European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127526
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei im Umfang des Eventualfeststellungsbegehrens der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Begründung:
Die beklagte und klagende Partei (in der Folge: Beklagter) ist (nunmehriger) Alleineigentümer einer Liegenschaft in K*. In dem auf dieser Liegenschaft errichteten Haus befinden sich im Erdgeschoß drei Geschäftslokale und im Obergeschoß eine Wohnung. Die klagende und beklagte Partei (in weiterer Folge: Klägerin) mietete eines dieser Geschäftslokale mit Mietvertrag vom 4. 2. 2016 vom Stiefvater des Beklagten.
Im führenden Verfahren AZ 8 C 1090/17k des Erstgerichts kündigte die Klägerin (Mieterin) den Mietvertrag gegenüber dem Beklagten gerichtlich am 29. 12. 2017 (unter Nennung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten) zum 31. 12. 2017 auf und begehrte vom Beklagten die Übernahme des Geschäftslokals. Sie erhob im Lauf des Verfahrens folgendes Eventualbegehren:
„Es wird mit Wirkung zwischen den Streitparteien festgestellt, dass zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei jedenfalls seit 1. 8. 2017 kein aufrechtes Bestandverhältnis hinsichtlich des Geschäftslokals […] besteht.“
Im verbundenen Verfahren des Erstgerichts AZ 8 C 231/18p begehrte der Beklagte von der Klägerin die Zahlung rückständiger Mietzinse bzw Benützungsentgelte für das Geschäftslokal in Höhe von – nach Ausdehnung – gesamt 2.068 EUR für die Monate März bis Juni 2018.
Die Klägerin brachte vor, dass der Beklagte nach dem Ableben des früheren Vermieters in den Mietvertrag eingetreten sei. Das Geschäftslokal sei ausdrücklich zum Betrieb einer Vinothek angemietet worden. Im dazu von der Klägerin angestrengten Betriebsanlagengenehmigungs-verfahren habe der Beklagte Einwendungen gegen die für den Betrieb der Vinothek erforderliche Genehmigung erhoben. Die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses sei für die Klägerin daher nicht mehr zumutbar gewesen. Es liege ein Auflösungsgrund gemäß § 1117 ABGB vor.
Zum Eventualfeststellungsbegehren brachte die Klägerin (hingegen) vor, dass der frühere Vermieter, der Stiefvater des Beklagten, nur über Teile des Hauses, in dem sich das von der Klägerin gemietete Geschäftslokal befand, fruchtgenussberechtigt gewesen sei. Der Mietvertrag mit dem früheren Vermieter sei daher als Untermietvertrag zu qualifizieren. Mit dem Tod des früheren Vermieters im Juli 2017 sei das Fruchtgenussrecht erloschen. Aus diesen Gründen sei der Mietvertrag nicht auf den Beklagten übergegangen. Die Klägerin habe ein Feststellungsinteresse, weil sie das Objekt bereits geräumt habe und zurückstellen wolle. Der Beklagte fordere von ihr die Zahlung laufender Mietzinse.
Ein Mietvertrag mit dem Beklagten sei auch nicht vereinbart worden. Selbst im Fall der vom Beklagten behaupteten mündlichen Vereinbarung läge ein unbefristeter Mietvertrag vor, sodass die gerichtliche Aufkündigung der Klägerin zulässig und berechtigt wäre. Die Klägerin habe mit einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 3. 12. 2017 zum frühestmöglichen Termin, das wäre der 31. 3. 2018, die Kündigung des Mietvertrags erklärt.
Der Beklagte wandte dagegen ein, dass der Mietvertrag mit dem Vormieter befristet abgeschlossen worden sei und daher nicht gekündigt werden könne. Der Mietvertrag sei auf ihn nach dem Ableben des Vormieters übergegangen. Darüber hinaus habe der Beklagte gegenüber dem Ehegatten der Klägerin, der als deren Vertreter aufgetreten sei, erklärt, dass er den Mietvertrag zu den vereinbarten Bedingungen fortsetzen wolle. Der Ehegatte der Klägerin habe auch dementsprechende Eingaben gegenüber der Verwaltungsbehörde gemacht, auch die Mietzinse seien in den Folgemonaten an den Beklagten bezahlt worden. Es sei daher nicht ein neuer Mietvertrag zwischen den Streitteilen abgeschlossen, sondern lediglich der bestehende fortgesetzt worden, in dem die ursprünglich vereinbarte und später verlängerte Befristung wirksam schriftlich vereinbart gewesen sei.
Ein Auflösungsgrund gemäß § 1117 ABGB liege nicht vor. Die Klägerin habe auch um Bewilligung eines Gastronomiebetriebs bei der Gewerbebehörde angesucht. Nur dagegen habe sich der Beklagte ausgesprochen. Der Betrieb einer Gastronomie hätte eine Änderung des Mietvertrags bedeutet. Danach sei lediglich der Betrieb einer Vinothek vereinbart gewesen, wogegen sich der Beklagte nicht ausgesprochen habe.
Das Erstgericht sprach aus, dass die gerichtliche Aufkündigung vom 29. 12. 2017 unwirksam sei und wies das Begehren der Mieterin auf Übernahme des Geschäftslokals durch den Beklagten ab. Es erkannte die Klägerin schuldig, dem Beklagten 2.068 EUR samt Zinsen an rückständigem Bestandzins zu zahlen. Eine Entscheidung über das Eventualfeststellungsbegehren traf das Erstgericht nicht. Das Erstgericht ging dabei im Wesentlichen von folgenden – nicht angefochtenen – Feststellungen aus:
Der Beklagte wurde nach dem Tod seiner Mutter Alleineigentümer der Liegenschaft in K*. Er räumte nach dem Tod der Mutter seinem Stiefvater ein obligatorisches Fruchtgenussrecht an den im Haus befindlichen Geschäftslokalen ein, nicht jedoch an der im Obergeschoß des Hauses gelegenen Wohnung.
Der Stiefvater des Beklagten schloss mit der Klägerin am 4. 2. 2016 einen schriftlichen Mietvertrag über das in der Aufkündigung näher umschriebene Geschäftslokal ab. Vereinbart war, dass das Geschäftslokal zum Betrieb eines „Ab‑Hof‑Ladens, Vinothek & Genussboutique“ in Form eines Nichtrauchergeschäfts verwendet werden darf (Blg ./B). Eine Änderung des Verwendungszwecks bedurfte der– schriftlichen – Zustimmung des Vermieters. Das Mietverhältnis wurde befristet für die Dauer von zwei Jahren abgeschlossen. Der monatliche Hauptmietzins wurde mit 470 EUR exklusive Umsatzsteuer vereinbart.
Vor Ablauf der Befristung des Mietvertrags trafen der Stiefvater des Beklagten und die Klägerin am 9. 1. 2017 eine weitere schriftliche Vereinbarung, mit der sie die Geltungsdauer des ursprünglichen Mietvertrags vom 4. 2. 2016 um weitere fünf Jahre verlängerten. Voraussichtliches Ende des Mietverhältnisses sollte der 31. 3. 2023 sein. Eine Möglichkeit für die Klägerin, den Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer vorzeitig zu kündigen, wurde nicht vereinbart.
Noch im Jänner 2017 beantragte die Klägerin bei der Gewerbebehörde die Genehmigung für die Errichtung einer Betriebsanlage für einen Weinhandel, Einzelhandel und eines Gastronomiebetriebs mit maximal acht Verabreichungsplätzen am Standort des von ihr gemieteten Geschäftslokals.
Am 21. 7. 2017 verstarb der Stiefvater des Beklagten. Einige Tage danach besuchte der Beklagte das Geschäftslokal der Klägerin. Er stellte sich als Eigentümer der Liegenschaft vor und erklärte, dass er nach dem Tod des Stiefvaters dessen Vermieterstellung übernehme. Der Beklagte übergab „der kündigenden Partei“ (richtig wohl: dem Ehemann der Klägerin) einen Zettel mit seinen Bankdaten und der Bitte, die zukünftig fällig werdenden Mietzinse ab August 2017 auf dieses Konto anzuweisen. Die Klägerin überwies bis einschließlich Februar 2018 die laufenden Mietzinszahlungen auf das Konto des Beklagten.
