OGH 3Ob77/20z

OGH3Ob77/20z20.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 37.557,71 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. April 2020, GZ 1 R 159/19m‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00077.20Z.0820.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen verneinten Verkehrssicherungspflichten der beklagten Gemeinde, weil jene über den Asphalt herausstehende Bodenschwelle im Bereich von Altpapiercontainern, über die die Klägerin unachtsam stürzte, als objektiv leicht erkennbares Hindernis zu qualifizieren sei, auf das sich Verkehrsteilnehmer einstellen müssten. Von ihnen sei zu fordern, dass sie dafür Sorge tragen, allfällige Gefahrenquellen „vor ihren Füßen“ zu erkennen. Während des bereits 15‑jährigen Betriebs der Altpapiersammelstelle sei es auch nie zu einem Unfall gekommen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Klägerin gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision nicht, diese Rechtsansicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darzustellen, weshalb ihr Rechtsmittel als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

[3] 1. Die gerügten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen aber nicht vor.

[4] 2. Die Lösung der Frage, ob im konkreten Fall die Beklagte alles ihr Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0029874; RS0110202) und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO (RS0110202 [T28]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RS0114360 [T1]). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahrenquelle bei objektiver Betrachtung einer durchschnittlich aufmerksamen Person sofort in die Augen fällt (RS0114360 [insb T11]). Letztlich kommt es auf die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung an (RS0023487 [T6, T7]; RS0022778 [T24]). Nach ständiger Rechtsprechung ist zudem von jedem Fußgänger zu verlangen, „vor die Füße“ zu schauen, der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden und einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst auszuweichen (vgl RS0027447; RS0023787 [T3]). Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung naheliegend erscheinen lässt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0110202 [T1, T12, T13, T17]).

[5] Angesichts der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen zur guten Sichtbarkeit und farblichen Abhebung der 4,5 cm über den angrenzenden Asphaltboden herausragenden Betonschwelle(n) ist das Verneinen einer Gefahrensituation keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Das gilt auch für den Hinweis, die Klägerin habe ungeachtet des Tragens von Altpapier der eingeschlagenen Wegstrecke zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet.

[6] 3. Jene Judikatur, die die Klägerin in der Revision ins Treffen führt, ist nicht einschlägig, weil es hier weder um eine von umfallenden Gegenständen ausgehende Gefahr geht (7 Ob 271/00d), noch die Haftung eines Gastwirts gegenüber seinen Gästen für die Sicherheit seines Lokals zu beurteilen ist (4 Ob 120/18b; RS0020749 [T11 und T12]) und auch die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB nicht zur Debatte steht (2 Ob 78/18m).

[7] 4. Eine Fehlbeurteilung in der Verschuldensteilung liegt schon deshalb nicht vor, weil die Vorinstanzen eine solche nicht vornahmen, sondern die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ablehnten.

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