmen eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 vor. Sie berücksichtigten auch den Umstand, dass die Frau die Hauptlast der finanziellen Aufwendungen für die Familie im Alltag trug, indem sie die an den Mann zu leistende Ausgleichszahlung um einen aus der Differenz zwischen ihren Ausgaben und Einnahmen resultierenden Fehlbetrag verminderten. Der Mann reduzierte seinen vereinbarten und bis dahin gleichteilig geleisteten Beitrag zur Kinderbetreuung ab 2006/2007 und auch „in den letzten Jahren der Ehe“ seine Beiträge für die Haushaltsführung. Jedoch hatte er 2001 im Zuge der ersten Schwangerschaft der Frau eine Reduktion seiner Arbeitszeit vorgenommen und Anfang 2003 sein Dienstverhältnis gekündigt, weil sich dieses mit der Familie nur schwer vereinbaren ließ. Er ist Architekt und trug bei der Errichtung des Hauses durch seine Planung und Bauführung, seinen Einsatz sowie seine Fachkenntnisse maßgeblich zum Gelingen dieses (sehr werthaltigen) Bauprojekts bei. Dagegen trug der von der Frau entwickelte Finanzierungsplan, der sich maßgeblich auf die Erwartung einer anhaltend guten wirtschaftlichen Konjunktur stützte, die sich nicht erfüllte, nicht zur Wertschöpfung bei. Die Frau unterstützte wiederum den Mann beim Aufbau seiner Karriere und bei der Betreuung von (potentiellen) Kunden, die das eheliche Haus besichtigten. An der Rückzahlung der Verbindlichkeiten für diese Liegenschaft beteiligten sich beide Ehegatten. Wenn die Vorinstanzen kein Überwiegen der Beiträge der Frau an der Schaffung des aufzuteilenden Vermögens erkannten und die Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 vornahmen, ist diese Beurteilung nicht korrekturbedürftig.

Ein Überwiegen ihrer Beiträge vermag die Frau im Revisionsrekurs nicht plausibel darzulegen. Dass ihr eigener beruflicher Erfolg infolge ihres „Opfers für das berufliche Fortkommen“ des Mannes gelitten hätte, steht nicht fest; insgesamt bleibt auch unklar, welche für die Aufteilung relevanten tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen sie davon ableiten möchte. Sie übergeht auch die umfangreiche Mitarbeit des Mannes beim Hausbau, die wesentlich zur Wertschöpfung des Kerns des aufzuteilenden Vermögens beitrug.

4. Der Ausgleichszahlungspflichtige hat insbesondere bei langer Verfahrensdauer oder überhaupt dann, wenn er nach den Umständen des Falls mit der Festsetzung einer Ausgleichszahlung rechnen muss, im Laufe des Verfahrens in zumutbarer Weise Vorsorge zu treffen, um seiner späteren Zahlungsverpflichtung fristgerecht nachkommen zu können (RS0057642; RS0057702 [T1]). Dieser Rechtsprechung folgend erachtete das Rekursgericht die Leistung einer Ausgleichszahlung der Frau frühestens binnen sechs Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung im Aufteilungsverfahren nach einem neun Jahre dauernden Verfahren und nach der noch vom Mann zu erwirkenden Löschung der Höchstbetragshypothek auf seinem zu übertragenden Miteigentumsanteil für angemessen und zumutbar. Es verwies auch darauf, dass ihr in Zeiten niedrigen Zinsniveaus eine (weitere) Kreditaufnahme zugemutet werden könne. Mit ihrer nicht näher ausgeführten Behauptung, das Wohl der Kinder (zwei Söhne sind schon volljährig, der dritte Sohn 16 Jahre alt) sei durch ihre Zahlungsverpflichtung gefährdet, übergeht sie, dass der Mann für die Kinder unterhaltspflichtig ist. Sie legt auch in keiner Weise dar, warum ihr nach dieser langen Verfahrensdauer, obwohl ihr aufgrund des anlässlich der Scheidung geschlossenen Vergleichs bekannt war, dass sie eine angemessene Ausgleichszahlung an den Mann für die Übertragung seines Hälfteanteils an der Liegenschaft leisten wird müssen, die auferlegte Ausgleichszahlung nicht zugemutet werden kann; im Rekurs hatte sie noch ausgeführt, sie könne die Zahlung mit Hilfe ihrer Verwandten leisten.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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