European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00010.20H.0227.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger erwarb Staatsanleihen der Hellenischen Republik im Nominale von 61.000 EUR. Er begehrte nach Verkauf der Anleihen Schadenersatz mit der Begründung, der beklagte Staat habe eine eigenmächtige Zwangskonvertierung der Staatsanleihen durchgeführt und damit den in den ursprünglichen Staatsanleihen wurzelnden Anspruch rechtswidriger Weise nicht erfüllt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die inländische Gerichtsbarkeit ist für die Klage gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen Hoheitsakt dieses Staats bezieht (RIS-Justiz RS0032107).
1.2 Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Fahnenbrock (C-226/13 ; EU:C:2015:383) vertrat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit griechischen Staatsanleihen zunächst die Ansicht, dass die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse (nur) dann vorliegt, wenn die (ursprünglichen) finanziellen Bedingungen der betreffenden Wertpapiere einseitig und nicht auf der Grundlage der Marktbedingungen, die den Handel und die Rendite dieser Finanzinstrumente regeln, vom Staat festgelegt wurden (vgl 6 Ob 164/18p, Pkt 3.2). Auch nach der Entscheidung 4 Ob 227/13f besteht eine Immunität Griechenlands hinsichtlich Schadenersatzansprüchen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht. Im Übrigen ging der Oberste Gerichtshof aber davon aus, dass der Staat keine Immunität genießt, wenn er als Anleiheschuldner auf Erfüllung der Emissionsbedingungen bzw Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung geklagt wird (vgl RS0129482).
1.3 Demgegenüber vertrat der EuGH in seiner– ebenfalls griechische Staatsanleihen betreffenden – Entscheidung in der Rechtssache Kuhn vom 15. 11. 2018 (C‑308/17; EU:C:2018:911) zu einem – wie hier – auf die ursprünglichen Anleihebedingungen gestützten Klagebegehren (im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der EuGVVO) die Auffassung, dass ein solcher Rechtsstreit aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung hoheitlicher Rechte resultiere. Er begründete dies mit den außergewöhnlichen Umständen (schwere Finanzkrise), unter denen die gesetzliche „Zwangskonvertierung“ erfolgt sei, sowie dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen. Aufgrund dieser Entscheidung (sowie unter Hinweis auf BGH VI ZR 516/14) änderte auch der Oberste Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung und geht nunmehr auch dann, wenn die Klage – wie im vorliegenden Fall – auf Erfüllung der Emissionsbedingungen bzw auf Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung gestützt wird, davon aus, dass sich der Anspruch auf einen Hoheitsakt des beklagten Staats bezieht, sodass die inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliegt (10 Ob 103/18x; 10 Ob 104/18v; 1 Ob 139/19a).
2. Mit dieser jüngeren Rechtsprechung steht die – über Einrede der Beklagten erfolgte – übereinstimmende Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit (wegen Immunität des beklagten Staates) durch die Vorinstanzen in Einklang.
3. Daran vermag der Kläger auch mit der Behauptung keine Bedenken zu wecken, die Anleihen würden gar nicht – wie ursprünglich vorgebracht – griechischem, sondern vielmehr englischem Recht unterliegen, der Haircut sei somit mangels Anwendbarkeit des griechischen Gesetzes 4050/2012 rechtsgrundlos erfolgt:
Der Kläger selbst geht davon aus, dass der beklagte Staat durch nachträgliche Implementierung von Collective Action Clauses (CAC) in das Anleiheschuldverhältnis eingegriffen und den Schuldenschnitt umgesetzt hat („Zwangskonvertierung“). Damit resultiert der Anspruch – entsprechend dem vom EuGH angelegten Beurteilungsmaßstab – nach dem Klagsvorbringen aber jedenfalls aus einem Akt „iure imperii“, mag es diesem Eingriff auch, wie der Kläger nunmehr meint, an einer Rechtsgrundlage in Form des Gesetzes 4050/2012 fehlen. Wenn die Staatsanleihen daher nach englischem Recht begeben worden wären, wovon der Kläger ausgeht, könnte er zwar möglicherweise Schadenersatzansprüche geltend machen, es wäre jedoch in einem Rechtsstreit zu entscheiden, der „auf eine Wahrnehmung hoheitlicher Rechte zurückgeht und aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung dieser hoheitlichen Rechte resultiert“ (vgl 6 Ob 174/19k).
Die Frage nach dem „Wertpapiersachstatut“ (also nach dem auf das Wertpapier selbst, dh als Sache, anwendbaren Recht) stellt sich nicht, zumal auch dieses Vorbringen nur auf einen unrechtmäßigen staatlichen Eingriff in die Rechtsposition des Klägers hinausläuft. Die geltend gemachte (sekundäre) Mangelhaftigkeit liegt damit nicht vor.
4. Letztlich ist auch die (wenngleich nicht mehr entscheidungsrelevante) Ansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass es hier an der internationalen Zuständigkeit fehlt, weil der zu beurteilende Rechtsstreit nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinn des Art 1 Abs 1 EuGVVO fällt.
5. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.
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