OGH 12Os152/19y

OGH12Os152/19y20.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Josef L***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 29 Hv 11/19i des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 16. Mai 2019 auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht, GZ 29 Hv 11/19i‑27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, und des Verteidigers Dr. Neumann, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00152.19Y.0120.000

 

Spruch:

 

Der zugleich mit dem Urteil vom 16. Mai 2019, GZ 29 Hv 11/19i-27, gefasste Beschluss des Landesgerichts Salzburg verletzt im Ausspruch, einen „Freiheitsstrafenteil von drei Monaten“ des zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg bedingt nachgesehenen Strafrests zu widerrufen, § 53 Abs 1 erster Satz StGB.

Dieser Ausspruch wird aufgehoben, und es wird vom Widerruf der Josef L***** zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen.

 

Gründe:

Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 20. Jänner 2015, AZ 41 Hv 151/14h, wurde Josef L***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von sechs Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (ON 13 S 16; ON 22; jeweils [wie auch im Folgenden] in AZ 29 Hv 11/19i des Landesgerichts Salzburg).

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 3. Februar 2017, AZ 35 Hv 66/16t, wurde der Genannte des Verbrechens nach § 3g VG sowie einer weiteren strafbaren Handlung schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Strafteil im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Vom Widerruf bisher gewährter Rechtswohltaten sah das Geschworenengericht ab (ON 13 S 16; ON 26).

In der Folge wurde Josef L***** mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. Dezember 2017, AZ 61 Hv 122/17w, der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von zehn Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen, für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Verurteilten eine Weisung erteilt wurde. Unter einem wurde beschlossen, vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten zu AZ 41 Hv 151/14h und AZ 35 Hv 66/16t sowie vom Widerruf der bedingten Entlassung zu [nunmehr:] AZ 42 BE 3/12v jeweils des Landesgerichts Salzburg (ON 13 S 16) abzusehen und „die Probezeit auf 5 Jahre“ zu verlängern (ON 23).

Zuletzt wurde Josef L***** mit in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Mai 2019, GZ 29 Hv 11/19i‑27, des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach (richtig:) §§ 127, 131 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

Zugleich fasste das Landesgericht Salzburg den Beschluss, vom Widerruf der dem Genannten gewährten bedingten Entlassung zu AZ 42 BE 3/12v des Landesgerichts Salzburg sowie vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten zu AZ 35 Hv 66/16t und AZ 61 Hv 122/17w des Landesgerichts Salzburg abzusehen und die zu AZ 61 Hv 122/17w bestehende Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (ON 27 S 3).

Weiters beschloss das Landesgericht Salzburg, „gemäß § 53 StGB in Verbindung mit § 494a Abs 1 Z 4 StPO“ die bedingte Nachsicht des mit Urteil dieses Gerichts vom 20. Jänner 2015 zu AZ 41 Hv 151/14h verhängten „Freiheitsstrafenteils von drei Monaten aus Anlass der neuerlichen Verurteilung zu widerrufen“ (ON 27 S 4).

 

Rechtliche Beurteilung

Dieser zugleich mit dem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Mai 2019, GZ 29 Hv 11/19i‑27, ergangene Beschluss auf Widerruf eines „Freiheitsstrafenteils von drei Monaten“ der zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Wird der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt, so hat das Gericht nach § 53 Abs 1 StGB die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe, den Strafteil oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Liegen diese Voraussetzungen für einen Widerruf bedingter Strafnachsicht vor, so ist die zu vollziehende Strafe, der Strafteil bzw Strafrest jener, der sich aus der seinerzeitigen Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht ergibt (vgl [zum Widerruf der bedingten Entlassung:] RIS‑Justiz RS0092703).

Indem das Landesgericht Salzburg aus Anlass der zu GZ 29 Hv 11/19i-27 erfolgten Verurteilung des Josef L***** den Widerruf der ihm zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht nur hinsichtlich eines Teils (im Ausmaß von drei Monaten) des in Rede stehenden bedingt nachgesehenen Strafteils (von sechs Monaten) beschloss, hat es seine Strafbefugnis überschritten, weil diese in Ansehung der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg darauf beschränkt war, den gesamten seinerzeit bedingt nachgesehenen Sanktionsteil zu widerrufen oder vom Widerruf dieser bedingten Strafnachsicht abzusehen.

Die vorliegend bewirkte Teilung des zu AZ 41 Hv 151/14h des Landesgerichts Salzburg bedingt nachgesehenen Strafteils in einen aus Anlass der aktuellen Verurteilung widerrufenen Anteil (hier: von drei Monaten) und einen weiterhin bedingt nachgesehenen und durch den Lauf einer Probezeit überwachten Anteil (von weiteren drei Monaten) sieht das Gesetz nicht vor (vgl auch § 494a Abs 1 Z 4 StPO).

Eine dem Verurteilten zum Nachteil gereichende Auswirkung der aufgezeigten Gesetzesverletzung (§ 292 letzter Satz StPO) ist nicht auszuschließen.

Daher sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung – wie im Spruch ersichtlich – mit konkreter Wirkung zu verbinden.

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