European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00192.19T.0330.000
Spruch:
I. Das Revisionsverfahren zu 4 Ob 192/19t wird bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs vom 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x unterbrochen.
Das Revisionsverfahren wird nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt.
II. Der Schriftsatz der klagenden Partei vom 25. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 8. Jänner 2015 von der Erstbeklagten einen PKW der Marke VW Sharan Comfortline BMT TDI zu einem Preis von 19.950 EUR brutto. Das Fahrzeug wird mit einem 2,0 Liter Dieselmotor des Typs EA189 mit 103 kW/140 PS betrieben. Die Zweitbeklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 12.867,65 EUR sA Zug um Zug gegen die Rückstellung des Fahrzeugs; hilfsweise machte er eine Preisminderung in Höhe von 6.000 EUR geltend und stellte ein Feststellungsbegehren. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2015 sei er davon in Kenntnis gesetzt worden, dass der in seinem Fahrzeug verbaute Dieselmotor vom Abgasmanipulationsskandal betroffen sei. Er habe darauf vertraut, ein manipulationsfreies, den gesetzlichen Bestimmungen und dem Stand der Technik entsprechendes Fahrzeug zu kaufen. Das durchgeführte Software-Update sei zur Verbesserung ungeeignet gewesen, weil die Abgasrückführung lediglich innerhalb eines Thermofensters funktioniere. Er sei daher berechtigt, die Wandlung des Kaufvertrags zu begehren.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der listig Irregeführte müsse nach § 870 ABGB unter anderem beweisen, dass der Irrtum für den Vertragsabschluss kausal gewesen sei; dies gelte auch für die Unwesentlichkeit des Irrtums. Dieser Beweis sei dem Kläger nicht gelungen. Auch ein Gewährleistungsanspruch bestehe nicht, weil die EU‑Typengenehmigung vom zuständigen Kraftfahrbundesamt nicht widerrufen worden sei. Die Abgaswerte der einschlägigen EU‑Verordnungen müssten nur unter den normierten Prüfbedingungen und nicht auch im Realbetrieb eingehalten werden. Die „Schummelsoftware“ sei zwar als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren. Dieser Mangel sei durch das Software-Update allerdings behoben worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Dazu ist die ausstehende Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) abzuwarten. Das Verfahren ist daher zu unterbrechen.
Zu I.:
1. Im Anlassfall stellt sich die Frage, ob die im Dieselfahrzeug des Klägers eingebaute Abschalteinrichtung eine verbotene Einrichtung nach Art 5 Abs 2 der Verordnung 715/2007/EG ist, bejahendenfalls ob diese Qualifikation auch nach Durchführung des Software-Updates (mit Wirkung nur innerhalb eines bestimmten Thermofensters) besteht und das Vorhandensein einer verbotenen Einrichtung eine Vertragswidrigkeit begründet.
Mit diesen Fragen, die den sogenannten „V*****‑Abgasskandal“ betreffen, wurde der EuGH bereits befasst, so etwa in der Rechtssache zu C‑693/18 im Rahmen einer französischen Vorlage oder zu C‑685/19 über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Frankenthal.
2. Auch der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x ein Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Ist Art 2 Abs 2 lit d der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl L 171/12 vom 7. 7. 1999) dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007) fällt, jene Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO (EG) 715/2007 ausgestattet ist, die Fahrzeugtype aber dennoch über eine aufrechte EG‑Typengenehmigung verfügt, sodass das Fahrzeug im Straßenverkehr verwendet werden kann?
2. Ist Art 5 Abs 2 lit a der Verordnung (EG) 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 dieser Verordnung, die derart konstruiert ist, dass die Abgasrückführung außerhalb vom Prüfbetrieb unter Laborbedingungen im realen Fahrbetrieb nur dann voll zum Einsatz kommt, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen, nach Art 5 Abs 2 lit a dieser Verordnung zulässig sein kann, oder scheidet die Anwendung der genannten Ausnahmebestimmung schon wegen der Einschränkung der vollen Wirksamkeit der Abgasrückführung auf Bedingungen, die in Teilen der Europäischen Union nur in etwa der Hälfte des Jahres vorliegen, von vornherein aus?
3. Ist Art 3 Abs 6 der Richtlinie 1999/44/EG dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die in der Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer nach Art 3 Z 10 in Verbindung mit Art 5 Abs 2 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung liegt, dann als geringfügig im Sinn der genannten Bestimmung zu qualifizieren ist, wenn der Übernehmer das Fahrzeug in Kenntnis ihres Vorhandenseins und ihrer Wirkungsweise dennoch erworben hätte?“
3. Das vorliegende Verfahren betrifft einen vergleichbaren Sachverhalt, weshalb sich auch hier die an den EuGH herangetragenen unionsrechtlichen Fragen stellen.
Da der Oberste Gerichtshof von der allgemeinen Wirkung von Vorabentscheidungen des EuGH auszugehen und diese auch auf andere Fälle als den unmittelbaren Ausgangsfall anzuwenden hat, war das hier vorliegende Revisionsverfahren aus prozessökonomischen Gründen bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH zu unterbrechen (RS0110583).
Zu II.:
Der Schriftsatz des Klägers vom 25. Februar 2020 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und war daher zurückzuweisen (vgl RS0041666).
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