European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127848
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Beklagte war zu 99 % Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden „GmbH“). Einen Geschäftsanteil von einem Prozent hielt ein Treuhänder des Beklagten. Die GmbH war Eigentümerin einer Liegenschaft, der Beklagte ist Eigentümer der Nachbarliegenschaft.
Der Beklagte ließ auf seine Kosten auf der Liegenschaft der GmbH eine Tiefgarage mit 15 Stellplätzen errichten. 2005 wurden alle Geschäftsanteile an der GmbH an einen Dritten (in der Folge „Käufer“) veräußert. Im Zuge dieser Veräußerung vereinbarte der Beklagte mit der durch den Käufer als Geschäftsführer vertretenen GmbH, dass diese auf ihrer Liegenschaft dem Beklagten und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum der Nachbarliegenschaft unentgeltlich die Dienstbarkeiten der Benützung der unterirdischen Tiefgaragenplätze sowie des Gehens und Fahrens (zu den Stellplätzen) einräume. Diese Dienstbarkeiten wurden im C-Blatt der Liegenschaft der GmbH verbüchert.
In dem über die Liegenschaft der GmbH in der Folge durchgeführten Zwangsversteigerungsverfahren erhielt der Kläger im Jahr 2017 den Zuschlag und wurde als Alleineigentümer im Grundbuch einverleibt.
Die GmbH wurde 2018 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, der Beklagte sei als Eigentümer der Nachbarliegenschaft schuldig, in die Löschung der Dienstbarkeiten bei der Liegenschaft des Klägers einzuwilligen, und habe die weitere Benützung der Tiefgarage sowie der Wege dorthin zu unterlassen und die Liegenschaft des Klägers von allen Fahrnissen zu räumen. Er brachte vor, der Dienstbarkeitsbestellungsvertrag habe gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung statt, die Einräumung der Dienstbarkeiten zu Lasten der GmbH ohne (gleichwertige) Gegenleistung habe gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen und sei daher nichtig.
Die außerordentlichen Revisionen des Beklagten und des Nebenintervenienten zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach der schon von den Vorinstanzen zitierten ständigen Rechtsprechung zieht ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 82 GmbHG absolute Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich (RS0117033 [T2]; RS0105535; zuletzt etwa 6 Ob 14/14y; 6 Ob 232/16k; 6 Ob 195/18x; 8 ObA 18/19h). Auf die absolute Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB kann sich jedermann berufen, ohne dass es einer besonderen Anfechtung bedürfte (RS0016432). Auch die Nichtigkeit eines Geschäfts wegen Verstoßes gegen § 82 GmbHG ist von Amts wegen wahrzunehmen (RS0117033 [T2]), zumindest dann, wenn Anzeichen bestehen, dass von der Gesellschaft erbrachte Leistungen für den Gesellschafter nicht Gewinnverwendung sind und ihnen auch keine gleichwertige Gegenleistung des Gesellschafters gegenübersteht (RS0117033). Das Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst auch ehemalige Gesellschafter, sofern die Leistung im Hinblick auf die ehemalige Gesellschafterstellung erbracht wird (RS0105518 [T7]; RS0105532 [T7]; RS0105536 [T8]).
2. Die Revisionswerber wenden sich in ihren Rechtsmitteln nicht mehr gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Bestellung der Servituten dem Verbot der Einlagenrückgewähr widersprochen habe. Dies ist daher nicht mehr zu prüfen.
3. Beide Revisionswerber meinen sinngemäß, der Kläger stehe als „unbeteiligter Dritter“ dem hier zu beurteilenden Verstoß gegen § 82 GmbHG nicht nahe genug, sodass die allgemeine Regel, wonach sich jedermann auf die absolute Nichtigkeit eines Vertrags berufen könne, teleologisch zu reduzieren und im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei. Der Kläger sei daher nicht berechtigt, die Nichtigkeit geltend zu machen.
Dem ist Folgendes zu erwidern: Wenn nach der zitierten Rechtsprechung Verstöße gegen § 82 GmbHG bei entsprechenden – hier gegebenen – Anzeichen sogar von Amts wegen aufzugreifen sind, kann es niemandem verwehrt sein, sich auf solche amtswegig wahrzunehmenden Umstände zu stützen. Auf eine wie immer geartete „Nähe“ des Klägers zum Verbotsverstoß kann es somit nicht ankommen. Die Argumente der Revisionswerber bieten somit keinen Anlass, das jedermann zustehende Recht, sich auf die absolute Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zu berufen, in irgendeiner Weise einzuschränken.
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