European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128435
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Unstrittig ist:
I* ist Geschäftsführer der im Jahr 2014 gegründeten klagenden Immobilienmaklerin (GmbH) und Eigentümer (Verkäufer) der vermittelten Liegenschaft. 65 % der Geschäftsanteile der Klägerin gehören der I* GmbH, 25 % der U* GmbH und 10 % P*, der auch „Mitarbeiter“ der Klägerin ist. I* ist der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer der I*GmbH sowie alleiniger Geschäftsführer der U*GmbH, deren Alleingesellschafter C* ist.
Am 18. Juli 2018 besichtigte der Beklagte die Liegenschaft, deren Verkauf die Klägerin bewarb. Am 19. Juli 2018 unterfertigte der Beklagte ein Kaufanbot (Kaufpreis 1.250.000 EUR), das der Verkäufer am 20. Juli 2018 annahm. Danach verweigerte der Beklagte die Unterfertigung des „grundbuchsfähigen“ Kaufvertrags. Die Vermittlungstätigkeit für die Klägerin erbrachte deren Mitarbeiter P*.
Die Klägerin begehrt (nach Klagseinschränkung) vom Beklagten die – der Höhe nach unstrittige – Käuferprovision. Das von ihr vermittelte Geschäft sei kein Eigengeschäft im Sinn des § 6 Abs 4 MaklerG, weil kein beherrschender Einfluss der Maklerin auf den Verkäufer bestehe (sondern allenfalls umgekehrt); auf das wirtschaftliche Naheverhältnis zwischen Verkäufer und Klägerin sei der Beklagte ausreichend hingewiesen worden. Nach der Rechtsprechung reiche es nicht aus, dass eine Rechtsperson „hinter allem“ stehe; der Umstand, dass der Verkäufer an der Klägerin (als einer eigenen juristischen Person mit eigenem Geschäftszweig) beteiligt sei, habe keine Bedeutung für deren verdienstliche Vermittlungstätigkeit und den dadurch von ihr erworbenen Provisionsanspruch. Wirtschaftlich gesehen könne die Klägerin nicht als Partei des Kaufvertrags angesehen werden. Dass der Beklagte, der selbst Alleingeschäftsführer und Anteilseigner einer Immobiliengesellschaft sei, die Liegenschaft schließlich nicht erworben habe, sei allein auf von diesem selbst zu vertretende Gründe zurückzuführen.
Der Beklagte wendete ein, es liege ein „Eigengeschäft“ im Sinn des § 6 Abs 4 MaklerG vor, weshalb der Klägerin keine Vermittlungsprovision zustehe. Wegen der gesellschaftlichen Verflechtungen zwischen Klägerin und Verkäufer liege eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit hinsichtlich eines Eigengeschäfts vor. Außerdem sei er vom Kaufvertrag berechtigt zurückgetreten, weil ihm bei der Besichtigung der Liegenschaft mit dem Mitarbeiter der Klägerin die schwierige Zufahrtssituation über fremde Liegenschaften (ungewöhnliche Bedingungen in den Servitutsvereinbarungen) verschwiegen worden sei, obwohl er die von ihm geplante Nutzung offen gelegt habe. Schließlich wäre ein – entgegen der Rechtsansicht des Beklagten – allenfalls doch bestehender Provisionsanspruch auf null zu mäßigen, weil die Klägerin das Neutralitätsgebot missachtet und gegenüber dem Beklagten ausschließlich das Ziel verfolgt habe, die Interessen des Verkäufers zu fördern.
Das Erstgericht wies die Klage – ausgehend von den unstrittigen Beteiligungsverhältnissen an der Klägerin, ohne Beweisaufnahme – ab.
Es liege ein Eigengeschäft im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG vor, weil der Verkäufer als Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der 65%igen Gesellschafterin der Klägerin einen beherrschenden Einfluss auf die Klägerin habe, sodass von einer gleichgelagerten Interessenlage zwischen Makler und Verkäufer auszugehen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Da der Verkäufer einziger Geschäftsführer der Klägerin und einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter ihrer Mehrheitsgesellschafterin sei, entscheide allein er, mit wem er über den Verkauf seiner Liegenschaft verhandle. Für eine vom Willen des Verkäufers unabhängige, den Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer verdienstlich vermittelnde Tätigkeit der Klägerin sei hier kein Raum, sodass „bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ von einem Eigengeschäft des Mehrheitsgesellschafters der Klägerin im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG auszugehen sei.
Dagegen richtet sich die außerordentlicheRevision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Gemäß § 6 Abs 4 Satz 1 MaklerG steht dem Makler keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird (dann handelt es sich um ein sogenanntes Eigengeschäft ieS).
