OGH 6Ob147/20s

OGH6Ob147/20s15.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl, Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch MMag. Eva Kathrein, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Herausgabe (Streitwert 17.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Februar 2020, GZ 4 R 192/19w‑23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. November 2019, GZ 66 Cg 3/19x‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00147.20S.0915.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO kann, wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, mittels Urteil dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind.

1.2. Der Begriff „Verheimlichung“ erfordert kein deliktisches Verhalten. Es genügt jedes Verhalten, durch das Vermögensstücke aus der Kontrolle des Eigentümers kommen, mag dies auch im Bewusstsein eines bestehenden oder vermeintlichen Rechts geschehen (RS0034879 [T2]).

1.3. Während Teile der Rechtsprechung forderten, dass der Beklagte selbst an der Verheimlichung oder dem Verschweigen beteiligt gewesen sein muss (RS0034828), ist dies nach neuerer Auffassung nicht erforderlich. Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO bezieht sich nicht nur auf denjenigen, der verschweigt oder verheimlicht, sondern ausdrücklich auch auf denjenigen, der davon nur vermutlich Kenntnis hat. Der Anspruch richtet sich daher auch gegen dritte Mitwisser, auch wenn sie selbst nicht aktiv an der Verheimlichung beteiligt waren (vgl Konecny in Fasching/Konecny ³ Art XLII EGZPO Rz 83; 3 Ob 47/11z; vgl auch 9 Ob 39/11t ErwGr I.3). Zudem reicht bereits der Verdacht, dass der Beklagte von dem verschwiegenen oder verheimlichten Vermögen Kenntnis hat; dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen (RS0034823 [T3]).

2.1. Der Anspruch setzt weiters ein privatrechtliches Interesse des Klägers voraus (RS0034921). Ein solches privatrechtliches Interesse ist dann gegeben, wenn durch die Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens der Kläger selbst unmittelbar in seinen aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung abgeleiteten Privatrechten beeinträchtigt wird (RS0034852).

2.2. In der Entscheidung 9 Ob 13/91 wurde ein privatrechtliches Interesse eines betreibenden Gläubigers gegen den Drittschuldner auf Auskunft verneint. Der betreibende Gläubiger habe kein privatrechtliches, sondern ein bloß wirtschaftliches Interesse, weshalb der Drittschuldner auch im Fall bewusst unwahrer Angaben in der Drittschuldnererklärung nicht zur Auskunft verpflichtet sei (vgl auch Konecny aaO Art XLII EGZPO Rz 42). Der Anspruch nach § 301 EO ist im Klageweg nicht durchsetzbar (RS0000464).

2.3. Entgegen den Revisionsausführungen steht die Entscheidung 3 Ob 47/11z dazu nicht im Widerspruch. Diese Entscheidung betraf die Klage eines Masseverwalters gegen eine Gesellschaft auf Auskunft über vom Schuldner erbrachte Arbeitsleistungen und dafür bezogene Einkünfte, die dieser verheimlicht hatte. Der der Exekution unterliegende Teil des Erwerbseinkommens sei Massebestandteil, woraus sich auch das privatrechtliche Interesse des klagenden Masseverwalters ergebe. Diese Entscheidung fügt sich somit in die Rechtsprechung, die einem Erben einen Auskunftsanspruch nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO einräumt (RS0034984, RS0034997). Sowohl der Masseverwalter als auch der Erbe sind über die Masse bzw den Nachlass unmittelbar verfügungsbefugt, was diese von einem bloßen Gläubiger unterscheidet. Letzterer hat vor Pfändung und Überweisung keinen unmittelbaren Anspruch auf Forderungen des Schuldners.

3. Soweit die Revision argumentiert, der Beklagte habe bewusst und rechtsmissbräuchlich an der Verschleierung des Vermögens mitgewirkt, sodass die Klägerin Schadenersatzansprüche aus der bewussten bzw rechtsmissbräuchlichen Entziehung von Vermögen des J***** vor der Verwertung gegen den Beklagten habe, ist dem entgegen zu halten, dass die Klägerin im Verfahren erster Instanz ihren Anspruch nicht darauf gestützt hat. Zwar hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz vorgebracht, der beklagte Verein habe bewusst mit J***** zusammengewirkt, um sein Vermögen der Vollstreckung durch die Klägerin zu entziehen. Sie hat daraus aber nicht eigene Schadenersatzansprüche abgeleitet, sondern sich lediglich darauf berufen, J***** selbst habe Ansprüche gegen den beklagten Verein, welche dem Zugriff der Klägerin entzogen würden. „Offensichtlich“ entstehe durch die Investition in das von der Ehegattin des J***** gemietete Objekt eine Forderung des J***** gegen den Beklagten. Dass die Klägerin selbst eine Forderung gegen den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes habe, hat die Klägerin nicht behauptet. Daher ist im vorliegenden Zusammenhang auch nicht auf allfällige der Klägerin aus einem Verstoß gegen § 162 StGB, dem Schutzgesetzcharakter zukommt (9 Ob 92/18x), zustehende Ansprüche einzugehen. Damit stellt sich im vorliegenden Fall die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Schadenersatzanspruch wegen Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung (§ 162 StGB) einen Anspruch nach Art XLII Abs 1 2. Fall EGZPO begründen kann, nicht.

4. Gleiches gilt für allfällige Anfechtungsansprüche. Zwar wird dem Anfechtungsgläubiger ein Rechnungslegungsanspruch nach Art XLII Abs 1 1. Fall EGZPO zuerkannt, wenn der Anfechtungsanspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (RS0035051; 1 Ob 2370/96b). Diese zur Anfechtung nach der IO bzw KO ergangene Rechtsprechung lässt sich auf die AnfO übertragen. Die Begründung für den Auskunftsanspruch des Masseverwalters liegt nämlich darin, dass der Anfechtungsgegner gemäß § 39 Abs 2 IO wie ein unredlicher Besitzer haftet, den wiederum gemäß § 1039 ABGB eine Auskunftspflicht trifft ( König/Trenker , Die Anfechtung nach der IO 6 Rz 17.59 mwN). § 13 Abs 2 AnfO enthält aber für die Einzelanfechtung eine § 39 Abs 2 IO entsprechende Bestimmung. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin aber gerade keinen Anfechtungsanspruch geltend, sondern weist in der Revision lediglich darauf hin, dass nach der AnfO die Möglichkeit „grundsätzlich bestünde“, Handlungen, die in Benachteiligungsabsicht gesetzt werden, anzufechten. Auch ist das Leistungsbegehren nicht auf den Ausgleich des veräußerten Schuldnervermögens oder die Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtet, sondern ausschließlich darauf, an die Klägerin „die Forderungen und Ansprüche des J***** ihr gegenüber herauszugeben“.

5. Zusammenfassend gelingt es der klagenden Partei sohin nicht, Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung zu bringen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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