OGH 1Ob150/20w

OGH1Ob150/20w23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M*, vertreten durch Dr. Maria Christina Kolar‑Syrmas und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen den Antragsgegner DI D*, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. Juni 2020, GZ 2 R 101/20t‑116, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 13. April 2020, GZ 225 Fam 13/19x‑105, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129796

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2.1. Eine (auch im Einzelfall aufzugreifende) unrichtige rechtliche Beurteilung soll darin liegen, dass das Rekursgericht „'1:1' die Feststellung[en] des Erstgerichts übernommen und sich kein eigenes Bild vom Sachverhalt gemacht“ habe. Damit verkennt der Revisionsrekurswerber das Wesen dieses Rechtsmittelgrundes. Verneint ein Gericht zweiter Instanz – wie hier – angebliche Verfahrensmängel und hält es die Beweisrügen nicht für stichhältig, hat es bei der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts (immer) von dessen Feststellungen auszugehen.

Vielmehr führt der Antragsgegner, indem er sich über weite Strecken im Rechtsmittel in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt entfernt, den Revisionsrekurs zum Revisionsrekursgrund einer angeblich vorliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig aus (vgl RIS‑Justiz RS0043603 [T2, T8]), sodass auf seine daran geknüpften Erwägungen nicht einzugehen ist.

2.2. So steht beispielsweise nicht fest, dass er „der Familie“ – worauf er seine Forderung nach einem („richtigen“) Aufteilungsschlüssel von 3 : 1 zu seinen Gunsten stützt – „unter enormem beruflichen Einsatz“ einen „entsprechenden Lebensstandard ermöglicht“ hätte.

Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 – wie sie die Vorinstanzen vorgenommen haben – entspricht bei gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, wenn nicht gewichtige Umstände die Aufteilung im Einzelfall in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]). Der Revisionswerber übersieht, dass es für die Gewichtung des ehelichen Beitrags nicht nur auf solche Leistungen ankommt, die direkt in (selbständig oder unselbständig erwirtschaftetem) Einkommen münden. Als ehelicher Beitrag zur Schaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ist ausdrücklich auch die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige eheliche Beistand (neben der Mitwirkung im Erwerb, soweit sie nicht anders abgegolten worden ist) zu werten (§ 83 Abs 2 EheG; 1 Ob 133/17s [„mittelbare“ Beiträge]; RS0057651; RS0057969). Wenn nun die Frau nicht nur den Haushalt alleine führte und die Kinder überwiegend betreute, sondern darüber hinaus (sobald ihr die Kinderbetreuung am Abend vom Mann abgenommen wurde) im Unternehmen des Mannes tätig war, ist nicht zu erkennen, inwiefern der Aufteilungsschlüssel 1 : 1 korrekturbedürftig sein sollte.

2.3. Die vom Antragsgegner Jahre nach dem Erwerb der zweiten Wohnung geerbten Mittel (Sparbücher) sind zur Deckung der „Lebenshaltungskosten“ verwendet worden. Das voreheliche Vermögen des Antragsgegners wurde ohnehin eigens berücksichtigt, soweit es – nach den tatsächlich getroffenen Feststellungen – noch nachverfolgbar war. Das von ihm vor der Ehe erwirtschaftete Geld wurde– anders als er es darstellt – nicht allein auf ein bestimmtes Konto überwiesen, sondern auf „verschiedene Konten“ eingezahlt. Die Behauptung, es liege eine „schlüssige Stringenz“ dazu vor, dass die zweite Wohnung und die Guthaben auf diesem Konto bzw auf zwei weiteren während der aufrechten Ehe eröffneten Konten/Spareinlagen sowie dem Wertpapierdepot aus der Aufteilung entzogenen Mitteln herrührten (weil diese Werte alle durch Überweisungen von dem von ihm genannten Konto angeschafft wurden), beruht auf einer tatsächlich nicht gegebenen Prämisse (der gesamte voreheliche Geldwert sei allein auf dieses Konto geflossen, während in Wahrheit nicht feststeht, in welcher Höhe dort voreheliche Mittel eingingen), womit die Rechtsrüge erneut nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Gleichzeitig negiert er sämtliche weiteren (für ihn ungünstigen) Tatsachen, wie etwa dass auf diesem (während der Ehe mitunter auch in den Soll-Bereich gekommenen) Konto die (ehelich erwirtschafteten) Gehaltszahlungen und Provisionen eingingen, von dort aus durch mehr als zwanzig Jahre „die privaten Kosten“, also auch die Lebenshaltungskosten, bestritten wurden, und noch weitere Konten, Sparbücher bzw Wertpapierdepots bestanden hatten, die voreheliches Vermögen des Mannes enthielten oder dem Unternehmen des Mannes zugeordnet waren/sind „bzw für Lebenshaltungskosten aufgelöst wurden“. Wenn das Rekursgericht auf der Tatsachenebene zugrundelegte, dass die Familie auf „gehobenem Niveau gelebt“ und „Geld massenhaft für Urlaube, Autos oder Möbel ausgegeben“ hatte, die geerbten Mittel zur Deckung der Kosten der Familie verwendet worden waren und eine Bezahlung der zweiten Wohnung damit aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht in Frage komme, kann der Revisionsrekurswerber eine erhebliche Rechtsfrage zur Nachverfolgbarkeit dieser Mittel und ihrem Beitrag zur Vermögensbildung keinesfalls aufwerfen.

