OGH 5Ob7/20w

OGH5Ob7/20w27.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. D*, vertreten durch die Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwältepartnerschaft (OG), Wien, gegen die beklagte Partei T* m.b.H., *, vertreten durch Dr. Michael Auer ua, Rechtsanwälte in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. K*, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vertragszuhaltung und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2019, GZ 2 R 72/19a‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128646

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist aufgrund des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags vom 21. 5. 2001 Mit- und Wohnungseigentümerin einer Liegenschaft. Wohnungseigentumsorganisatorin und Verkäuferin der Miteigentumsanteile war die Beklagte. Mit den Miteigentumsanteilen der Klägerin ist Wohnungseigentum an den Wohnungen W5 und W6 sowie den PKW-Garagenstellplätzen 1 und 15 verbunden. Den Wohnungen sind jeweils Gartenflächen vorgelagert.

Gestützt auf den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag begehrte die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr in vertraglich geeigneter Weise das Zubehör-Wohnungseigentum an den beiden Gartenflächen zu den in ihrem Eigentum stehenden Wohnungseigentumsobjekten zu verschaffen, und die Einverleibung dieses Zubehör-Wohnungseigentums im Grundbuch zu erwirken, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle noch nicht bekannten und künftigen Schäden, die ihr aus der Verletzung der Verpflichtung der Beklagten zur Begründung von Zubehör-Wohnungseigentum entstünden.

Eine von der Klägerin beantragte Berichtigung gemäß § 136 Abs 1 GBG durch Einverleibung des Zubehör-Wohnungseigentums an den Gartenanteilen wurde rechtskräftig abgewiesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte unter anderem fest, dass die Gärten vor den Wohnungseigentumsobjekten der Klägerin jeweils mit einem 60 cm hohen Maschendrahtzaun eingezäunt seien und ausschließlich von deren Wohnungen aus betreten werden könnten. Im Grundbuch erliege kein Lageplan, aus dem die Position der Gärten ersichtlich und eine eindeutige Zuordnung zu den Wohnungen möglich wäre. Mit Schreiben vom 5. 11. 2014 habe die Beklagte die Gewährleistungsansprüche der Klägerin anerkannt und ausgeführt, dass sich in Anbetracht der WEG‑Novelle 2015 eine kostenintensive Sanierung bzw Klageführung erübrige.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Vertragsgrundlagen erlaubten nur den rechtlichen Schluss auf eine Eigentumszusage im Sinn der Einräumung von Zubehör-Wohnungseigentum an den Gartenflächen. Dem sei eine Umsetzung durch Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts aufgrund einer Benützungsvereinbarung nicht gleichwertig, sodass ein Rechtsmangel vorliege. Zwar könne Zubehör-Wohnungseigentum nur dann begründet werden, wenn Wohnungseigentumsobjekt und Zubehörobjekt baulich nicht verbunden seien, ein Hausgarten, der im Grundbuch nicht als Zubehör zu einem Wohnungseigentumsobjekt eingetragen sei, sei aber mangels eindeutiger baulicher Verbindung selbst dann kein unselbständiger Bestandteil eines Wohnungseigentumsobjekts, wenn er daran unmittelbar angrenze und eingezäunt sei. Soweit die Beklagte Rechtsmissbrauch geltend mache, fehle es an einem ausreichenden Vorbringen. Die gegen die Stattgebung des Feststellungsbegehrens ins Treffen geführten Argumente seien nicht stichhältig, weil ein Rechtsmangel vorliege und das Verschulden der Beklagten zu bejahen sei.

Rechtliche Beurteilung

I. Zu den außerordentlichen Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten:

1.1 Eine Leistung ist mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0018547). Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstands ist nicht abstrakt, sondern immer anhand des konkreten Vertrags zu beurteilen (RS0107680; RS0126729). Im Allgemeinen begründet die Beurteilung des Schuldinhalts eines konkreten Vertrags keine erhebliche Rechtsfrage. Ein unvertretbares Auslegungsergebnis (dazu RS0042936; vgl auch RS0042776 ua) des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags vom 21. 5. 2001 durch das Berufungsgericht kann die Beklagte nicht aufzeigen:

1.2 Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass auch unter dem WEG 1975 Hausgärten als Zubehör eines selbständigen Objekts den Gegenstand von Wohnungseigentum bilden konnten (RS0082963 [T1]). In dem vom Nebenintervenienten errichteten Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 21. 5. 2001 wird dazu deutlich zwischen den selbständigen Einheiten im Sinn des Wohnungseigentumsgesetzes, an welchen Wohnungseigentum begründet werden sollte, also Wohnungen und Lager, und dem Zubehör unterschieden, wobei festgehalten wird, dass – mit Ausnahme der Garagenstellplätze – das (übrige) Zubehör, insbesondere Terrassen, Gartenteile, Kellerabteile und Balkone, aus dem „Wohnnutzwertfestsetzungsgutachten“ ersichtlich sind. Für die im Erdgeschoß des Hauses gelegenen Eigentumsobjekte der Klägerin ist danach jeweils ein Gartenanteil mit der darauf entfallenden Fläche ausgewiesen und bei der Nutzwertberechnung mit dem im Vertrag dafür festgehaltenen Zuschlag von 10 % berücksichtigt.

