OGH 1Ob26/20k

OGH1Ob26/20k26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch die Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG, Graz, gegen die beklagte Partei D* I*, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Wansch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 13. November 2019, GZ 39 R 228/19x‑70, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 30. April 2019, GZ 4 C 277/16f‑64, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127975

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Vertragsaufhebungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs vom Mietgegenstand nach § 1118 erster Fall ABGB und des gleichlautenden Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS‑Justiz RS0067832; RS0020940 [T6]; RS0068076 ua) oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter gefährdet werden (RS0020940 [T11]; RS0021031 ua).

1.2 Diese Bestimmungen sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RS0020867). Ein Verschulden des Mieters ist nicht erforderlich; es genügt, dass er sich des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist (RS0067957 [T5]; RS0020867).

2. Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch anzunehmen ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0021018; RS0068103 ua). Deren Würdigung durch die Vorinstanzen begründen damit regelmäßig keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO (RS0068103 [T3]).

3.1 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die vom beklagten Mieter entgegen seinen mietvertraglichen Verpflichtungen ohne Genehmigung des Eigentümers vorgenommenen umfangreichen Baumaßnahmen am Bestandobjekt wichtige Interessen der Vermieterin gefährden, bewegt sich entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers innerhalb der von der Judikatur gezogenen Grenzen. Fest steht nämlich, dass der Abbruch der für die horizontale Tragfähigkeit des Gebäudes unbedingt erforderlichen 15 cm starken Ziegelmauer zum Badezimmer über eine Länge von 150 cm und von Teilen der Mauer zwischen Küche und Schlafzimmer sowie zwischen diesem und dem Vorraum aus statischer Sicht für die Ableitung von Horizontallasten eine Verschlechterung gegenüber dem ursprünglichen Bauwerkszustand darstellt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die darin eine erhebliche Verletzung der Substanz des Hauses erkannten, ist damit unbedenklich. In der Entscheidung zu 1 Ob 100/18i, auf die sich der Revisionswerber beruft, waren sach- und fachgerecht ausgeführte Verbesserungsarbeiten und „Verschönerungen“ zu beurteilen, die zu keiner wesentlichen Veränderung des Mietgegenstands geführt hatten. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, nach dem die Arbeiten vom beklagten Mieter ohne baubehördliche Bewilligung und ohne Beiziehung eines Statikers oder Architekten in Eigenregie durchgeführt wurden, nicht vergleichbar.

3.2 Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei einem derart massiven Abbruch von Zwischenwänden, wie ihn der Beklagte vorgenommen hat, auch einem Laien leicht erkennbar sein musste, dass damit eine Verschlechterung der Statik und damit eine nicht unerhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands einhergehen kann, begegnet keinen Bedenken. Warum es ein Abgehen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darstellen soll, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch auf die langjährige Tätigkeit des Beklagten in einem Baunebengewerbe hingewiesen hat, kann damit ebenso wenig nachvollzogen werden, wie sein Zweifel, dass das Berufungsgericht auf den für die Prüfung, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund verwirklicht war, maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung abstellte. Nachträgliche Änderungen am Mietgegenstand waren demgegenüber kein Thema des Verfahrens. Die Beurteilung, dass er nach der Aufkündigung kein Verhalten setzte, dass bei einer im Einzelfall allenfalls gebotenen Gesamtwürdigung zu seinen Gunsten mitberücksichtigt werden hätte können (dazu RS0070378), zieht der Beklagte zu Recht ohnedies nicht in Zweifel.

3.3 Bauordnungswidrige Einrichtungen oder Unterlassungen können eine erhebliche Verletzung der Interessen des Bestandgebers darstellen (7 Ob 321/99b mwN; 7 Ob 174/08a). Hier steht ausdrücklich fest, dass die vom Beklagten vorgenommenen Abbrucharbeiten zu einer Schwächung der Gebäudestruktur und damit Verschlechterung des ursprünglichen Bauwerkszustands führten. Soweit der Beklagte in Ausführung seiner Revision meint, das „Gericht hätte zu der Feststellung bzw Beurteilung kommen müssen, dass nicht festgestellt werden kann, dass [eine] erhebliche Substanzverschlechterung in statischer oder sonstiger Hinsicht durch die baulichen Maßnahmen des Beklagten in seinem Bestandobjekt bewirkt wurden“, macht er nicht das Fehlen von rechtlich relevanten Feststellungen geltend, sondern bekämpft in Wahrheit den von den Tatsacheninstanzen als erwiesen angenommenen Sachverhalt. Die Beweiswürdigung und damit die Tatsachenfeststellungen können vom Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (vgl RS0123663), aber nicht überprüft werden.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte