OGH 2Ob129/19p

OGH2Ob129/19p17.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** D*****, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1. R***** A*****, 2. G***** B*****, und 3. G***** Aktiengesellschaft, *****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 32.086 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Mai 2019, GZ 6 R 21/18b‑65, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 15. Dezember 2017, GZ 36 Cg 34/16a‑55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00129.19P.0917.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.346,18 EUR (darin enthalten 391,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2002 verletzt. Die Beklagten haben ihre Haftung für künftige Ansprüche des Klägers aus diesem Unfall anerkannt.

[2] Der Kläger war Alleingesellschafter und ‑geschäftsführer einer GmbH, die sich mit Fenstermontage beschäftigte. Er selbst war ua als Fenstermonteur in der GmbH tätig. Als Folge des Unfalls kann er als Fenstermonteur nicht mehr arbeiten und die Baustellen nicht überwachen, was letztlich zur Liquidierung und Löschung der GmbH und somit zur Schließung des Unternehmens führte.

[3] Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers auf Ersatz seines unfallbedingten Verdienstentgangs für die Jahre 2014 bis 2016.

[4] Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf den Aufhebungsbeschluss des Senats im ersten Rechtsgang (29. 11. 2018, 2 Ob 159/18y) verwiesen.

[5] Das Berufungsgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Urteil auftragsgemäß die Tatsachenrüge (im relevanten Umfang) erledigt und die erstgerichtlichen Feststellungen bestätigt.

[6] Davon ist Folgendes hervorzuheben:

„[…] Ab dem Jahr 2002 hat der Kläger Mitarbeiter von K***** B***** [im Folgenden „Geschäftspartner“], der ein Unternehmen mit dem Handel und der Montage von Fenstern, Türen und Toren betrieb, übernommen. Ab der Übernahme von Mitarbeitern dieses Unternehmers hat er auch Montagen für selbigen miterledigt; über das Vermögen von [Geschäftspartner] wurde am 31. 1. 2005 das Konkursverfahren eröffnet. […]

Dass das vom Kläger geführte Unternehmen auch ohne dessen Unfall, insbesondere als Folge der Insolvenz des [Geschäftspartners] notwendigerweise insolvent geworden wäre, kann nicht festgestellt werden. Der Konkurs des Vorgenannten hätte sich zwar auf die Geschäftsgebarung des Unternehmens durch Umsatzreduktionen ausgewirkt, jedoch hätte sich daraus nicht zwingend eine Insolvenznotwendigkeit ergeben; auf diesen Umsatzrückgang hätte der Kläger mit Personalreduktion oder Marktbearbeitung reagieren können. Unter Wegfall der im [ersten Vorprozess] ermittelten Erträge aus den Aufträgen des [Geschäftspartners] ergäbe sich für das Jahr 2014 ein monatlicher Verfügungsbetrag in Höhe von 5.679 EUR, für das Jahr 2015 ein solcher in Höhe von 5.730 EUR und für das Jahr 2016 ein solcher von 5.781 EUR.

Unter Zugrundelegung des [im ersten Vorprozess] ermittelten Verfügungsbetrages in Höhe von 4.916 EUR errechnet sich ein monatlicher Verdienstentgang des Klägers für das Jahr 2014 mit 6.247 EUR, für das Jahr 2015 mit 6.304 EUR und für das Jahr 2016 mit 6.360 EUR. […]“

[7] Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Erstgericht dazu ausgeführt:

„[…] Es gibt daher […] keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Unternehmen des Klägers nach Eröffnung des Konkurses über [Geschäftspartner] keine Aufträge mehr erhalten hätte und daher mit Sicherheit insolvenzgefährdet gewesen wäre. Zumal auch der Kläger glaubhaft und nachvollziehbar angab, im damaligen Zeitpunkt mit vielen weiteren Großkunden zusammengearbeitet zu haben.

Der Sachverständige führte in seinem Gutachten zwar weiter aus, dass sich der Konkurs der Firma [Geschäftspartner] in einer Umsatzreduktion auf das Unternehmen des Klägers ausgewirkt hätte. Allerdings betonte der Sachverständige in seiner Gutachtenserörterung […] , dass ex post nicht festgestellt werden könne, wie sich das Unternehmen des Klägers langfristig entwickelt hätte und der Kläger mit diversen Maßnahmen auf die Umsatzreduktion reagieren hätte können. Durch Marktbearbeitung wäre es mitunter auch möglich gewesen, neue Aufträge zu lukrieren, wodurch wiederum eine Umsatzsteigerung erzielt hätte werden können. Es kann daher nicht mit der im Zivilverfahren erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich der Umsatz tatsächlich reduziert hätte, weshalb im Folgenden weiterhin von einem dem Kläger zustehenden Verfügungsbetrag von 4.916 EUR (unter Berücksichtigung der jährlichen Valorisierung) auszugehen ist.

[8] In der rechtlichen Beurteilung hatte das Erstgericht ergänzend ausgeführt, es sei nicht feststellbar, inwieweit bzw ob der Konkurs des Geschäftspartners tatsächlich Auswirkungen auf den Umsatz des klägerischen Unternehmens gehabt hätte.

