OGH 7Ob22/20s

OGH7Ob22/20s19.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik, Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei Verein „G*“ *, vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2019, GZ 4 R 167/18k‑11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. September 2018, GZ 53 Cg 37/17p‑7, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127749

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

III. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.277,90 EUR (darin enthalten 379,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zu I.: Mit Beschluss vom 23. 10. 2019 unterbrach der Oberste Gerichtshof das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu AZ G 40–43/2019. Das Erkenntnis wurde am 11. 12. 2019 gefällt, sodass das Revisionsverfahren fortzusetzen ist.

Zu II.: Der Kläger ist ein Verein zur Wahrung von Verbraucherinteressen, der gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Verbandsklage berechtigt ist. Der Beklagte ist ein Verein nach dem Vereinsgesetz, der in unterschiedlichen Einrichtungen Tagesstrukturen mit der Zielsetzung betreibt, es Menschen mit intellektueller oder mehrfacher Behinderung entsprechend ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen zu ermöglichen, so selbständig wie möglich zu leben. Der Beklagte schließt hiezu im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern Heimverträge ab.

In § 2 Abs 1 des üblicherweise verwendeten Betreuungsvertrags für Wohngemeinschaften des Beklagten ist festgehalten, dass „Vertragspartner/in und Zahlungsverpflichtete/r gegenüber dem Beklagten grundsätzlich der/die Klient/in sei. Diese/r beziehungsweise dessen/deren Sachwalter/in verfügen im Regelfall über eine Bewilligung des Fonds Soziales Wien (FSW) nach dessen „Allgemeinen und Spezifischen Förderrichtlinien“ für einen Zuschuss zur Betreuung in einer vom FSW anerkannten Einrichtung. Nach Abs 2 dieser Bestimmung wird das Entgelt für das Gesamtleistungspaket in Tageskostensätzen festgelegt. Die Tageskosten setzen sich (aufgeschlüsselt nach prozentuellen Anteilen) aus dem Entgelt für die Unterkunft, die Verpflegung, sowie Betreuungsleistung einschließlich der hauswirtschaftlichen Unterstützung zusammen.

Im Anschluss daran findet sich nachstehende Klausel:

„Der Zuschuss des Fonds Soziales Wien beträgt derzeit (brutto) für den Tagessatz Wohnen ….. EUR …

Der Eigenbetrag, den der/die Klient/in selbst zu leisten hat (Differenz auf die Gesamtkosten) beträgt derzeit … EUR pro Tag“ (Klausel 2).

§ 4 Veränderung des Entgelts

2. Für den Fall, dass der Kostenträger (FSW) die Tagsätze nicht in de r sich aus der Indexanpassung ergebenden Höhe anpasst, ist [der Beklagte] im Fall einer Erhöhung berechtigt, die Differenz den Klient/innen in Rechnung zu stellen. Für den Fall einer Verminderung vermindert sich auch ...

3. Senkt der zuständige Kostenträger (FSW) die Tagessätze, reduziert angeforderte Zahlungen oder stellt diese zur Gänze ein, so schuldet der/die Klient/in die ausstehenden Beträge zur Gänze“ (Klausel 1).

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung dieser beiden Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er den von ihm geschlossenen Verträgen und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern zugrundelegt. Ferner begehrt er, den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, sich auf die vorstehenden oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Schließlich stellt er ein Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der Kronen Zeitung, Regionalausgabe Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Klausel 1 widerspreche § 27d Abs 1 Z 6 letzter Halbsatz KSchG, der bei der Aufschlüsselung des Entgelts die Angabe der vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen verlange. So fehlten Informationen, welche konkreten Einzelleistungen des Heimträgers bzw in welchem Ausmaß diese durch den vom Sozial- oder Behindertenhilfeträger bezahlten Tagessatz gedeckt seien. Insofern entspreche die Regelung schon nicht dem verschärften Transparenzgebot des § 27d Abs 4 KSchG. Die Klausel sei auch deshalb intransparent iSd § 27d Abs 4 KschG und § 6 Abs 3 KSchG, weil den Verbrauchern nicht vermittelt werde, welcher Betrag nach einer Veränderung oder einer unterlassenen Anpassung der Tagessätze durch den FSW vom Heimbewohner selbst zu tragen sei. Sie verstoße auch gegen § 879 Abs 3 ABGB, weil es zum Teil in der Ingerenz des Beklagten liege, wie sehr er sich um die Übernahme von Kosten durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger bemühe.

