OGH 5Ob29/20f

OGH5Ob29/20f13.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin J* R*, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer-Pammesberger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien – Wiener Wohnen, *, vertreten durch Mag. Dipl.‑Ing. Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3, 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Oktober 2019, GZ 39 R 261/19z‑14, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. Juni 2019, GZ 45 Msch 1/19m‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129174

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 377,50 EUR (darin 62,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mieterin einer Wohnung in Wien; die Antragsgegnerin ist die Vermieterin. Dieser Wohnung ist eine Loggia zugeordnet. Durch Anbringung eines Netzes über die gesamte Loggiabreite in Höhe der Öffnung kann ein Anflug von Tauben und damit die festgestellte Verunreinigung der Loggia durch Taubenkot hintangehalten werden.

Die Antragstellerin beantragte, der Antragsgegnerin aufzutragen, das Anfliegen und Ansitzen von Tauben auf dem Balkon der Antragstellerin durch geeignete Maßnahmen, wie zB Spannen von Netzen, unmöglich zu machen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Eine Verpflichtung der Vermieterin, das Anfliegen und Ansitzen von Tauben auf dem Balkon der Antragstellerin zu verhindern, lasse sich aus den §§ 3, 6 MRG nicht ableiten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Aus § 3 Abs 2 Z 1 MRG, der für allgemeine Teile eine uneingeschränkte Erhaltungspflicht des Vermieters im ortsüblichen Standard normiere, sei für die Antragstellerin nichts zu gewinnen. Außerhalb des Mietgegenstands komme es nur auf die Funktionsunfähigkeit oder Reparaturbedürftigkeit an. Selbst wenn das Geländer der Loggia als ein allgemeiner Teil des Hauses zu qualifizieren wäre, resultiere aus dem Fehlen eines Taubenabwehrnetzes keine solche Funktionsunfähigkeit oder Reparaturbedürftigkeit. Es sei auch nicht ortsüblich, dass an die Loggien eines Wohngebäudes Taubenabwehrnetze angebracht werden. Nach § 3 Abs 2 Z 2 1. und 2. Fall MRG fielen Arbeiten, die zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses erforderlich seien, nur dann in die Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn sie ernste Schäden des Hauses beheben oder eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung beseitigen sollen. Ernste, weil die Bausubstanz angreifende Schäden des Hauses lägen weder vor, noch seien solche zu befürchten. Die Erhaltungspflicht des Vermieters wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung nach § 3 Abs 2 Z 2 2. Fall MRG setze nach dem klaren Gesetzeswortlaut voraus, dass die Gesundheitsgefährdung vom Mietgegenstand ausgehe, also ihre Ursache im Zustand des Mietobjekts selbst habe. Das Zufliegen von Tauben habe seinen Ursprung nicht in der Beschaffenheit des Mietobjekts. Die Antragstellerin habe nicht substantiiert vorgebracht, weshalb gerade die Situierung ihrer Loggia den Taubenanflug begünstige. Es seien auch keine besonderen Umstände zu erkennen, die die Tauben überdurchschnittlich anlockten. Eine allfällige Gesundheitsgefährdung durch Tauben lasse sich daher nicht auf die Beschaffenheit des Mietgegenstands zurückführen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob auf die Loggia eines Mietgegenstands zufliegende Tauben eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung iSd § 3 Abs 2 Z 2 2. Fall MRG seien, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diesen Sachbeschluss abzuändern und dem Antrag stattzugeben.Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

1. Die Erhaltungspflicht des Vermieters ist im Vollanwendungsbereich des MRG in § 3 MRG abschließend und zwingend geregelt. Welche Arbeiten als Erhaltungsarbeiten gelten, ist im § 3 Abs 2 MRG taxativ aufgezählt (vgl RS0124632; RS0069969).

2. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die von der Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs angesprochene Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 2. Fall MRG. Danach ist der Vermieter zu Erhaltungsarbeiten auch im Inneren des Mietgegenstands verpflichtet, wenn von diesem eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für die Benutzer der Räumlichkeiten ausgeht. Dem Vermieter können Erhaltungsarbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung aber nur aufgetragen werden, wenn sich die Gesundheitsgefährdung nicht durch andere, den Bewohnern des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt (§ 6 Abs 1a MRG). Dabei geht es nicht um den Aufwand der Maßnahme selbst, sondern darum, dass andere Maßnahmen, die den Bewohnern des Hauses zumutbar sind, die Gesundheitsgefährdung abwenden können, also um effektive Alternativmaßnahmen (RS0126324).

3. Voraussetzung für die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 2. Fall MRG ist, dass die Gesundheitsgefährdung „vom Mietgegenstand selbst“ ausgeht, also ihre Wurzel im Zustand des Mietgegenstands selbst hat. Von außen in den Mietgegenstand eindringende Gefahren, wie etwa Straßenlärm, lösen demnach keine Erhaltungspflicht des Vermieters aus (5 Ob 174/10i; 5 Ob 110/15k).

4. Die mit dem Anflug und dem Ansitzen von Tauben auf der Loggia der Antragstellerin allenfalls verbundene Gesundheitsgefährdung gehtnach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu den baulichen Gegebenheiten nicht unmittelbar vom Mietgegenstand aus. Die Antragstellerin erstattete im Verfahren erster Instanz auch kein substantiiertes Vorbringen dazu, dass und warum die konkrete bauliche Ausgestaltung den Taubenzuflug begünstigen sollte (vgl 5 Ob 110/15k).

5. Wenn eine Norm – wie hier – eine klare Regelung trifft und im Auslegungsweg ein eindeutiges Ergebnis zu erzielen ist, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor, wenn zu einer konkreten Fallgestaltung ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt (RS0042656; RS0102181). Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die danach anzustellenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch, wenn in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen wurde.

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