European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00029.20B.0825.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss vom 1. 8. 2012 das Abschöpfungsverfahren eingeleitet.
Ab dem 4. 7. 2019 langten insgesamt vier Gläubigeranträge auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens wegen Obliegenheitsverletzung gemäß § 211 Abs 1 Z 2 IO beim Erstgericht ein. Die auf den 27. 8. 2019 anberaumte Tagsatzung zu seiner Vernehmung über diese Anträge besuchte der Schuldner nicht.
Mit Beschluss vom 19. 9. 2019 wies das Erstgericht den Antrag des Schuldners auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 27. 8. 2019 ab. Gleichzeitig sprach es die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 211 Abs 1 Z 2 IO aus.
Dieser Beschluss wurde am 19. 9. 2019 in der Ediktsdatei veröffentlicht. Darüber hinaus wurde er dem Vertreter des Schuldners per ERV am 20. 9. 2020 zugestellt. Der Schuldner erhob am 4. 10. 2019 gegen beide Teile der Entscheidung Rekurs.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags mit einem Maßgabebeschluss nicht Folge. Den Rekurs gegen den Beschluss über die Einstellung des Verfahrens wies es als verspätet zurück.
Gemäß § 257 Abs 2 IO seien die Wirkungen der Zustellung dieses Beschlusses, der gemäß § 211 Abs 4 IO zwingend öffentlich bekanntzumachen gewesen sei, bereits durch die Veröffentlichung in der Ediktsdatei eingetreten. Die Rekursfrist habe daher am 3. 10. 2019 geendet.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob zwei in einer Ausfertigung zusammengefassten Entscheidungen mit zwar gleich langen, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnenden Rechtsmittelfristen innerhalb der länger laufenden Frist angefochten werden können.
Der gegen diese Entscheidung am 23. 3. 2020 (nach Zustellung einer Aktabschrift an den bestellten Verfahrenshelfer am 11. 3. 2020) eingebrachte Revisionsrekurs des Schuldners ist im Zweifel als rechtzeitig anzusehen. Es ist im Akt nicht dokumentiert, ob dem Verfahrenshelfer die Rekursentscheidung bereits zusammen mit dem Bestellungsbeschluss übermittelt wurde (vgl RIS‑Justiz RS0041632, RS0041654).
Der Revisionsrekurs ist aber entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil die entscheidungswesentliche Rechtsfrage in der höchstgerichtlichen Judikatur eindeutig beantwortet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 211 Abs 4 IO ist der Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens öffentlich bekanntzumachen.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass eine gesetzlich angeordnete öffentliche Bekanntmachung die Rechtsmittelfrist nach § 257 Abs 2 IO selbst dann in Gang setzt, wenn das Erstgericht auch noch andere Beschlüsse in dieselbe Ausfertigung aufgenommen hat. Die Rechtsmittelfrist gegen einen solchen Beschluss beginnt – unabhängig von einer individuellen Zustellung – insgesamt mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen (RS0127105 [T1]; RS0110969 [T12]; RS0065237 [T19]).
Die Entscheidung des Rekursgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Der Revisionsrekurs des Schuldners war daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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