OGH 9ObA142/19a

OGH9ObA142/19a29.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Stefula als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 799,61 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Oktober 2019, GZ 6 Ra 62/19p‑13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Mai 2019, GZ 23 Cga 10/19s‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00142.19A.0429.000

 

Spruch:

Das Verfahren 9 ObA 142/19a wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 29. 4. 2020 zu 9 ObA 137/19s gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Das vorliegende Verfahren betrifft die Klage eines Arbeitnehmers, welcher unberechtigt vorzeitig aus dem Dienstverhältnis zur beklagten Arbeitgeberin austrat, auf Urlaubsersatzleistung für 6,77 im Zeitpunkt des Austritts zustehende, jedoch aufgrund des Austritts nicht verbrauchte Urlaubstage. Im Verfahren ist strittig, ob § 10 Abs 2 UrlG dem Anspruch entgegensteht (Standpunkt der Beklagten) oder ob diese Bestimmung aufgrund von Art 31 Abs 2 GRC und Art 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht anwendbar ist (Standpunkt des Klägers).

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die Revision mit der Begründung zu, der Rechtsfrage, inwieweit § 10 Abs 2 UrlG europarechtlichen Vorschriften entgegenstehe, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem auf Stattgebung der Klage gerichteten Abänderungsantrag.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 10 Abs 2 UrlG mit dem Unionsrecht einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

1. Beim Obersten Gerichtshof sind derzeit neben dem vorliegenden weitere Verfahren anhängig, in welchen unberechtigt ausgetretene Arbeitnehmer – so wie der Kläger – von ihren Arbeitgebern eine Urlaubsersatzleistung ungeachtet der Vorschrift des § 10 Abs 2 UrlG begehren, dies jeweils mit der Begründung, die nationale Bestimmung widerspreche dem Unionsrecht und habe daher unangewendet zu bleiben.

2. In einem dieser Verfahren (9 ObA 137/19s) hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 29. 4. 2020 den EuGH um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

„I.1. Ist mit Art 31 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) und Art 7 Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG eine nationale Vorschrift vereinbar, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende (letzte) Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig das Dienstverhältnis beendet ('Austritt')?

I.2. Wenn diese Frage verneint wird:

I.2.1. Ist dann zusätzlich zu prüfen, ob der Verbrauch des Urlaubs für den Arbeitnehmer unmöglich war?

I.2.2. Nach welchen Kriterien hat diese Prüfung zu erfolgen?“

Diese Fragestellung betrifft auch den Kernbereich des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Problems, nämlich ob bzw inwieweit § 10 Abs 2 UrlG unionsrechtswidrig ist. Da von der allgemeinen Wirkung von Vorabentscheidungen des EuGH auszugehen ist und diese auch auf andere Fälle als den unmittelbaren Ausgangsfall anzuwenden sind, ist das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen bis zum Vorliegen der Entscheidung des EuGH zu unterbrechen (vgl RS0110583).

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