Auch wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt, besteht kein Provisionsanspruch des Maklers (§ 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG; Eigengeschäft iwS). Dadurch sollen Umgehungsversuche verhindert und wirtschaftliche Verflechtungen besser erfasst werden, wobei auf den wirtschaftlichen Zweck des jeweiligen Geschäfts für den Makler abzustellen ist (ErläutRV 2 BlgNr 20. GP 20). Der in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich betonte tragende Gedanke für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs des Maklers nach § 6 Abs 4 Satz 1 und 2 MaklerG ist, dass es beim Eigengeschäft an einer verdienstlichen, den Vertragsschluss fördernden Vermittlungstätigkeit des Maklers fehlen muss (RS0117826; Gartner/Karandi, MaklerG3 § 6 Rz 35 mwN; Noss, Maklerrecht4 Rz 81), weil in diesen Fällen der Makler selbst (tatsächlich oder wirtschaftlich betrachtet) zum Vertragspartner wird und daher „in eigener Sache“ verhandelt, nicht aber einen Vertragsabschluss vermittelt.
Bei einem sonstigen familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnis zwischen dem Makler und dem vermittelten Dritten, das die Wahrung der Interessen des Auftraggebers beeinträchtigen könnte, muss der Makler auf dieses Naheverhältnis unverzüglich hinweisen, um seinen Provisionsanspruch nicht zu verlieren (§ 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG).
2. In der jüngeren Rechtsprechung zum Eigengeschäft im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG wurde bereits klargestellt, dass zu prüfen ist, ob dem wirtschaftlichen Zweck nach das vermittelte Geschäft ein Eigengeschäft des Maklers dargestellt, er also unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vertragspartner ist; dabei kommt es auf die Interessenlage an (7 Ob 127/03g). Mangels gesetzlicher Festlegung einer starren Grenze der Beteiligungsverhältnisse für die Annahme bzw den Ausschluss eines wirtschaftlichen Eigengeschäfts kommt es auf das jeweilige Gewicht der Interessen des Maklers und deren Durchsetzungsmöglichkeiten an, sodass jeweils eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist (RS0114078). Neben allfälligen – hier nicht behaupteten – Umgehungsgeschäften liegt also ein wirtschaftliches Eigengeschäft vor, wenn bei gesellschaftsrechtlicher Verflechtung ein beherrschender Einfluss des Maklers auf die (Vermieter- oder) Verkäufergesellschaft besteht (7 Ob 127/03g; 4 Ob 224/10k = immolex 2011, 215/69 [krit Böhm] = GesRZ 2011, 316 [krit Noss]; RS0117826).
3.1 Im vorliegenden Fall hat die klagende Makler-GmbH auf den Verkäufer als natürliche Person keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss, vielmehr ist der Verkäufer Geschäftsführer der Maklerin und (über eine weitere Gesellschaft) an ihr beteiligt. Auf eine allenfalls damit verbundene Beherrschung der klagenden GmbH durch den Verkäufer kommt es jedoch nicht an, sondern auf die Interessen der Maklerin am Liegenschaftsverkauf.
Die Maklerin selbst hat aber hier – anders als im umgekehrten Fall (zB der Makler ist beherrschender Gesellschafter der verkaufenden GmbH), in dem der Makler beim Verkauf der Liegenschaft mittelbar vom erzielten Kaufpreis profitiert – gar kein wirtschaftliches Interesse am Verkauf der Liegenschaft, weil ihr der Erlös auch nicht mittelbar zugute kommt, sondern zur Gänze an den Verkäufer als natürliche Person geht. Der Umstand, dass dieser gleichzeitig Gesellschafter der Makler-GmbH ist, rechtfertigt die Annahme eines relevanten wirtschaftlichen Interesses der Klägerin am Verkauf der Liegenschaft nicht, weil ein Anteil des Verkäufers von (nur) 65 % zu gering ist, um ihn mit der Makler-GmbH wirtschaftlich gleichzusetzen. Soweit der Beklagte dem Verkäufer einen faktischen Gesellschaftsanteil von 90 % unterstellt, also offenkundig den 25%igen Anteil des C* wegen (in erster Instanz behaupteter) naher Verwandtschaft dazuzählt, fehlt dafür jede nachvollziehbare Grundlage sowohl in rechtlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Die vorliegende Interessenlage schließt es daher bei der gegebenen Konstellation aus, die Klägerin wirtschaftlich als Partei des Kaufvertrags zu sehen, weshalb nicht nur formal vom Vorliegen eines Dreipersonenverhältnisses auszugehen ist, das Voraussetzung eines Anspruchs auf Maklerprovision ist (7 Ob 127/03g).
