OGH 1Ob59/20p

OGH1Ob59/20p28.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei T*****, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.511,70 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2020, GZ 2 R 8/20i‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 30. Oktober 2019, GZ 1 Cg 115/18d‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00059.20P.0428.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine dem Berufungsgericht behauptetermaßen unterlaufene Aktenwidrigkeit könnte nur für den Fall ihrer Erheblichkeit, also wenn sie geeignet wäre, die Entscheidungsgrundlage zu verändern, im Revisionsverfahren wahrgenommen werden (RIS‑Justiz RS0043347 [T9]; RS0042155 [T1]; RS0042762 [T7]). Dies ist hier nicht der Fall:

2. Im gesamten Verfahren erster Instanz war (auch nicht vom Verkäufer, dem Beklagten,) die „allseitige“ Bekanntheit des Einsatzzwecks des von der Klägerin gekauften Pferdes nicht in Frage gestellt worden. Schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist das Wissen (oder Nichtwissen) um eine massive Vorerkrankung (hier: am Fesselträger) ein für jeden Käufer eines Sportpferdes wesentlicher Umstand. Dies bedarf keiner ausdrücklichen Feststellung. Der Beklagte hat bereits in der Klagebeantwortung zugestanden, dass die „Sporttauglichkeit“ des Pferdes zugesicherte Eigenschaft gewesen war. Es steht fest, dass die Klägerin das Pferd im Wissen um die Vorerkrankung am Fesselträger (die eine hohe Rezidivrate aufweist) nicht gekauft hätte (vgl RS0087570 [T3, T4]). Das Erstgericht ging dazu – wenn auch disloziert im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung – davon aus, dass der Beklagte die Vorerkrankung des Pferdes bewusst verschwiegen hatte; diese Tatfrage (vgl RS0014776) ist damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist, entzogen (vgl RS0123663).

3. Bei seiner Kritik dazu, warum von einer Irreführung der Klägerin keine Rede sein könne, entfernt er sich mit der Argumentation zu seiner Gutgläubigkeit im Hinblick auf die angebliche (vollständige) Genesung des Pferdes vom festgestellten Sachverhalt. Überdies könnte selbst die irrtümliche Annahme einer vollständigen Genesung seine Pflicht, über die – ihm bekannte und hier bewusst verschwiegene – Vorerkrankung aufzuklären, nicht beseitigen. Es wurde auch nicht festgestellt, dass nach den „Ausführungen der Sachverständigen“ „das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung“ gewesen war, „dass das Pferd lahmte und nicht sportgesund war“. Festgestellt ist vielmehr, dass eine Sportuntauglichkeit des Pferdes „per se zum Ankaufszeitpunkt mit dem Wissen der [beim Ankaufstest eingesetzten] Tierärztin … und dem Ergebnis der deshalb erfolgten bloß eingeschränkten Untersuchung … nicht zweifelsfrei diagnostizierbar war, weshalb diese und die Klägerin von der mangelnden 'Sportgesundheit' des Pferdes zum Ankaufszeitpunkt nichts wussten“.

Wenn der Revisionswerber darüber hinaus argumentiert, eine Vertragsanfechtung wegen List scheitere auch an der (formularmäßig) in § 2 des Kaufvertrags („Gesundheitliche Beschaffenheit“) enthaltenen Klausel, nach der ein „mit dem Risiko der Erkrankung“ behafteter Gesundheitszustand vereinbart sei, wenn der Käufer keine (weitere) Untersuchung in Auftrag gibt, ist ihm entgegenzuhalten, dass völlig unklar bleibt, von welcher Erkrankung hier die Rede sein soll. Im Übrigen kann die Klausel unter redlichen Vertragspartnern auch nicht dahin verstanden werden, dass davon auch dem Verkäufer bekannte Vorerkrankungen umfasst sein sollen; umso weniger als die freie Rubrik in § 7 dafür zur Verfügung stand, bekannte (negative) Besonderheiten des verkauften Pferdes, worunter ausdrücklich auch „bekannte Vorerkrankungen“ fallen, zu vermerken, was der Beklagte aber unterlassen hat.

4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Beklagte wegen des bekannten Verwendungszwecks des Pferdes nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs verpflichtet gewesen wäre, über die Vorerkrankung aufzuklären (vgl RS0014811 [T5]), und der Klägerin der Beweis der Anfechtungsvoraussetzungen gemäß § 870 ABGB gelungen sei (vgl RS0014811 [T8]; RS0087570 [bes T1, T2]), weil er ihr die Vorerkrankung am Fesselträger bewusst verschwiegen hatte, erweist sich als unbedenklich, zumal die Aufhebung des Vertrags schon wegen der jedenfalls vorliegenden (sogar schuldhaften) Veranlassung des Irrtums der Klägerin gerechtfertigt ist.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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