1.3 Nach den Feststellungen hat die Beklagte in Reaktion auf den geltend gemachten Rechtsmangel der Klägerin, weil ihr in Bezug auf die Gartenflächen die vertraglich zugesagte Rechtsposition, nämlich Zubehör-Eigentum, nicht verschafft worden sei, Gewährleistungsansprüche der Klägerin anerkannt. Schon deshalb kann nicht nachvollzogen werden, warum sie nunmehr meint, eine „Eigentumszusage im Sinn der Einräumung von Zubehör-Wohnungseigentum“ sei nicht erfolgt. Darüber hinaus ist für die Auslegung eines Wohnungseigentumsvertrags der objektive Wortlaut ausschlaggebend (RS0117166). Danach ist es aber unbedenklich, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass Schuldinhalt der Vereinbarung die Verbindung der Gartenanteile mit den selbständigen Wohnungen der Klägerin im Sinn des § 1 Abs 2 WEG 1975 und nicht bloß die Zusicherung von deren Sondernutzung war, wie die Beklagte meint, und dabei offensichtlich auf ein ausschließliches Nutzungsrecht aufgrund einer Benützungsvereinbarung abzielt.

1.4 Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die Rechtsposition verschafft, die er ihm nach dem Vertrag verschaffen hätte müssen (5 Ob 26/17k mwN; P. Bydlinski in KBB5 § 933 ABGB Rz 3). Konstitutiv bei Neubegründung von Wohnungseigentum für den Erwerb von Wohnungseigentum auch an Akzessorien (dem Zubehör) war nach dem WEG 1975 die Einverleibung im Grundbuch (Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 § 3 Rz 36). Daher wurde bereits zum WEG 1975 judiziert, dass die sachenrechtliche Zuordnung eines Raums oder einer Fläche als Zubehör zu einem Wohnungseigentumsobjekt durch die Einverleibung des Wohnungseigentums und des Umfangs des Zubehörs im Grundbuch erfolgt (RS0111616). An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof ungeachtet der teilweise in der Lehre vorgetragenen Kritik festgehalten (ausführlich 4 Ob 108/12d). Für eine Erstreckung der Eintragung des Wohnungseigentums auf das Zubehörobjekt gemäß § 5 Abs 3 WEG 2002 idF der Wohnrechtsnovelle 2015 (BGBl I Nr 100/2014) fehlt es nach den Feststellungen an dessen eindeutiger Zuordnung zum Hauptobjekt durch eine deutliche Darstellung im Titel für die Wohnungseigentumsbegründung oder in der Urkunde für die Nutzwertermittlung oder -festsetzung (vgl dazu RS0130569 [T1]). Warum dessen ungeachtet der von der Klägerin behauptete Rechtsmangel nicht vorliegen soll, vermag der Nebenintervenient in seinem außerordentlichen Rechtsmittel durch seine Verweise auf die zu dieser Bestimmung ergangenen Entscheidungen des Fachsenats nicht schlüssig darzulegen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung zu 7 Ob 4/16p Bezug nimmt, übersieht sie, dass nach dem danach zu beurteilenden Sachverhalt ein Gewährleistungsverzicht vorlag, sodass die Frage, ob ein Rechtsmangel gegeben war, offenbleiben konnte.