Klausel 2 erfülle ebenfalls nicht die Anforderungen des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG auf Angabe der vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen. Somit könne eine allfällige Doppelverrechnung von Leistungen durch den Beklagten nicht überprüft werden.

Der Beklagte bestreitet und beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Vertrag müsse keine Informationen darüber enthalten, welche konkreten Einzelleistungen des Heimträgers bzw in welchem Ausmaß diese durch den vom Sozial- oder Behindertenhilfeträger gezahlten Tagessatz gedeckt seien. Solche Informationen könne er auch gar nicht geben, weil sie vom FSW gar nicht erteilt würden. Er habe auch keine Möglichkeit, Zahlungen vom FSW nachzufordern oder gar einzuklagen. Es sei ihm daher nicht zuzumuten, das Risiko von Kürzungen der Zuschüsse des Sozialhilfe- oder Behindertenträgers zu übernehmen. Dieses müsse beim Klienten verbleiben. Die Klausel 1 sei weder intransparent noch gröblich benachteiligend.

Da – mangels Bekanntgabe durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger – eine Zuordnung zwischen zugesagten Leistungen und der Gliederung des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG nicht möglich sei, sei auch nur anzugeben, in welcher Höhe das Gesamtentgelt von der Sozial‑ und Behindertenhilfe getragen werde, unabhängig davon, ob eine bestimmte Entgeltkomponente zur Gänze von der öffentlichen Hand bezahlt werde.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die Aufschlüsselung des Entgelts nach § 27d Abs 1 KSchG habe in Teilentgelte zu erfolgen. Das auf die vom Sozialhilfeträger gedeckten Leistungen (Grundsatzleistungen) entfallende Entgelt schulde nur der Sozialhilfeträger. Eine Entgeltpflicht des Heimbewohners bestehe lediglich für allfällige Zusatzleistungen. Die bloße Angabe von Euro/Cent‑Beträgen sei nicht ausreichend transparent, weil damit nicht festgestellt werden könne, für welche Leistungen des Heimträgers die Beträge bezahlt werden. Dies werde auch dem Zweck der Bestimmung, Doppelverrechnungen zu vermeiden, nicht gerecht. Die von § 27d Abs 4 KSchG geforderte Genauigkeit und Verständlichkeit gehe über jene des § 6 Abs 3 KSchG hinaus. Da keine Aufschlüsselung des vom Sozialhilfeträger erbrachten Entgelts erfolgt sei, sei die Klausel 2 intransparent. Auch die Klausel 1 verstoße gegen das Transparenzgebot nach § 27d Abs 4 KSchG und § 6 Abs 3 KSchG, weil dem Verbraucher nicht vermittelt werde, welcher Betrag nach einer Veränderung oder einer unterlassenen Anpassung der Tagessätze durch den FSW von ihm zu bezahlen sei. Die Klausel sei auch gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, weil die Entgelterhöhung nicht davon abhängig gemacht werde, dass der Heimträger alle Möglichkeiten zu Erlangung einer Förderung ausgeschöpft habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Aufschlüsselung des Entgelts nach § 27d Abs 1 Z 6 KSchG habe in Teilentgelte für Unterkunft, Verpflegung und Grundbetreuung sowie allenfalls besondere Pflegeleistungen und zusätzliche Leistungen zu erfolgen. Der Umfang der von der Sozial‑ oder Behindertenhilfe Wien gedeckten Leistungen sei schon nach der Gesetzeslage definiert (§§ 9 ff Wiener Chancengleichheitsgesetz [CGW]). Die Klausel 2 führe bei der Angabe des derzeit gewährten Zuschusses des FSW lediglich einen Geldbetrag für „Wohnen“ an, ohne diesen näher zu beschreiben. Die Klausel  sei daher intransparent im Sinn des § 27d Abs 4 KSchG. Selbst wenn die Förderbestimmungen einer inhaltlichen Aufschlüsselung entgegenstünden, wären die Verbraucher hievon in Kenntnis zu setzen. Den vom Beklagten gehegten verfassungsrechtlichen Bedenken fehle es an Relevanz. Mit Klausel 1 erhalte der Verbraucher mangels genauer Angabe des nach einer Veränderung oder unterlassenen Anpassung der Tagsätze durch den FSW angepassten Betrags keine klare Auskunft über seine vertragliche Position.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich um vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht beurteilte Klauseln einer Branche handle, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden von Bedeutung seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er seinen Verträgen zugrunde legt, oder in Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, kann nach § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart wurde.

2. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (ständige Rechtsprechung RS0038205; RS0016590).

3. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung ist nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das „Transparenzgebot“ soll es dem Verbraucher ermöglichen, sich aus dem Vertragsformblatt zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Die AGB müssen also so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskünfte über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Insbesondere darf er durch die Formulierung einer Klausel nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Es soll verhindert werden, dass er über Rechtsfolgen getäuscht oder dass ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (vgl RS0115219).

4. Für Heimverträge geht die von § 27d Abs 4 KSchG verlangte Genauigkeit und Verständlichkeit über jene des § 6 Abs 3 KSchG hinaus. Die einzelnen Inhalte eines Heimvertrags sind nicht nur einfach und verständlich, sondern zusätzlich auch noch umfassend und genau zu umschreiben (RS0124337).

I. Zur Klausel 1

1. Ziel des Gesetzes zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung in Wien (Chancengleichheitsgesetz Wien – CGW), LGBl 45/2010, idF LGBl 49/2018, ist es, Menschen mit Behinderung beim chancengleichen, selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen zu unterstützen (§ 1 Abs 1 CGW). Nach § 2 Abs 2 CGW besteht auf Förderungen für Leistungen nach §§ 9, 12 Abs 2, 13 und 15 Abs 2 ein Rechtsanspruch. Nach § 19 (1) CGW haben Menschen mit Behinderung bei Förderungen für Leistungen gemäß § 9 und 12 Abs 2 ab Inanspruchnahme der Leistung und nach Maßgabe ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit eine Eigenleistung zu erbringen. In besonderen sozialen Härtefällen kann von der Verpflichtung zur Eigenleistung ganz oder teilweise abgesehen werden. Gemäß § 19 Abs 2 CGW erfolgt die Bemessung und Einhebung der Eigenleistung unter Berücksichtigung der bezughabenden Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts, des Bundes- und Wiener Pflegegeldgesetzes sowie anderer vergleichbarer gesetzlicher Bestimmungen. Nach § 22 Abs 1 CGW ist bei der Förderung von vollbetreutem Wohnen eine Eigenleistung aus den pflegebezogenen Geldleistungen und dem Einkommen zu erbringen. Dabei entspricht nach § 22 Abs 2 CGW die Höhe der Eigenleistung aus den pflegebezogenen Geldleistungen der Höhe der pflegebezogenen Geldleistungen (Bemessungsgrundlage nach § 20 Abs 2 Z 1 abzüglich des nach den Pflegegeldgesetzen des Bundes oder der Länder oder eines nach anderen vergleichbaren gesetzlichen Bestimmungen zustehenden Pflegetaschengeldes. Nach § 22 Abs 4 CGW ist Menschen mit Behinderung, die kein Einkommen haben, ein angemessener Betrag zur Deckung kleinerer persönlicher Bedürfnisse zu sichern (Taschengeld).

2. Der Heimvertrag (§ 27b KSchG) wird zwischen Heimträger und Bewohner über die gesetzlichen gegenseitigen Pflichten abgeschlossen. Er umfasst auch all jene Leistungen, die direkt oder indirekt vom Sozialhilfe‑ oder Behindertenhilfeträger bezahlt werden. Grundsätzlich hat die sozialbeholfene Person einen Anspruch gegenüber dem Sozial- oder Behindertenhilfeträger, wobei es sich in der Regel um einen Geldbezugsanspruch handelt. Dieser Geldbezug wird regelmäßig an den Einrichtungsträger ausbezahlt. In der Mehrheit der Fälle kommt es zu einer (konkludenten) Zession dieses Anspruchs, der auf den Heimträger übergeht. Dies ändert nichts an dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zwischen Heimträger und Heimbewohner (Ganner, Vier Jahre Heimvertragsgesetz Entwicklung und aktueller Stand iFamZ 2008/316; vgl auch 4 Ob 188/06k).

