OGH 5Ob11/20h

OGH5Ob11/20h20.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Verlassenschaft nach der am * verstorbenen M*, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Ö* AG, *, vertreten durch die Rechtsanwalt Weissborn & Wojnar Kommanditpartnerschaft in Wien, und der Einschreiterin A* OG, *, vertreten durch MMag. Ewald Lichtenberger und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 12a Abs 8 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Juni 2019, GZ 39 R 125/19z‑87, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127712

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Soweit der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses der Antragstellerin gerichtet ist, wird er mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Soweit der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses der Einschreiterin gegen den zweiten Punkt und die Bestätigung des ersten Punktes des erstgerichtlichen Beschlusses gerichtet ist, wird er als unzulässig zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die im Jahr 2005 verstorbene Pharmazeutin betrieb als Hauptmieterin von Geschäftsräumlichkeiten in Wien eine Apotheke. Die Antragsgegnerin ist die Vermieterin. Gegenstand des Verfahrens vor dem Erstgericht ist der von der Verlassenschaft der Mieterin gestellte Antrag auf Festsetzung des zulässigen Hauptmietzinses gemäß § 12a Abs 8 MRG wegen des beabsichtigten Verkaufs der Apotheke. Während des Verfahrens veräußerte die Antragstellerin das Unternehmen an die Einschreiterin, die es in den Geschäftsräumlichkeiten weiter betreibt und unter Hinweis darauf ihre Beiziehung zum Verfahren beantragte.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab (Punkt 1 seines Beschlusses) und trug den Streitteilen auf, wegen Spruchreife binnen 14 Tagen ihre Kostennoten zu legen (Punkt 2 des Beschlusses).

Das Rekursgericht wies den gegen den zweiten Spruchpunkt von der Antragstellerin und der Einschreiterin erhobenen Rekurs mit der Begründung als unzulässig zurück, es handle sich dabei um einen bloß verfahrensleitenden Beschluss. Den Rekurs der Antragstellerin gegen den ersten Spruchpunkt wies es mangels Beschwer der Antragstellerin zurück. Mit der Abweisung des Antrags der Einschreiterin auf Eintritt in das Verfahren werde in ihren Anspruch auf Feststellung gemäß § 12a Abs 8 MRG nicht eingegriffen. Den Rekurs der Einschreiterin gegen diesen Spruchpunkt erachtete es für zulässig, gab ihm aber nicht Folge. Antragsteller nach § 12a Abs 8 MRG könne nach dem Gesetzeswortlaut nur der Hauptmieter der Geschäftsräumlichkeit vor Durchführung der Unternehmensveräußerung sein, während die Angemessenheit des vom Vermieter nach § 12a Abs 2 MRG begehrten Hauptmietzinses in einem Verfahren zwischen dem neuen Mieter und dem Vermieter zu prüfen sei. Durch die Unternehmensveräußerung werde einem auf § 12a Abs 8 MRG gestützten Antrag der Boden entzogen. Eine Zustimmung der Antragsgegnerin zum Parteiwechsel auf Seiten der Antragstellerin, die nach der Entscheidung 5 Ob 138/92 die Möglichkeit der Umdeutung des Begehrens nach § 12a Abs 8 in ein solches zwischen Mieter und Vermieter nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 2 MRG ermögliche, liege hier nicht vor. Eine Umdeutung verbiete sich auch, weil vor dem Verfahren bei Gericht die Schlichtungsstelle mit der Sache befasst werden müsse, was hier nicht geschehen sei. Ein Antrag nach § 12a Abs 8 MRG und ein solcher nach § 12a Abs 2 und 5 MRG seien nicht ident.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige, ließ den Revisionsrekurs aber nicht zu, weil es sich auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen habe können.

Diesen Beschluss bekämpft (nur) die Antragstellerin seinem gesamten Inhalt nach mit ihrem als außerordentlichen Revisionsrekurs zu wertenden Rechtsmittel, das einerseits keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, andererseits unzulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionsrekurswerberin meint, mit einem Antrag an das Rekursgericht die Korrektur des Zulassungsausspruchs durch eine Zulassungsvorstellung erwirken zu können, übersieht jedoch dabei, dass dies im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zufolge der Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 63 Abs 1 AußStrG nur dann zulässig wäre, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht 10.000 EUR übersteigt. Das ist zufolge des den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts hier aber nicht der Fall. Die Ausführungen zur „Zulassungsvorstellung“ sind als solche zur Begründung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG und damit Bestandteil des außerordentlichen Revisionsrekurses zu werten (RIS‑Justiz RS0110049 [T13]; 5 Ob 263/07y).