Am 27. 11. 2017 fand ein Lokalaugenschein im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren im Bestandobjekt statt, an dem sowohl die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, als auch der Beklagte teilnahmen. Der Beklagte erhob Einwendungen gegen die Anträge der Klägerin im Verwaltungsverfahren. Mit Bescheid vom 12. 12. 2017 genehmigte die Gewerbebehörde die Anlage in dem von der Klägerin beantragten Umfang. Die Einwendungen des Beklagten wurden als unzulässig zurückgewiesen.
Als Reaktion auf die Vorkommnisse anlässlich des Lokalaugenscheins kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 3. 12. 2017 gegenüber dem Beklagten das Bestandverhältnis per 31. 12. 2017 auf. Sie machte als Kündigungsgrund in diesem Schreiben die „Ablehnungen“ des Beklagten im Zug des Lokalaugenscheins vom 27. 11. 2017 geltend, welche der Klägerin „die weiteren, bis dato sehr erfolgreichen, Geschäftsgrundlagen entziehen“ (Blg ./A). Da der Beklagte diese Kündigung nicht akzeptierte, brachte die Klägerin die gerichtliche Aufkündigung ein.
Seit März 2018 bezahlte die Klägerin keine Miet‑ oder Benützungsentgelte mehr an den Beklagten. Sie stellte diesem die Schlüssel für das Bestandobjekt am 22. 6. 2018 zurück.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Beklagte nicht ex lege in den Mietvertrag eingetreten sei, weil sein Stiefvater nur bezüglich eines Teils der Liegenschaft obligatorischer Fruchtnießer gewesen sei. Der von der Klägerin mit dem Stiefvater abgeschlossene Bestandvertrag sei daher als Untermietvertrag zu qualifizieren, in den der Beklagte weder gemäß § 2 Abs 1 Satz 4 MRG noch gemäß § 1120 ABGB eintreten habe können. Mit dem Tod des Stiefvaters sei jedoch das Fruchtgenussrecht gemäß §§ 478, 529 ABGB erloschen. Die Streitteile hätten rechtsgeschäftlich die Übernahme des Mietvertrags durch den Beklagten vereinbart. Eine Zustimmung durch die Rechtsnachfolger des Stiefvaters sei dazu nicht erforderlich gewesen. Die im Vertrag vereinbarte Befristung sei gemäß § 29 MRG schriftlich wirksam vereinbart worden und im Weg der Vertragsübernahme bestehen geblieben. Auch befristete Bestandverträge könnten aus wichtigem Grund vorzeitig gelöst werden. Einer der Gründe des § 1117 ABGB liege jedoch nicht vor: Die Klägerin habe die von ihr beantragte gewerberechtliche Bewilligung ohnedies erhalten, sodass der Bestandgegenstand nicht untauglich sei. Der Mietvertrag sei daher aufrecht, sodass die Klägerin die Zahlung der im verbundenen Verfahren geltend gemachten rückständigen Mietzinse schulde.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung „mit der Maßgabe nicht Folge“, dass es das Eventualbegehren mit dem in die Entscheidung aufgenommenen Beschluss zurückwies.