3. Sinn und Zweck der – eben angeführten – einschlägigen Bestimmungen ist es, Menschen mit Behinderungen beim chancengleichen selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen zu unterstützen, wobei die Kostentragung durch den Träger der Sozialhilfe letztlich nur so weit gehen soll, als die eigenen finanziellen Mittel dies nicht erlauben. Dem Betroffenen muss dabei jedenfalls eine Art Taschengeld verbleiben. Was nach dem jeweiligen Sozialhilfegesetz nicht bescheidmäßig als Eigenleistung festgelegt werden darf, kann auch nicht auf rechtsgeschäftlichem Weg über angebliche Kostenersatzpflichten verlangt werden (vgl RS0121570).

4. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Klausel 1 als intransparent. Sie sieht eine uneingeschränkte Verpflichtung des Heimbewohners zur Zahlung der Differenz vor, die infolge Nichtzahlung durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger entsteht. Damit enthält die Klausel weder eine Einschränkung dahin, dass diese Nichtzahlung durch den Sozial- oder Behindertenhilfeträger aufgrund einer Verminderung der geförderten finanziellen Mittel, weil etwa die Eigenleistungen des Heimbewohner höher sind, erfolgt, noch nimmt sie darauf Bedacht, dass nicht nur die Unterlassung der Anpassung der Tagessätze an das durch Indexierung angepasste Entgelt, sondern auch die Reduzierung oder Einstellung der Zahlungen durch den Sozialhilfe- oder Behindertenhilfeträger sachliche Gründe, wie beispielsweise eine vom Heimträger unrichtig vorgenommene Indexanpassung oder die Geltendmachung von Entgeltminderungsansprüchen (§ 27f KSchG) haben kann. Das heißt, dass die Klausel die Verpflichtung zur Zahlung der Differenz unabhängig davon auf den Heimbewohner überwälzt, ob es sich um Leistungen handelt, für die der Sozial- oder Behindertenhilfeträger aufzukommen hat und ob dem Heimbewohner das vorgesehene Taschengeld verbleibt. Dadurch erhält der Heimbewohner keine klare und verlässliche Information über seine Rechtsposition, sondern wird von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten, Insoweit ist die Klausel intransparent nach § 27d Abs 4 KSchG.

II. Zur Klausel 2:

1. Nach § 6 Abs 2 CGW ist jene Leistung zu fördern, die zur Unterstützung des Menschen mit Behinderung im Sinn dieses Gesetzes im Einzelfall sinnvoll, notwendig und zweckmäßig ist. Die Höhe der Förderung muss in einem angemessenen Verhältnis zum dadurch voraussichtlich erzielbaren Nutzen stehen. Nach § 6 Abs 4 CGW sind geförderte Leistungen gemäß §§ 9 (Tagesstruktur) und 12 Abs 2 (vollbetreutes Wohnen) grundsätzlich bei den vom FSW anerkannten Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Von dieser Voraussetzung kann in besonderes begründeten Ausnahmefällen abgesehen werden. Nach § 12 Abs 1 CGW sollen die Leistungen Menschen mit Behinderung ab Erreichen der Volljährigkeit Wohnen in einer möglichst selbstbestimmten Form ermöglichen. Vollbetreutes Wohnen nach § 12 Abs 2 CGW umfasst das Wohnen in Einrichtungen sowie die notwendige Verpflegung und Betreuung. Gemäß § 12 Abs 3 CGW umfasst teilbetreutes Wohnen die Betreuung in Privatwohnungen, Einzelwohnungen oder Wohngemeinschaften von Einrichtungen.

2. § 27d KSchG ordnet unter der Überschrift „Inhalt und Form des Heimvertrags“ in seinem Abs 1 Z 6 unter anderem an, dass der Heimvertrag zumindest Angaben über die Fälligkeit und die Höhe des Entgelts, jeweils aufgeschlüsselt für Unterkunft, Verpflegung, Grundbetreuung, besondere Pflegeleistungen und zusätzliche Leistungen sowie die vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen zu enthalten hat.

3. Mit dem SWRÄG 2006, in Kraft getreten am 1. 7. 2007, ist klargestellt, dass eine Entgeltaufgliederung in sechs Kategorien (Unterkunft, Verpflegung, Grundbetreuung, besondere Pflegeleistung, zusätzliche Leistungen und vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe gedeckte Leistungen) zu erfolgen hat. Damit soll erreicht werden, dass klar zum Ausdruck kommt, für welche Leistungen (ihrer Art und ihrem Umfang nach) der Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe und für welche Leistungen der Heimbewohner aufkommt. Zusätzlich soll damit verhindert werden, dass Leistungen, für die nach den Landesgesetzen die Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe aufzukommen haben, dem Heimbewohner verrechnet werden oder dass es zu Doppelverrechnungen kommt (7 Ob 232/13p mwN). Die Aufschlüsselung ist auch erforderlich, um die Höhe eines Gewährleistungsanspruchs bestimmen zu können.