2. Dass der Auftrag an die Verfahrensparteien, wegen Spruchreife binnen 14 Tagen Kostennoten zu legen, ein verfahrensleitender Beschluss iSd § 45 Satz 2 AußStrG ist, der – soweit nicht dessen selbständige Anfechtung angeordnet ist – nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar ist, zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Ausführungen dazu, aus welchen – erhebliche Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufwerfenden – Gründen entgegen der Auffassung des Rekursgerichts der Rekurs der Antragstellerin (und der Einschreiterin) dagegen inhaltlich behandelt hätten werden sollen, finden sich weder im Zulassungsantrag noch im Revisionsrekurs selbst. Darauf ist schon aus diesem Grund nicht einzugehen.

3. Dem Argument des Rekursgerichts, die Antragstellerin sei in Bezug auf die Abweisung des Antrags auf Beiziehung der Einschreiterin nicht formell beschwert, hält sie nur entgegen, für den Fall der Abweisung dieses Antrags wären ihr die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, woraus sich ihre formelle und materielle Beschwer ergebe. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt sie damit nicht auf, weil nach gesicherter Rechtsprechung ein bezüglich der Hauptsache fehlendes Anfechtungsinteresse nicht durch das Interesse an einer bestimmten Kostenentscheidung ersetzt werden kann (RS0002396). Kostenfolgen oder auch Kosteninteressen begründen generell keine Beschwer (RS0002396 [T26, T27]). Umso weniger kann ein Interesse der Revisionsrekurswerberin, bei Zulassung des Eintritts der Unternehmenserwerberin in das Verfahren eine günstigere Kostenentscheidung in der Zukunft zu erwirken, geeignet sein, ihre formelle und materielle Beschwer zu begründen. Auch insoweit war der Revisionsrekurs daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

4. Letztlich bekämpft die Revisionsrekurswerberin auch die Entscheidung des Rekursgerichts über den Rekurs der Einschreiterin, die aber keinen Revisionsrekurs erhoben hat. Insoweit ist ihr Rechtsmittel unzulässig. Die Entscheidung nach § 12a Abs 8 MRG, die feststellenden, aber (noch) nicht rechtsgestaltenden Charakter hat, dient zwar der Rechtssicherheit und bindet nicht nur Altmieter und Vermieter, sondern auch den – im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorhandenen (unter Umständen überhaupt noch ungewissen) – Unternehmenserwerber bzw Pächter (RS0125754). Aus dieser im Gesetz angeordneten Bindungswirkung einer derartigen Entscheidung ist aber nicht abzuleiten, dass Unternehmensveräußerer und ‑erwerber in einem Verfahren nach § 12a Abs 8 MRG einheitliche Streitpartei oder auch nur anspruchsgebundene materielle Streitgenossen iSd § 3 AußStrG wären. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 12a Abs 8 MRG kann den dort vorgesehenen Antrag nur der Hauptmieter der Geschäftsräumlichkeit stellen, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern oder zu verpachten, dem Unternehmenserwerber selbst kommt kein derartiges Antragsrecht zu. Die Angemessenheit des vom Vermieter nach § 12a Abs 2 MRG begehrten Hauptmietzinses ist hingegen grundsätzlich in einem Verfahren zwischen dem betroffenen (neuen) Mieter und dem Vermieter zu prüfen (vgl 5 Ob 138/92 zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 12 Abs 4 MRG). Dass es sich dabei um eine andere „Sache“ iSd § 39 Abs 1 MRG handelt, die die gesonderte Vorschaltung der Schlichtungsstelle erfordern würde, zieht der Revisionsrekurs ebensowenig in Zweifel wie die Überlegung des Rekursgerichts, dass schon aus diesem Grund eine „Umdeutung“ des Antrags wie zu 5 Ob 138/92 nicht in Betracht kommt. Eine selbständige Anfechtungsbefugnis der Antragstellerin würde voraussetzen, dass Dispositionen über den Verfahrensgegenstand (hier: die Frage der Beiziehung der Einschreiterin zum Verfahren über deren Antrag), der Einstimmigkeit, somit auch der Zustimmung der Antragstellerin bedürfte, was sich aus der Rechtsnatur dieses Anspruchs ergibt (vgl RS0125593). Dies ist aber nicht der Fall: Vergleichbar zum Streitverfahren ist ein Recht einer Prozesspartei, die Unterstützung eines Streithelfers – hier: der Unternehmenserwerberin – zu genießen, aus den Prozessgesetzen nicht abzuleiten (vgl RS0035743). Die Entscheidung 5 Ob 155/10w vermag die Argumentation der Antragstellerin nicht zu stützen; die Beiziehung des nach Ausübung des Weitergaberechts eintretenden (neuen) Mieters erfolgte dort in einem – mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbaren – Verfahren nach § 16 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG mit dem Argument, es handle sich dabei (auch) um ein in die Zukunft weisendes Begehren. Ein selbständiges Anfechtungsinteresse der Antragstellerin ist daher unter Hinweis auf die überzeugenden Argumente des Rekursgerichts – auf die im Übrigen verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG) – zu verneinen, die rekursgerichtliche Entscheidung ist in Bezug auf die Einschreiterin bereits in Rechtskraft erwachsen.

5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs teils mangels erheblicher Rechtsfrage, teils als unzulässig zurückzuweisen.

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