OGH 2Ob12/20h

OGH2Ob12/20h29.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2018 verstorbenen J***** K*****, zuletzt *****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Mag. Dr. W***** N*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, und 2. L***** K*****, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter Mag. Stefan Aberer, Rechtsanwalt in Bregenz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. Dezember 2019, GZ 3 R 286/19k‑181, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00012.20H.0629.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die am ***** 2018 verstorbene Erblasserin setzte mit (formgültigem) Testament vom 22. 2. 2017 den Erstantragsteller zum Alleinerben ein.

Die Zweitantragstellerin stützt ihr Erbrecht auf ein am 18. 8. 2017 errichtetes fremdhändiges Testament. Dieses wurde von der Erblasserin eigenhändig unterschrieben. Auch die drei Testamentszeugen unterschrieben jeweils unter Angabe ihres Geburtsdatums und des Datums der Unterschriftsleistung. Lediglich ein Zeuge fügte auch den Zeugenzusatz handschriftlich hinzu. Bei den beiden weiteren Zeugen war der Zeugenzusatz nicht eigenhändig, sondern maschinell geschrieben.

Im vorliegenden Verfahren über das Erbrecht stellten die Vorinstanzen das Erbrecht des Erstantragstellers fest und wiesen die Erbantrittserklärung der Zweitantragstellerin ab. Sie begründeten dies übereinstimmend im Wesentlichen damit, gemäß § 579 Abs 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 müssten beim fremdhändigen Testament die Zeugen auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz unterschreiben. Daran fehle es beim späteren Testament. Gemäß § 601 ABGB idF des ErbRÄG 2015 sei dieses daher ungültig.

Die Zweitantragstellerin zeigt in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Fachsenat hat mittlerweile in seiner mit Hinweis auf die eindeutige gesetzliche Regelung einen außerordentlichen Revisionsrekurs zurückweisenden Entscheidung 2 Ob 35/20s ausgeführt, dass der auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz nach dem klaren Wortlaut des § 579 Abs 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) von den Zeugen eigenhändig geschrieben werden muss und dieses Erfordernis zwingend ist. Fehlt dieses Formerfordernis, ist die letztwillige Verfügung gemäß § 601 ABGB ungültig. Der Umstand, dass sie dem Willen des Erblassers entspricht, kann das Nichterfüllen der gesetzlichen Formerfordernisse nicht substituieren; maßgebend ist nur der gültig erklärte Wille. Eine teleologische Reduktion ist unzulässig, weil Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  10) in die Gegenrichtung weisen. Angesichts dessen ist für die von der Rechtsmittelwerberin gewünschte, unter Hinweis auf Lehrmeinungen (Welser, Erbrechts‑Kommentar § 579 Rz 10 f; derselbe, Formunwirksamkeit des Testaments, weil Zeugen auf einem gesonderten Blatt unterschrieben haben – Ein juristischer Trialog, NZ 2018/108, 321 [326]; Umlauft, Das Spannungsverhältnis zwischen dem favor testamenti und den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im Lichte der jüngsten OGH‑Judikatur, EF‑Z 2019/137, 244 [245]) vertretene Auslegung, wonach das vorgeschriebene Formerfordernis entfalle, wenn die Zeugen ihre Identitätsangaben handschriftlich gemacht haben, kein Raum.

Die Ansicht der Vorinstanzen, das zugunsten der Zweitantragstellerin errichtete fremdhändige Testament sei mangels eigenhändig geschriebener Zeugenzusätze zweier Testamentszeugen ungültig, entspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der dargelegten Rechtsprechung.

2. Rechtsmissbrauch liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RS0026265). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0110900), denen in der Regel keine erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt, solange keine aufzugreifende Verkennung der Rechtslage vorliegt.

Wurde die Form nicht gewahrt, so ist nach ständiger Rechtsprechung die Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen ungültig (RS0012514 [T4, T5]). In der Rechtsauffassung des Rekursgerichts, angesichts dieser Rechtslage sei die Berufung auf die Formungültigkeit des jüngeren Testaments durch den Erstantragsteller nicht rechtsmissbräuchlich, kann keine Fehlbeurteilung erkannt werden.

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