OGH 8ObA73/20y

OGH8ObA73/20y25.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Hochwimmer & Horcicka, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, *****, wegen 2.084,21 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Mai 2020, GZ 12 Ra 15/20t ‑ 34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00073.20Y.0825.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043352 [T27, T33]; RS0043338 [T10, T11, T13]).

1.2 Mit der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019, BGBl I 58/2019, wurde für Vertragsbedienstete (wie den Kläger), deren Vorrückungsstichtag bei der Anrechnung unter Ausschluss der vor dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, nach Maßgabe der §§ 94b ff („Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG “) Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG) eine Neueinstufung nach einem einheitlichen Regelwerk vorgesehen. Der Kläger hat die Beurteilung des Erstgerichts, diese Neuregelung des Besoldungsrechts des Bundes sei unionsrechtskonform, in seiner Berufung nicht bekämpft, worauf ihn das Berufungsgericht auch hingewiesen hat. Abgesehen davon lassen die Revisionsausführungen ohnehin in keiner Weise erkennen, worin eine Diskriminierung iSd Richtlinie 2000/78  EG iVm Art 21 Abs 1 GRC durch die neue Rechtslage liegen sollte. Daher ist weder auf die Frage einzugehen, ob durch die 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 „sämtliche Diskriminierungen beseitigt“ wurden, noch ist der Anregung des Rechtsmittelwerbers auf Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens zu folgen.

2.1 Gemäß § 94c Abs 2 Z 1 VBG idF BGBl I 58/2019 sind für die Ermittlung des Vergleichsstichtags nach Maßgabe der Abs 3 bis 6 leg cit die Bestimmungen des § 26 VBG idF der 2. Dienstrechts‑Novelle 2007, BGBl I 96/2007, anzuwenden. Nach § 26 Abs 1 VBG idF BGBl I 96/2007 wird zwischen Zeiten, die zur Gänze (Z 1 und Z 2 lit a leg cit), und Zeiten, die zur Hälfte (Z 2 lit b leg cit) dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden, unterschieden. „Sonstige Zeiten“, die die Erfordernisse des § 26 Abs 3 oder 3a VBG idF BGBl I 96/2007 nicht erfüllen (§ 26 Abs 1 Z 2 lit b leg cit), sind bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzustellen, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (§ 94c Abs 4 VBG idF BGBl I 58/2019). Nach § 26 Abs 3 VBG idF BGBl I 96/2007 können – soweit hier von Relevanz – Zeiten gemäß Abs 1 Z 2 leg cit („sonstige Zeiten“), in denen der Vertragsbedienstete eine Tätigkeit ausgeübt hat, im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Vertragsbediensteten von besonderer Bedeutung ist.

2.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zu der Anrechnungsbestimmung des § 26 Abs 3 VBG Stellung genommen (vgl RS0082096), und zwar insbesondere auch zu der in früheren Fassungen – wie hier – enthaltenen Wendung, dass „sonstige Zeiten“ „im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden [können], als die Tätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Vertragsbediensteten von besonderer Bedeutung ist“. In dem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass entscheidend ist, ob die Vortätigkeit von einer derart qualifizierten Bedeutung ist, dass der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre (8 ObA 85/99d ua). Die Frage, ob „sonstige Zeiten“ die Erfordernisse des § 26 Abs 3 VBG erfüllen (und demnach zur Gänze – und nicht bloß zur Hälfte – anzurechnen sind), hängt naturgemäß von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, deren Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl 9 ObA 3/04p; 9 ObA 28/18k).

2.3 Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Lehrzeit des Klägers vom 1. 8. 1989 bis 17. 3. 1991 (Vollendung des 18. Lebensjahres) nicht zur Gänze anrechenbar sei, orientiert sich, wie der Kläger selbst einräumt, an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu früheren Fassungen des § 26 Abs 3 VBG und des Verwaltungsgerichtshofs zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 12 Abs 3 GehG (s etwa VwGH 99/12/0097 mwN; RS0059620). Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Revisionswerber mit seinem (bloßen) Hinweis darauf, dass noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zur Frage des Maßstabs für Tätigkeiten zur (Voll‑)Anrechnung bei Vertragsbediensteten nach der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 vorliegen“ würde, schon deshalb nicht auf, weil sich der hier maßgebliche Wortlaut des § 26 Abs 3 VBG im Vergleich zu den der zitierten Vorjudikatur zugrundeliegenden Fassungen nicht entscheidend geändert hat.

Der Kläger selbst geht in der Revision davon aus, dass er kein Vorbringen zur seiner konkreten Tätigkeit bei der Beklagten erstattet hat, sodass dazu keine (näheren) Feststellungen getroffen werden konnten.

Woraus sich daher eine „besondere Bedeutung“ der (gar nicht abgeschlossenen) Konditorlehre des Klägers für seine Tätigkeit als Koch in der Truppenküche einer Kaserne ab Juni 1996 (also rund vier Jahre nach Lehrabbruch) ergeben sollte, lässt sich den Revisionsausführungen nicht entnehmen. Auf das (auf den Angaben des Klägers in seiner Parteienvernehmung beruhende) Zusatzargument des Berufungsgerichts, nach der allgemeinen Lebenserfahrung liege nahe, dass auch ein Mitarbeiter der Truppenküche, der zuvor keine Lehre zum Konditor absolviert habe, in 18,5 Monaten seines Einsatzes in der Truppenküche (als Grundwehrdiener und Zeitsoldat) in etwa dieselben für die Tätigkeit in der Truppenküche relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben – und damit einen allfälligen „Quantensprung“ bewirkt – habe, wie sie der Kläger in seiner Lehre erworben habe, kommt es damit gar nicht weiter an.

3. Eine vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens kann vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden (RS0042963). Den Einwand des Klägers, das Erstgericht habe gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoßen, weil es die Rechtserheblichkeit seiner konkreten Tätigkeit bei der Beklagten nicht mit ihm im Rahmen eines Rechtsgesprächs nach § 182a ZPO erörtert habe, hat bereits das Berufungsgericht inhaltlich verworfen.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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