European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00022.20F.0429.000
Spruch:
1. Der Antrag der klagenden Partei, das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des Verfahrens des Kartellgerichts zu AZ 27 Kt 1/20d zu unterbrechen, wird abgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.:
Die Klägerin legte mit ihrer außerordentlichen Revision einen mit 31. 1. 2020 datierten, an das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht gerichteten „Antrag auf Feststellung gemäß § 28 Abs 1 KartG“ vor und beantragte, das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des über den Antrag vor dem Kartellgericht zu AZ 27 Kt 1/20d geführten Verfahrens gemäß § 37i KartG zu unterbrechen.
Gemäß § 37i Abs 1 KartG 2005 kann ein Rechtsstreit über den Ersatz des Schadens aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung bis zur Erledigung des Verfahrens einer Wettbewerbsbehörde über die Wettbewerbsrechtsverletzung unterbrochen werden. Nach § 83 Abs 1 Z 1 KartG 2005 gilt bei Beurteilung eines Wettbewerbsverstoßes gemäß Art 101 AEUV – wie ihn hier die Klägerin der Beklagten zur Last legt und hierauf einen Schadenersatzanspruch gründet – das Kartellgericht als zuständige Wettbewerbsbehörde.
Eine Unterbrechung ist in Anlehnung an § 190 Abs 1 ZPO aber nur dann zulässig, wenn das präjudizielle Verfahren vor einer Wettbewerbsbehörde bereits anhängig ist (Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht3 [2017] 143; Gugerbauer, KartG und WettbG3 [2017]; § 37i KartG Rz 2), und zwar – nach den allgemeinen Regeln – zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz (vgl RS0036801 [T2]). Da dies hier nicht der Fall ist, war der Unterbrechungsantrag abzuweisen.
Zu 2.:
Die Klägerin begründet die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung, deren Uneinheitlichkeit oder dem Abweichen der angefochtenen Entscheidung von dieser, sondern mit einem Abweichen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien (4 R 300/10g), des Oberlandesgerichts Wien in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen (10 Ra 70/12f) und des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht (27 Kt 3/18w und 25 Kt 1/19p). Die demonstrative (Garber, Zum Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung – Ausgewählte Fragen und Entscheidungen, ÖBl 2018, 102 [103]) Aufzählung des § 502 Abs 1 ZPO stellt auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung ab (2 Ob 181/14b; 2 Ob 10/15g; vgl Neumayr in Höllwerth/Ziehensack, ZPO‑TaKom § 502 Rz 30 ff), sodass die Zulassungsbeschwerde insofern ihr Ziel verfehlt. Es kann nach der überwiegenden Rechtsprechung zwar auch eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung von Rechtsmittelgerichten oder verschiedenen Spruchkörpern eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, dies aber nur dann, wenn Leitlinien des Obersten Gerichtshofs keinen Beurteilungsspielraum eröffnen (Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 502 Rz 41 mwN). Auf diese Konstellation geht die Zulassungsbeschwerde nicht ein.
Die Klägerin releviert in der Zulassungsbeschwerde weiters ein Abweichen der angefochtenen Entscheidung von den Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01). Die Leitlinien geben die Haltung der Kommission wieder (Emmerich in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts [2019] § 2 Art 101 AEUV Rz 99), ihnen kommt aber keine Rechtsqualität zu (Schulte/Just in Schulte/Just, Kartellrecht2 [2016] Einleitung Rz 13 f; Wollmann in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV [2019] Art 101 AEUV Rz 120; Schumacher/Holzweber in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV [2019] Art 101 Rz 875). Dass Rechtsprechung des EuGH fehle oder sich das Berufungsgericht zu dieser in Widerspruch gesetzt habe (vgl Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 502 Rz 58 f mwH), wird zur Begründung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht ins Treffen geführt. Soweit die Klägerin in der Zulassungsbeschwerde einen Widerspruch des Berufungsurteils „zum Kartellgesetz bzw Art 101 AEUV“ behauptet, bleibt dies unsubstantiert.
Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (iVm § 2 Abs 1 ASGG) zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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