[9] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, die Beweislast für eine vom gewöhnlichen Lauf der Dinge abweichende „Änderung nach unten“ treffe den Ersatzpflichtigen, hier also die Beklagten. Die Negativfeststellung über den Einfluss des Konkurses des Geschäftspartners auf die hypothetische Entwicklung des Unternehmens des Klägers gehe somit zu Lasten der Beklagten.

[10] Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil sich die von ihm angewendete, bei Reischauer (in Rummel, ABGB³ § 1325 Rz 27 mwN aus der Rsp) zitierte Beweislastregel zur Änderung der Verhältnisse offenbar auf die Fälle rechtskräftiger Rentenzusprüche in der Vergangenheit beziehe. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die von den Beklagten erhobene Revision ist jedoch ungeachtet dieses – den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[12] 1. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob die zu rechtskräftigen Rentenzusprüchen ergangene Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall analoge Anwendung finden könne, ist für die Entscheidung nicht präjudiziell. Sie stellt sich schon deshalb nicht, weil zu der hier maßgeblichen Beweislastfrage ohnedies einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiert:

[13] 1.1. Zunächst hat der Geschädigte seinen Schaden zu beweisen, also auch seinen Verdienstentgang, der in der Differenz zwischen seinen tatsächlichen und fiktiven Einkünften besteht (RS0030153). Die Beweislast dafür, wie und mit welchem Erfolg er seine Arbeitskraft nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ohne den Unfall eingesetzt hätte, liegt daher ebenfalls beim Geschädigten (RS0108904). Dazu bedarf es positiver Feststellungen über den hypothetischen Verlauf (vgl RS0030911).

[14] Dieser Beweis ist dem Kläger gelungen, steht doch fest, dass er sein Unternehmen unfallkausal schließen musste und wieviel er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei Fortbestand des Unternehmens hätte verdienen können.

[15] 1.2. Ist solchermaßen – wie hier – ein Zustand festgestellt, der sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht von selbst ändert, so hat derjenige, der eine solche Änderung behauptet, hiefür den Beweis zu erbringen (2 Ob 144/75 ZVR 1976/206 = RS0043395 [T4]). In der zuletzt zitierten Entscheidung ging es um den Verdienstentgang eines im Unfallzeitpunkt arbeitslosen Kellners, der schon einen fix zugesagten Posten in Aussicht hatte, dessen Antritt dann aber durch den Unfall verhindert wurde. Andere Umstände, die den Antritt und das Behalten dieses Postens verhindert hätten, hätte nach den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs die (damals) Beklagte behaupten und beweisen müssen (es fehlte schon an der Behauptung).

[16] 1.3. Im vorliegenden Fall wendeten die Beklagten ein, Grund für die Weigerung der Zahlung weiteren Verdienstentgangs sei in erster Linie die hypothetisch vermutlich negative wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens des Klägers aufgrund des Konkurses des Geschäftspartners.

[17] Nach den vorherigen Ausführungen traf die Beklagten die Beweislast für diese behauptete negative wirtschaftliche Entwicklung. Wie sich aus den wiedergegebenen Passagen des Urteils des Erstgerichts in ihrem Zusammenhalt ergibt, ist den Beklagten dieser Beweis nicht gelungen.

[18] 1.4. Im Ergebnis ist das Berufungsgericht von der erörterten Beweislastverteilung ausgegangen, sodass dessen Entscheidung insoweit nicht korrekturbedürftig ist.

[19] 2. Die Beklagten zeigen in ihrer Revision auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[20] 2.1. Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge der Beklagten ausreichend behandelt, aber nicht für berechtigt erachtet. Ein Verfahrensmangel des Berufungsgerichts liegt somit nicht vor, die Tatsachenfeststellungen können vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpft werden (vgl RS0043371).

[21] 2.2. Die Würdigung der tatsächlichen Feststellungen des Gutachtens und der zur Gewinnung der Tatsachenfeststellungen vom Sachverständigen angewandten Regeln der Wissenschaft und Sachkunde, die ihrerseits Erfahrungssätze zur Gewinnung des Sachverhalts darstellen, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels anzufechten, sondern allenfalls unter dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Das ist aber nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Sachverständige bei seinen Schlussfolgerungen gegen zwingende Denkgesetze oder gegen die objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoßen hat (RS0043168). Dass derartige Umstände hier vorlägen, haben die Revisionswerber nicht behauptet.

[22] 2.3. Das Berufungsgericht hat sich zwar nicht ausdrücklich mit den schon in der Berufung ähnlich wie in der Revision erhobenen Argumenten zu den eingewendeten Gegenforderungen, die sich aus Überzahlungen in den gegenständlichen Jahren ergäben, auseinandergesetzt. Ausgehend von den feststehenden monatlichen Beträgen an Verdienstentgang ergibt sich aber eben keine Überzahlung und somit der Nichtbestand der Gegenforderungen.

[23] 2.4. Die übrigen Ausführungen in der Rechtsrüge gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und sind demnach unbeachtlich.

[24] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revision auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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