Das Erstgericht hätte auch über das von der Klägerin erhobene Eventualbegehren entscheiden müssen, sein Verfahren sei daher mangelhaft geblieben. Da das Eventualbegehren jedoch neben dem Kündigungsbegehren nicht zulässig erhoben werden könne, sei es zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht behandelte weder die Beweisrüge noch die geltend gemachte Aktenwidrigkeit. Anwendbar sei das MRG. Da der von der Klägerin mit dem Stiefvater abgeschlossene Mietvertrag als Untermietvertrag zu qualifizieren sei, sei der Beklagte nicht ex lege in diesen eingetreten. Ob ein Bestandvertrag zwischen den Streitteilen rechtsgeschäftlich vereinbart worden sei, könne aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht geschlossen werden. Dafür komme nach dem Parteienvorbringen nur das Gespräch zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin, der diese unstrittig vertreten habe, in Frage; die Weiterzahlung der Mietzinse allein genüge nicht. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil die gerichtliche Aufkündigung jedenfalls unberechtigt sei: Sei zwischen den Streitteilen kein Bestandverhältnis begründet worden, gehe die gerichtliche Aufkündigung schon deshalb ins Leere. Sei zwischen den Streitteilen ein befristeter Bestandvertrag vereinbart oder fortgesetzt worden, fehle es an einem Auflösungsgrund gemäß § 1117 ABGB iVm § 29 Abs 1 Z 4 MRG. Der misslungene Versuch des Beklagten, den vertraglich vereinbarten Gebrauch der Bestandsache zu vereiteln, sei kein Grund für eine vorzeitige Vertragsauflösung. Hätten die Streitteile hingegen einen unbefristeten (Haupt‑)Mietvertrag vereinbart, hätte bereits die außergerichtliche Kündigung der Klägerin vom 3. 12. 2017 den Mietvertrag gemäß § 33 Abs 1 MRG gelöst. Eine erst später wirksame gerichtliche Aufkündigung könne den Vertrag nicht noch einmal auflösen. Die gerichtliche Aufkündigung sei in einem solchen Fall für rechtsunwirksam zu erklären.
Berechtigt sei hingegen das vom Beklagten im verbundenen Verfahren erhobene Leistungsbegehren: Die Klägerin habe die Schlüssel zum Bestandobjekt erst im Juni 2018 übergeben, sodass sie die Zahlung der bis dahin geltend gemachten Entgelte entweder als Bestandzinse oder als Benützungsentgelte schulde.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision im Verfahren betreffend die gerichtliche Aufkündigung mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die gerichtliche Aufkündigung und den damit verknüpften Auftrag zur Übernahme des Bestandobjekts (§ 562 Abs 1 ZPO) richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.
Unangefochten und daher in Rechtskraft erwachsen blieb die Entscheidung der Vorinstanzen über das vom Beklagten im verbundenen Verfahren AZ 8 C 231/18p des Erstgerichts erhobene Leistungsbegehren.
Gegen die Zurückweisung des Eventualbegehrens durch das Berufungsgericht richtet sich der vom Beklagten beantwortete Rekurs der Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Der Rekurs der Klägerin ist zulässig. Das Berufungsgericht hat, wie sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergibt, das von der Klägerin erhobene Eventualbegehren mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss zurückgewiesen. Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts, der auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach nun ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden (10 Ob 57/18g mwN).
Der Rekurs ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden beide Rechtsmittel gemeinsam behandelt.
In der außerordentlichen Revision rügt die Klägerin als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass sich das Berufungsgericht weder mit der Beweisrüge noch mit der geltend gemachten Aktenwidrigkeit in der Berufung auseinandergesetzt habe. Insbesondere fehlten Feststellungen über den vereinbarten Verwendungszweck des Bestandobjekts. Für den geltend gemachten Auflösungsgrund des § 1117 ABGB komme es nicht auf die objektive Tauglichkeit des Bestandobjekts an. Maßgeblich sei vielmehr der durch das Verhalten des Beklagten im gewerberechtlichen Verwaltungsverfahren entstandene Vertrauensverlust auf Seiten der Klägerin. Denn der Beklagte habe sich gegen jene Genehmigungen ausgesprochen, die für den vertraglich vereinbarten Miet‑ und Geschäftszweck zwingend erforderlich gewesen seien. Die Fortsetzung des Mietvertrags sei für die Klägerin unzumutbar gewesen. Die außergerichtliche Aufkündigung des Mietvertrags habe die Klägerin noch vor Erhalt des gewerberechtlichen Bewilligungsbescheids ausgesprochen. Außerdem sei die Rechtslage zwischen den Parteien – nämlich die Frage, ob ein Bestandvertrag zwischen ihnen bestehe oder nicht – auch nach der angefochtenen Entscheidung unklar, sodass auch daher eine erhebliche Rechtslage vorliege.