2. Die Wohnungseigentumstauglichkeit von Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten erfordert die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten und ist im Übrigen nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (RS0111284). Der erkennende Senat hat daher bereits ausgesprochen, dass eine Einordnung von (nicht nach allen Seiten umbauten) Freiflächen als Bestandteil eines solchen Wohnungseigentumsobjekts nur erfolgen kann, wenn sich nach der Verkehrsauffassung an dessen baulicher Abgeschlossenheit nichts ändert. Teil des Wohnungseigentumsobjekts sind sie daher (nur) dann, wenn sie unmittelbar an das Wohnungseigentumsobjekt anschließen und aufgrund der baulichen Gegebenheiten als Bestandteil des Wohnungseigentumsobjekts klar erkennbar sind (RS0131435; vgl auch Kothbauer, Zubehörfähigkeit im Wohnungseigentum, immolex 2014, 200). Ausgehend davon ist es im Einzelfall (RS0111284 [T6]; vgl auch RS0082876 [T5]) nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf Vorjudikatur (4 Ob 150/11d; 5 Ob 54/12w) zum Ergebnis gelangte, dass die eingezäunten und von den jeweiligen Wohnungseigentumsobjekten begehbaren Gartenteile mangels baulicher Verbindung kein Bestandteil der jeweiligen Eigentumswohnungen sind. Soweit die Revisionswerber die Umzäunung für ihren Standpunkt ins Treffen führen, übersehen sie, dass eine solche (deutliche) Abgrenzung schon deshalb erforderlich ist, weil eine offene Gartengestaltung sämtlicher Hausgärten ohne jegliche sinnlich wahrnehmbare Abgrenzung der Definition des Zubehörwohnungseigentums widersprechen würde (5 Ob 84/18s). Die Zugänglichkeit der Gartenteile über die jeweiligen Wohnungseigentumsobjekte stand weder nach dem WEG 1975 der Einordnung als Zubehör-Wohnungseigentum entgegen, noch ist ein solcher Umstand – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – nach dem WEG 2002 für eine solche Qualifikation hinderlich.

II. Zu den weiteren Argumenten in der außerordentlichen Revision des Nebenintervenienten:

1. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachen (RS0123663) ist eine eindeutige Zuordnung der Gartenanteile zu den jeweiligen Wohnungseigentumsobjekten aus der Urkundensammlung (§ 5 GBG) nicht möglich. Damit geht die auf dem Gegenteil aufbauende Argumentation ins Leere. Warum vor der Wohnrechtsnovelle 2015 – entgegen dem bereits zu Punkt 1.4 dargestellten Meinungsstand – eine Einverleibung des Umfangs des Zubehörs im Grundbuch aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sein soll, versucht der Revisionswerber erst gar nicht zu belegen. Damit kann er ebenso wenig eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen wie mit seinen Ausführungen zur Widmung, weil es nicht um die obligatorisch verbindliche Zuordnung (Widmung), sondern um die sachenrechtliche Zuweisung geht.

2. Für den Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens (hier nach § 932 Abs 1 Satz 2 ABGB idF vor dem GewRÄG: Art IV BGBl I 2001/48) des Bestellers bzw Erwerbers sind die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1295 ff ABGB heranzuziehen; der Anspruch setzt daher ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten voraus (RS0022916 [T1]). Warum das Berufungsgericht die für das Feststellungsbegehren der Klägerin relevante Verschuldensfrage in unvertretbarer Weise falsch gelöst haben soll, kann dem Rechtsmittel des Nebenintervenienten nicht entnommen werden. Weist eine Sachlage typisch auf das Verschulden des Vertragspartners hin, so hat sich der Schuldner gemäß § 1298 ABGB zu entlasten (RS0022916 [T3]). Zudem bleibt seine Behauptung, dass das Berufungsgericht entgegen der in einer Grundbuchssache ergangenen Entscheidung zu 5 Ob 196/15g ein Verschulden bejaht haben soll, ebenso unbegründet, wie die mit dem Hinweis auf seine Treuhänderfunktion begründete Argumentation, § 1313a ABGB käme im Verhältnis zwischen ihm und der Beklagten nicht zum Tragen. Aus welchen Gründen die Wiedergabe von Ausführungen des Erstgerichts eine im Wege der außerordentlichen Revision aufzugreifende Fehlbeurteilung der Verschuldensfrage durch das Berufungsgericht aufzeigen soll, kann nicht nachvollzogen werden.

3. Eine Verurteilung zur Leistung setzt zwar eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance voraus, dass die Leistung (wenigstens) später erbracht werden kann. Daher kann der Gläubiger nicht auf dem Erfüllungsanspruch beharren, wenn nach der Beurteilung des Verkehrs praktisch mit Sicherheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) feststeht, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden können wird (RS0016423). Das Vorliegen eines darauf abzielenden schlüssigen Vorbringens im Verfahren erster Instanz hat das Berufungsgericht aber verneint und sich daher mit dem von der Beklagten behaupteten Rechtsmissbrauch nicht näher auseinandergesetzt. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 [T1]). Inwieweit dem Berufungsgericht bei der Beurteilung dieser Frage eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen sein soll (RS0042828 [T15]) und daher der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO vorliegt, kann der Revisionswerber mit dem unzutreffenden Hinweis, das Berufungsgericht habe den Rechtsmissbrauch unrichtig rechtlich beurteilt, nicht darlegen.

III. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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