3.2 Ihr davon zu trennendes wirtschaftliches Interesse am Abschluss von Maklerverträgen zwecks Erzielung von Maklerprovision beim Verkauf der Liegenschaft als selbständige Immobilienmakler-GmbH ist schon angesichts der nicht zu vernachlässigenden Beteiligung der beiden (selbständig zu beurteilenden, nicht dem Verkäufer zuzurechnenden) Minderheitsgesellschafter im Gesamtausmaß von 35 % legitim, weil Beteiligungen in diesem Ausmaß wegen ihrer Partizipation am Erfolg der GmbH und damit an der Maklerprovision eine bloße Scheinvermittlungstätigkeit mit dem alleinigen Zweck, dem Verkäufer einen zusätzlichen Provisionsgewinn zu verschaffen (vgl dazu Böhm in immolex 2011, 218 [EntschAnm]), ausschließen.
4.1 Die Klägerin hat aber auch die Liegenschaft „beworben“, das Objekt mit dem Beklagten (laut seinem eigenen Vorbringen) besichtigt, diesem (nach Ansicht des Beklagten unzureichende) Informationen über den Kaufgegenstand gegeben und den Verkäufer namhaft gemacht, dem vom Beklagten ein Kaufanbot gestellt wurde. Es kann daher nicht davon die Rede sein, dass die klagende GmbH keinerlei Vermittlungstätigkeit entfaltet hätte oder wegen ihres wirtschaftlichen Naheverhältnisses zum Verkäufer kein Raum dafür verblieben wäre.
4.2 Die Argumentation des Berufungsgerichts, für eine vom Willen des Verkäufers unabhängige, den Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer verdienstlich vermittelnde Tätigkeit der Klägerin sei wegen der Personenidentität auf Makler- und Verkäuferseite kein Raum geblieben, geht offensichtlich von der Tätigkeit eines Maklers als Geschäftsvermittler aus. Im Allgemeinen gehört es nämlich zur Vermittlung, dass der Vermittler auf den Entschluss des Gegners mindesten einwirkt, dass er ihm das Vertragsanbot schmackhaft zu machen sucht, indem er fördernde Vorstellungen erweckt und bekräftigt und hemmende beseitigt oder entkräftet. Diese Tätigkeit ist es, die den Vermittler vom bloßen Boten unterscheidet (RS0062825). Der Makler hat die Verhandlungen nicht nur einzuleiten, sondern auch zu fördern (vgl RS0062874). Allerdings gilt für den Geschäftszweig der Realitätenvermittler die bloße Nachweisung der Kaufgelegenheit auch ohne besondere Zuführung oder Vermittlungstätigkeit als genügend, um einen Provisionsanspruch zu begründen (§ 6 Abs 2 MaklerG; RS0062723).
Wenn der gewerbliche Immobilienmakler – wie hier die Klägerin – einen Provisionsanspruch ohne die dargestellte Vermittlungstätigkeit im weiteren Sinn gegenüber dem Beklagten bloß durch Namhaftmachen des Verkäufers im Rahmen des zwischen ihnen zustande gekommenen Maklervertrags begründen konnte, wäre es unzulässig, ihr diesen mit der Begründung abzusprechen, sie habe eine – von ihr gar nicht geforderte – Vermittlungstätigkeit nicht erbracht oder gar nicht erbringen können. Die Argumentation des Berufungsgerichts vermag daher die Verneinung eines Provisionsanspruchs der Klägerin nicht zu begründen. Angesichts der dargestellten Interessenlage und des deshalb real gegebenen Dreipersonenverhältnisses wird die Namhaftmachung des Verkäufers einem Dritten gegenüber nämlich weder durch das wirtschaftliche Naheverhältnis der Klägerin zum Verkäufer noch durch eine (hier gar nicht behauptete) Vertretung der rechtlich selbständigen Makler-GmbH durch den Verkäufer als deren Geschäftsführer unmöglich gemacht. Konkret waren ohnehin drei unterschiedliche natürliche Personen an der Vermittlung beteiligt, und zwar der Mitarbeiter der Klägerin, der Beklagte und der Verkäufer.
5. Ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen Verkäufer und Maklerin im Sinn des § 6 Abs 4 Satz 3 MaklerG ist unstrittig; ob und inwieweit der Beklagte vor Vertragsabschluss darüber entsprechend informiert wurde, haben die Vorinstanzen bisher nicht geprüft. Auch zu den weiteren (von der Klägerin bestrittenen) Einwänden des Beklagten gegen den Provisionsanspruch wurden noch keine Beweise aufgenommen und Feststellungen getroffen, weshalb die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zwecks Verfahrensergänzung unvermeidlich ist.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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