Im Rekurs macht die Klägerin geltend, dass das Erstgericht über das Eventualbegehren entscheiden hätte müssen. Das Erstgericht sei sowohl für die Entscheidung über die gerichtliche Aufkündigung als auch über das Eventualfeststellungsbegehren zuständig gewesen. Dass das Eventualfeststellungsbegehren in einer anderen Verfahrensart zu behandeln sei als das Aufkündigungsverfahren, stelle einen bloßen, verbesserungsfähigen Formmangel dar. Dieser hätte jedoch vom Berufungsgericht nicht mehr wahrgenommen werden dürfen, weil sich der Beklagte rügelos auf die Verhandlung über das Eventualbegehren eingelassen habe. Das Verfahren des Berufungsgerichts sei daher mit einer Mangelhaftigkeit belastet.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Aus § 560 Abs 1 ZPO ergibt sich, dass Voraussetzung für eine gerichtliche Aufkündigung das Vorliegen eines Bestandvertrags ist. Ob ein Bestandvertrag vorliegt, ist nach den Regeln des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Stellt sich im Aufkündigungsverfahren nach der Erhebung von Einwendungen durch den Kündigungsgegner heraus, dass in Wahrheit kein Bestandverhältnis vorliegt, mangelt es an einer Erfolgsvoraussetzung. Die Aufkündigung ist in diesem Fall aufzuheben (Lovrek in Fasching/Konecny IV/1³ § 560 ZPO Rz 8 mwH).
1.2 Fehlt es daher an einem Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen, weil ein solches hier nicht vereinbart oder fortgesetzt wurde, könnte der gerichtlichen Aufkündigung kein Erfolg beschieden sein.
1.3 Eine Kündigung ist aber auch dann für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte Kündigung bereits rechtswirksam das Bestandverhältnis aufgelöst hat. Es fehlt in diesem Fall denknotwendig an der Möglichkeit, das Bestandverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzulösen (RS0020941).
2.1 Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, auch vor Ablauf der bedungenen Zeit den Vertrag vorzeitig aufzulösen, wenn das Bestandstück zum bedungenen Gebrauch untauglich ist oder ein beträchtlicher Teil davon durch Zufall auf längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Die Auflösungserklärung kann auch außergerichtlich erfolgen und wirkt ex nunc (Iro/Rassi, KBB5 § 1117 ABGB Rz 3).
2.2 Die Klägerin hat in ihrem Vorbringen selbst auf die mit Schreiben vom 3. 12. 2017 zum 31. 12. 2017 erfolgte außergerichtliche Aufkündigung aus wichtigem Grund verwiesen, die auch festgestellt ist. Es ist nicht strittig, dass diese Erklärung dem Beklagten noch im Dezember 2017 zugegangen ist.
2.3 Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass der von ihr behauptete wichtige Auflösungsgrund gemäß § 1117 ABGB vorliegt – was nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht gesagt werden kann – so wäre eine solche Aufkündigung außergerichtlich als „gelinderes Mittel“ gegenüber der Geltendmachung einer Auflösungserklärung mit sofortiger Wirkung auch ohne Termin und Frist zulässig (8 Ob 86/06i; Lovrek in Rummel/Lukas 4 § 1116 ABGB Rz 7 mwH). Sie hätte in diesem Fall das Bestandverhältnis – sei es befristet, sei es unbefristet vereinbart gewesen – spätestens zum 31. 12. 2017 beendet.
3.1 Die gerichtliche Aufkündigung wurde am 29. 12. 2017 beim Erstgericht eingebracht. Sie nennt als Kündigungstermin den 31. 12. 2017 (und als Kündigungsfrist sechs Monate). Die gerichtliche Aufkündigung wurde dem Beklagten nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens am 18. 1. 2018 zugestellt. Der Beklagte hat in seinen Einwendungen gegen die Aufkündigung die Verspätung inhaltlich gerügt.