4. § 2 des Heimvertrags nennt das Entgelt für das Gesamtleistungspaket in Tageskostensätzen, wobei die Tageskosten prozentuell den Leistungen (Unterkunft, Verpflegung und Betreuungsleistung einschließlich hauswirtschaftlicher Unterstützung) zugeordnet werden. Weiters werden der Tagessatz des Fonds Soziales Wien und der verbleibende Eigenbetrag des Heimbewohners, der in der Differenz auf die Gesamtkosten besteht, angeführt. Nicht vorgenommen wird eine Zuordnung des Zuschusses des Fonds – und auch nicht des Eigenbetrags – zu den einzelnen Leistungen. Damit kommt weder zum Ausdruck für welche Leistungen der Sozial- oder Behindertenhilfeträger und für welche Leistungen der Heimbewohner aufzukommen hat, noch wird die den einzelnen Leistungen entsprechende Gegenleistung des Heimträgers konkretisiert. Dies führt dazu, dass im Fall eines Entgeltminderungsanspruchs hinsichtlich nur einer Leistung (beispielsweise mangelhafte Verpflegung oder Nichterbringung vereinbarter Betreuungsleistungen) der Heimbewohner nicht nachvollziehen kann, in welchem Umfang er einen solchen geltend machen kann. Damit ist die Klausel grundsätzlich intransparent im Sinn des § 27d Abs 1 Z 6 iVm Abs 4 KSchG.

4.1 Der Beklagte erachtet aber im Hinblick darauf, dass der Sozial‑ oder Behindertenhilfeträger selbst den von ihm geleisteten Tagessatzbetrag nicht den einzelnen Leistungen zuordnet, sodass eine solche Aufschlüsselung auch ihm nicht möglich ist, die Wortfolge „sowie die vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe getragenen Leistungen“ in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG als verfassungswidrig. Die Bestimmung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot (Art 18 Abs 1 B-VG), den Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG, Art 2 StGG), das Eigentumsgrundrecht (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) und die Erwerbsausübungsfreiheit (Art 6 StGG). Sie sei auch kompetenzwidrig, weil der Bundesgesetzgeber versuche, in den landesgesetzlichen Katalog einzugreifen.

4.2 Der Verfassungsgerichtshof verneinte mit Erkenntnis vom 11. 12. 2019, G 40–41/2019, G 43/2019, diese geltend gemachten verfassungsrechtlichen Verstöße. Er führte weiters aus, dass Heimträger in Entsprechung des Zwecks des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG (lediglich) verpflichtet seien, sich um bestmögliche Kostentransparenz zu bemühen. Sie müssten die in Anwendung der landesgesetzlichen Regelungen (vgl etwa § 12 Abs 2 CGW) gewährten Leistungen in ihre Heimverträge aufnehmen bzw deren Inhalt umschreiben. Sollte es von Seiten der zuständigen Organe des Landes keine (bezifferbare) Aufstellung der vom Träger der Sozial‑ oder Behindertenhilfe übernommenen Leistungen geben, sei der in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG enthaltenen Verpflichtung bereits dadurch Genüge getan, dass der Heimträger den Verbraucher im Heimvertrag angemessen über den Inhalt der bestehenden landesrechtlichen Regelungen und deren Anwendung informiere.

4.3 Auch wenn es im vorliegenden Fall von Seiten des Trägers der Sozial‑ oder Behindertenhilfe keine entsprechende ziffernmäßige Aufstellung gibt, erweist sich die vorliegende Klausel aber dennoch als intransparent im Sinn des § 27d Abs 4 KSchG. Der Heimvertrag enthält lediglich die Angabe des vom Sozial- oder Behindertenhilfeträger übernommenen Tagessatzes. Er weist weder darauf hin, dass eine weitere Aufschlüsselung durch diesen nicht erfolgte, noch werden Information über den Inhalt der bestehenden landesrechtlichen Regelungen und deren Anwendung in Bezug auf die geförderten Leistungen getätigt, sodass der Heimbewohner kein klares Bild über die an sich vom Sozial- und Behindertenhilfeträger geschuldeten Leistungen erhält.

III. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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