OGH 1Ob3/20b

OGH1Ob3/20b21.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj L* S*, geboren * 2005, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (*), wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2019, GZ 15 R 348/19f‑23, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 5. Juli 2019, GZ 2 Pu 18/10d‑18, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128068

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs wird hinsichtlich eines monatlichen Unterhaltsbegehrens von 13 EUR ab 1. Mai 2019 zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass M* K* als Vater des mj L* S* schuldig ist, diesem ab 1. Mai 2019 einen um 152 EUR erhöhten monatlichen Unterhaltsbeitrag, somit insgesamt 560 EUR, zu zahlen, und zwar die bereits fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen und die künftig fällig werdenden Beträge jeweils zum Monatsersten im Vorhinein. Das Mehrbegehren, den Unterhalt ab 1. Mai 2019 um weitere 10 EUR monatlich zu erhöhen, wird abgewiesen.

 

Begründung:

Das 14‑jährige Kind wird von seiner Mutter betreut. Der geldunterhaltspflichtige Vater war bisher aufgrund der vor dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger geschlossenen Vereinbarung vom 8. 2. 2016 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 408 EUR verpflichtet.

Der Vater verdient im Durchschnitt monatlich 2.945 EUR netto inklusive Sonderzahlungen. Er ist weiters sorgepflichtig für ein Kind unter 10 Jahren.

Das Rechtsmittelverfahren betrifft nur die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1. 5. 2019. Dazu begehrte das Kind unter Berücksichtigung des Einkommens sowie der weiteren Sorgepflicht des Vaters und des halben (von ihm zu beziehenden) Familienbonus Plus die Erhöhung dessen monatlicher Geldunterhaltsverpflichtung ab dem genannten Zeitpunkt auf 570 EUR.

Der Vater beteiligte sich weder am erstinstanzlichen Verfahren noch am Rechtsmittelverfahren.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters um 97 EUR auf monatlich 505 EUR. Dem Minderjährigen stünden 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu, die um den (halben) Familienbonus Plus auf 3.007 EUR zu erhöhen sei. Dieser Prozentunterhalt sei im Sinn der bisherigen Rechtsprechung zur (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen zu reduzieren.

Das Rekursgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf monatlich 536 EUR. Rechtlich vertrat es die Ansicht, der halbe Familienbonus Plus für beide Kinder in Höhe von je 62,50 EUR sei der Bemessungsgrundlage des Vaters hinzuzurechnen, sodass diese 3.070 EUR betrage. Bei einem Bezug des Familienbonus Plus jeweils zur Hälfte sei weiterhin „die steuerliche Entlastung“ durchzuführen. Wie der festgesetzte monatliche Unterhalt von 536 EUR ausgemittelt wurde, wird nicht dargelegt.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Behandlung des Familienbonus Plus, sofern die Anrechnung von Transferleistungen nicht bereits durch die Unterhaltsabsetzbeträge für die Minderjährigen ausreichend gewährleistet sei, vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist teilweise unzulässig, teilweise zulässig und teilweise auch berechtigt.

I. Soweit der Revisionsrekurs eine Erhöhung der monatlichen Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters auf 583 EUR anstrebt, überschreitet er das ursprüngliche Antragsbegehren um 13 EUR und ist insoweit unzulässig.

II.

1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung zur Unterhaltsbemessung für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres klargestellt (4 Ob 150/19s), dass es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag handelt. Der Gesetzgeber habe den Familienbonus Plus mit der Zielrichtung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die steuergesetzlichen Maßnahmen Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag herbeizuführen. Dadurch finde eine Entkoppelung von Unterhalts‑ und Steuerrecht statt, weshalb es der (teilweisen) Anrechnung der Transferleistungen (zB Familienbeihilfe) auf Geldunterhaltsverpflichtungen nicht mehr bedürfe. Der Familienbonus Plus sei nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, solle er doch nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet werde, nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen, welches Ziel nur erreicht werden könne, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibe. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag blieben damit unterhaltsrechtlich neutral.

Dieser Rechtsansicht hat sich auch der erkennende Senat angeschlossen (1 Ob 171/19g; 1 Ob 194/19i).

2. Nach den dargelegten Grundsätzen ist ein tatsächlich bezogener Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen; der Geldunterhaltspflichtige ist – entgegen vereinzelter Rechtsprechung (5 Ob 236/18v; 5 Ob 92/19v; 4 Ob 139/19y) – infolge dessen unterhaltsrechtlicher Neutralität auch nicht auf den Bezug des Familienbonus Plus anzuspannen. Im vorliegenden Fall beträgt das monatliche Einkommen des Vaters inklusive Sonderzahlungen 2.945 EUR netto. Angesichts dessen weiterer Sorgepflicht für ein Kind im Alter unter 10 Jahren stehen dem Minderjährigen 19 % dieser Unterhaltsbemessungsgrundlage zu, somit 559,55 EUR monatlich. Dieser Betrag ist auf 560 EUR monatlich zu runden.

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