3.2 Geht man – was nach dem Vorbringen der Klägerin möglich wäre – vom Vorliegen eines gerichtlich aufkündbaren unbefristeten Bestandvertrags aus, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass diesfalls die Kündigung verspätet wäre, sodass die außergerichtliche Auflösungserklärung der Klägerin vom 3. 12. 2017 das Bestandverhältnis jedenfalls vor der gerichtlichen Aufkündigung aufgelöst hätte. Gegen diese, die Klagsabweisung selbständig tragende Begründung des Berufungsgerichts (RS0043338; RS0118709) wendet sich die Klägerin in ihrer Revision nicht, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
3.3 Geht man hingegen vom Abschluss oder der Fortsetzung eines wirksam befristeten Bestandverhältnisses zwischen den Parteien aus – was ebenfalls nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden kann – so ist ein solcher Vertrag durch gerichtliche Aufkündigung nur dann auflösbar, wenn eine solche Auflösungsmöglichkeit vertraglich vereinbart war (RS0020734). Der Ausnahmefall des § 29 Abs 2 MRG liegt hier nicht vor. Eine Behauptung, dass in einem neu vereinbarten oder fortgesetzten befristeten Bestandvertrag eine Kündigungsmöglichkeit für die Klägerin vereinbart gewesen sei, haben die Parteien nicht aufgestellt. Geht man auch hier zugunsten der Klägerin vom Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes im Sinn des § 1117 ABGB aus und sieht die gerichtliche Aufkündigung als „gelinderes Mittel“ zur sofortigen Auflösungserklärung an, könnte diese Erklärung dennoch keinesfalls vor ihrer Zustellung an den Beklagten am 18. 1. 2018 Wirksamkeit erlangen.
3.4 Die Klägerin zeigt daher keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf, dass die außergerichtliche Auflösungserklärung der Klägerin vom 3. 12. 2017 das Bestandverhältnis jedenfalls vor der gerichtlichen Aufkündigung aufgelöst hätte.
Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
4.1 Mit ihren Rekursausführungen zeigt die Klägerin hingegen eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf:
4.2 Gemäß § 227 Abs 1 ZPO können mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten, auch wenn sie nicht zusammenzurechnen sind (§ 55 JN), in derselben Klage geltend gemacht werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig (Z 1) und dieselbe Art des Verfahrens zulässig ist (Z 2).
4.3 Es ist auch im Rekursverfahren zwischen den Parteien nicht strittig, dass das Erstgericht sowohl für die gerichtliche Aufkündigung als auch für das Eventualfeststellungsbegehren zuständig ist.
4.4 Bleibt das Prozessgericht für alle Ansprüche zuständig, stellt selbst eine unzulässige objektive Klagenhäufung bloß einen verbesserungsfähigen Formmangel dar (RS0080955), der nach Beginn der gemeinsamen Verhandlung nicht mehr wahrgenommen werden kann (3 Ob 2309/96x ua; RS0037228; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 227 ZPO Rz 3). Hier hat sich der Beklagte, worauf die Klägerin im Rekurs hinweist, rügelos in die Verhandlung über das Eventualbegehren eingelassen.
4.5 Das Erstgericht hätte daher über das Eventualbegehren infolge der Abweisung des Hauptbegehrens zu entscheiden gehabt. Die Klägerin hat die Unterlassung dieser Entscheidung als Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Berufung geltend gemacht. Da das Berufungsgericht entgegen der dargestellten Rechtsprechung zu Unrecht von der Unzulässigkeit des Eventualfeststellungsbegehrens im konkreten Fall ausgegangen ist, ist sein Verfahren seinerseits mangelhaft geblieben.
5. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung und wird dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung gerecht, dass das Rechtsmittelgericht bei Spruchreife die unterbliebene Sachentscheidung auch selbst nachholen kann (RS0041445). Die Beurteilung, ob dies im konkreten Fall – insbesondere im Hinblick auf die bisher nicht erfolgte Behandlung der Beweisrüge und der geltend gemachten Aktenwidrigkeit in der Berufung der Klägerin – die gebotene Vorgangsweise ist, muss dem Berufungsgericht vorbehalten bleiben.
6. Dem Rekurs ist daher Folge zu geben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über das Eventualfeststellungsbegehren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50, 52 ZPO.
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