OGH 9ObA134/19z

OGH9ObA134/19z17.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.984,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 29.325,14 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. September 2019, GZ 8 Ra 14/19s‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00134.19Z.1217.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Kundenschutzklausel (Mandanten- bzw Klientenschutzklausel) ist grundsätzlich eine besondere Art einer Konkurrenzklausel (RS0118907). Der Zweck einer Kundenschutzklausel liegt darin, den Kundenstock des Arbeitgebers zu schützen und soll das Abwerben des bestehenden Kundenkreises verhindern. Sie beschränkt den Angestellten für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses völlig rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse; es handelt sich daher um eine Konkurrenzklausel nach § 36 AngG bzw § 2c AVRAG (9 ObA 185/05d). Sie ist daher nur insoweit wirksam als sie den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigt.

2. Eine Geheimhaltungsvereinbarung über echte Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse ist keine Konkurrenzklausel im Sinne des § 36 AngG und unterliegt nicht deren insbesondere zeitlichen Beschränkungen. Eine derartige Vereinbarung bezweckt nicht nur den Schutz vor Verrat an Dritte, sondern auch den vor der Benützung der Geheimnisse als Mitbewerber (RS0044166).

Betriebsgeheimnisse oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht (RS0079599).

3. Haben Parteien eines Arbeitvertrags sowohl eine Kundenschutzklausel als auch eine Geheimhaltungsvereinbarung bezüglich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen vereinbart, ist die bloße Kontaktaufnahme mit Kunden des ehemaligen Arbeitgebers zwar ein Verstoß gegen die Kundenschutzklausel, für sich allein aber noch kein Verstoß gegen die Geheimhaltungsvereinbarung. Richtig hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass davon erst bei Hinzutreten weiterer Tatbestandselemente, etwa dem Beschaffen von Kundenlisten auf unlautere Weise gesprochen werden, kann.

Dies ergibt sich entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision nicht aus einer unrichtigen Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 1 UWG, sondern daraus, dass die Kundenschutzklausel die speziellere Regelung darstellt, die wie dargelegt als Konkurrenzklausel auch zusätzlichen Beschränkungen unterliegt.

Auf die in Umsetzung der EU‑Geheimnisschutzrichtlinie durch BGBl I Nr 109/2018 eingeführten Zivilrechtlichen Sonderbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erlassenen Bestimmungen muss in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden, da die Klägerin keine Ansprüche nach dem UWG geltend macht.

Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aufgrund des Sachverhalts zwar ein Verstoß gegen die Kundenschutzklausel, nicht aber gegen die Geheimhaltungsvereinbarung vorliegt, bestehen daher keine Bedenken.

4. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Dies gilt auch für die Auslegung einer Konkurrenzklausel (RS0101811 [T1]).

Die Parteien haben eine Konventionalstrafe sowie eine Strafe bei Verstoß gegen die Kundenschutzklausel in Höhe jeweils des sechsfachen Durchschnittsentgelts der letzten 12 Monate vereinbart. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass damit dem möglichen Auftreten allfälliger unregelmäßiger Entgeltansprüche ausreichend Rechnung getragen wurde und kein Grund für eine Verschiebung des Berechnungsrahmens aufgrund tatsächlicher Entgeltdifferenzen besteht, entspricht dem Wortlaut der Regelung und hält sich darüber hinaus jedenfalls im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

5. Bei der Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig, also überhöht ist, sind vor allem die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommensverhältnisse beziehungsweise Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens entsprechend zu berücksichtigen (RS0029967). Die Ausübung des Mäßigungsrechts kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar.

Zwar ist es richtig, wenn die außerordentliche Revision darauf verweist, dass die allgemeine Konkurrenzklausel weitergehende Verhaltensweisen pönalisiert als die Kundenschutzklausel, ebenso richtig weist aber auch das Berufungsgericht darauf hin, dass die Verpflichtungen aus der Kundenschutzklausel auch von der Konkurrenzklausel umfasst werden. Insoweit ist die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass eine doppelte Pönalisierung unbillig ist, jedenfalls vertretbar.

Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision hat sich das Berufungsgericht mit der Frage des Verschuldens des Beklagten auseinandergesetzt. Wenn es dabei hinsichtlich des Unrechtsgehalts danach unterscheidet, inwieweit der Beklagte Kunden aktiv abgeworben hat bzw inwieweit diese von selbst an den Beklagten herangetreten sind, um mit ihm oder über seine Vermittlung zu kontrahieren, bestehen dagegen keine Bedenken. Davon, dass beides gegen die Kundenschutzklausel verstößt, ist das Berufungsgericht ohnehin ausgegangen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin wiederholt darauf hinweist, dass der Beklagte mehrere hundert Kunden betreut hat, ist dabei die Zahl der Kunden, die, noch dazu teilweise ohne aktives Zutun durch den Beklagten von ihm „abgeworben“ wurden, relativ gering.

Wenn daher die Vorinstanzen unter Berücksichtigung dieser Umstände, des nicht feststellbaren konkreten Schadens und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten eine Mäßigung auf ein Drittel der vereinbarten Konventionalstrafe für angemessen erachteten, ist dies nicht korrekturbedürftig.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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