2.4. Da der Antragsgegner auch zur behaupteten unternehmerischen Nutzung eines Teils der Ehewohnung von anderen als den festgestellten Tatsachen ausgeht, sind die von ihm daran geknüpften Schlussfolgerungen wiederum unbeachtlich. Tatsächlich wurde das Zimmer in der Ehewohnung nur bis Mai 2011 als Büro genutzt. Danach wurde nur mehr ein Raum in der anderen Wohnung als Büro verwendet, wohin sich auch die Frau bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (Anfang April 2014) zur Arbeit für das Unternehmen begeben hat.

2.5. Warum bei Einräumung eines (von keiner Partei vorgeschlagenen) Wohnungsgebrauchsrechts der Frau an einer der beiden Wohnungen die ihm auferlegte Ausgleichszahlung überhaupt zu entfallen gehabt hätte, legt der Mann schon deshalb nicht nachvollziehbar dar, weil er außer Acht lässt, dass dann zu berücksichtigen gewesen wäre, dass der Substanzwert aller Wohnungen, also auch dieser Wohnung, nicht der Frau, sondern allein ihm zugekommen wäre; vielmehr wäre die Ausgleichszahlung deutlich zu erhöhen, was den Mann aber möglicherweise (vgl 2.6.) nötigen würde, eine der Wohnungen zur Geldbeschaffung zu veräußern.

Bei seiner Argumentation zum vermeintlichen Vorrang der Einräumung eines bloßen Nutzungsrechts stellt er einseitig nur auf seine eigene Begünstigung und nicht auf einen gerechten Ausgleich zwischen beiden Seiten ab. Nur er war Alleineigentümer des gesamten während der Ehe erworbenen Liegenschaftsvermögens und auch der Inhaber aller Konten, Wertpapierdepots und Lebensversicherungen gewesen. Warum es eine angemessene Aufteilung darstellen sollte, dass die Frau das während der Ehe (nominell nur von ihm) erworbene Liegenschaftsvermögen nur (teilweise) nützen könnte, während ihm das Eigentum an allen Liegenschaften zu verbleiben hätte und er daher auch deren Wert im Verkaufsfall allein „versilbern“ könnte, bleibt unerfindlich. Der vom Mann bemühte „Bewahrungsgrundsatz“ (§ 90 Abs 1 EheG) hat keinesfalls das Ziel, eine während der Ehe angelegte, aber nicht dem Verhältnis der ehelichen Beiträge entsprechende Ungleichverteilung der ehelichen Errungenschaft aufrecht zu erhalten. Es würde bei einer solchen Gewichtung nicht nur der Zweck der nachehelichen Aufteilung, jedem Ehegatten seinen billigen Anteil an der ehelichen Errungenschaft zukommen zu lassen (siehe nur 1 Ob 112/18d; 1 Ob 142/19t; vgl RS0057903), konterkariert, sondern zudem missachtet, dass die – häufig eine ständige Quelle für Auseinandersetzungen bildenden – vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten nach Möglichkeit vollkommen aufgehoben werden sollen (RS0057552; „Trennungsgrundsatz“; § 84 EheG).

2.6. Dem Mann bleiben aufgrund der Entscheidungen der Vorinstanzen (eheliche) Vermögenswerte von ungefähr 220.000 EUR (darunter befindet sich auch die ihm verbliebene, zum Teil mit seinen vorehelichen Mitteln finanzierte Ehewohnung im Wert von 273.000 EUR). Angesichts der ihm zugewiesenen Guthaben auf den Konten, dem Wertpapierdepot und den wiederum ihm allein verbliebenen Lebensversicherungen (insgesamt Werte von mehr als 75.000 EUR), ist – auch bei einem (zwar geringen) Einkommen von 1.000 EUR monatlich (das aber doppelt so hoch ist, wie das der Frau) – nicht schlüssig, warum er bei Leistung einer Ausgleichszahlung von 46.000 EUR nicht „wohlbestehen“ können sollte.

2.7. Zuletzt bieten auch seine Ausführungen zur Nutzung der Ehewohnung durch die Frau seit Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (am 1. 4. 2014) und einem unterbliebenen finanziellen Ausgleich für diesen Vorteil keinen Anlass zu einer Befassung des Höchstgerichts mit dem hier zu beurteilenden Einzelfall. Eine generelle Zurechnung dieses Vermögensvorteils wird abgelehnt (vgl 1 Ob 46/19z mwN). Die Vorinstanzen sahen eine Berücksichtigung der Nutzung der Ehewohnung durch die Frau im Rahmen der Billigkeit mit der Begründung, es stünde der Frau als dem schuldlos geschiedenen Teil (die Ehe war aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes geschieden worden) (Natural‑)Unterhalt zu, nicht als geboten an. Der Revisionsrekurswerber geht auf diese Überlegung gar nicht ein (RS0043603 [T9]) und kann nicht darstellen, welcher besondere Umstand eine Berücksichtigung im Rahmen der Billigkeit erfordern würde, wenn er doch selbst bis September 2019 in der anderen Wohnung wohnen konnte und für diese auch bereits im Jahr 2011 Möbel angeschafft hatte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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