OGH 9Ob77/19t

OGH9Ob77/19t22.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn sowie den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj K*, geboren am * 2003, wohnhaft bei der Mutter G*, in Unterhaltssachen vertreten durch das Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder‑ und Jugendhilfe Rechtsvertretung Bezirke 12 und 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15), sowie des Vaters L*, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. August 2019, GZ 48 R 123/19x‑292, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 8. April 2019, GZ 29 Pu 32/17f‑282, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127511

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die 2003 geborene Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter.

Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Liesing vom 4. 5. 2017 war der geldunterhaltspflichtige Vater zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 331 EUR an die Minderjährige verpflichtet.

Die Minderjährige beantragte, den Vater ab 1. 10. 2018 zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 550 EUR zu verpflichten.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung ab 1. 10. 2018 um 39 EUR auf monatlich 370 EUR. Das Mehrbegehren von monatlich 180 EUR wurde abgewiesen. Weiters verhielt es den Vater zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands von insgesamt 273 EUR und wies darauf hin, dass über den 2019 eingebrachten Antrag auf Sonderbedarf nach rechtskräftiger Beendigung des Unterhaltsverfahrens zu entscheiden sein werde. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, der Vater sei bei zumutbarer Anspannung weiterhin in der Lage, ein Erwerbseinkommen von monatlich 1.700 EUR netto (inklusive Sonderzahlungen) zu erzielen. Der Geldunterhaltsanspruch des Kindes sei altersbedingt auf 22 % des erzielbaren Nettoeinkommens des Vaters zu erhöhen. Der Familienbonus Plus sowie der Unterhaltsabsetzbetrag seien nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Das Rekursgericht gab dem von der Minderjährigen gegen diesen Beschluss im Umfang der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens erhobenen Rekurs nicht Folge. Es ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es liege noch keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung des sogenannten „Familienbonus Plus“ im Rahmen der Unterhaltsbemessung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsaus-spruch – nicht zulässig, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (RS0112921; RS0112769) die vom Rekursgericht und vom Rechtsmittelwerber angesprochene Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt ist und auch die Revisionsrekurswerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigt:

I. Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten Entscheidung vom 11. 12. 2019, 4 Ob 150/19s, Folgendes ausgesprochen:

„Beim Familienbonus Plus handelt es sich – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral. Diese Grundsätze gelten jedenfalls – wie im vorliegenden Fall – für die Unterhaltsbemessung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs.“

Dieser Entscheidung sind mittlerweile mehrere Senate des Obersten Gerichtshofs gefolgt, sodass von einer gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden kann (1 Ob 171/19g; 3 Ob 154/19x; 9 Ob 54/19k; 9 Ob 82/19b; 9 Ob 83/19z; 10 Ob 65/19k ua).

Das Ergebnis der Entscheidung des Rekursgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Da die Minderjährige das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bedarf es auch im vorliegenden Fall keiner Auseinandersetzung mit der in 4 Ob 150/19s offen gelassenen Frage, wie sich der Familienbonus Plus auf den Unterhaltsanspruch älterer Kinder auswirkt.

II. Der Revisionsrekursausführungen ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Die Vorinstanzen haben der Unterhaltsbemessung nicht das derzeitige, dem Kollektivvertragslohn entsprechende Realeinkommen des Vaters aus seiner Vollzeitbeschäftigung zugrunde gelegt, sondern sind im Hinblick auf seine Beschäftigung in einem Unternehmen, das im wirtschaftlichen Eigentum seiner derzeitigen Ehegattin steht, davon ausgegangen, dass er dort zu einem geringeren Einkommen als üblich arbeitet und in der Lage sei, bei Anspannung aller Kräfte weiterhin ein Einkommen von 1.700 EUR monatlich (inklusive Sonderzahlungen) zu erzielen. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen des der Rechtsprechung bei Unterhaltsentscheidungen offen stehenden Ermessensspielraums (RS0047419 [T23]). Eine Überschreitung dieses Ermessen zeigt die Revisionsrekurswerberin auch mit ihrem Vorbringen nicht auf. Die Anspannung auf ein fiktives Einkommen ist immer eine Frage des Einzelfalls und stellt in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG dar (RS0007096 [T4,T6,T8]; RS0113751). Eine erhebliche Fehlbeurteilung liegt jedenfalls nicht vor.

Das Rechtsmittel der Minderjährigen war daher zurückzuweisen.

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