OGH 1Ob153/19k

OGH1Ob153/19k16.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Sylvia Unger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 121.511,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2019, GZ 4 R 133/18k‑37, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Juni 2018, GZ 41 Cg 63/16x‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00153.19K.1216.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, ist eine Verfahrensfrage (RIS‑Justiz RS0040078). Die Beklagte räumt mit ihrem Vorwurf, es sei von „den Unterinstanzen ... § 267 ZPO unrichtig angewandt“ worden, selbst ein, dass diese Verfahrensfrage von beiden Instanzen übereinstimmend gelöst worden ist, sodass der behauptete Verfahrensverstoß in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RS0040146).

2. Für die Frage, ob eine Klage im Hinblick auf eine (detailliertere) Aufgliederung in Einzelforderungen schlüssig ist, wird in der Rechtsprechung auf die Zumutbarkeit einer solchen Aufgliederung abgestellt (RS0037907 [T13]). Bei einem auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestützten und aus zahlreichen, während eines längeren Zeitraums aufgelaufenen Einzelforderungen zusammengesetzten Klagebegehren würde das Gebot nach einer Präzisierung des Vorbringens überspannt, wenn man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes detailliertes Vorbringen forderte. Eine mangelnde Aufgliederung in einzelne Posten oder Zeiträume nimmt dem Vorbringen in einer solchen Situation nicht die Schlüssigkeit (RS0037907). Ist eine (weitere) Aufgliederung unzumutbar, reicht der Verweis auf die vorgelegten Urkunden im Vorbringen aus; die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann (etwa beispielsweise bei Honorarnoten eines Rechtsanwalts) in der Klageerzählung nicht ziffernmäßig angeführt werden (RS0037907 [T14]). Ob eine Aufschlüsselung zumutbar ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RS0037907 [T16]). Im Allgemeinen kommt der Frage, ob eine Klage schlüssig ist,– vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144, RS0037780). Es geht hier um vertraglich vereinbarten Aufwandersatz für einen Hubschrauber (also die „Weiterverrechnung“ des der Klägerin ihrerseits verrechneten Aufwands) mit einer Vielzahl von (vorgelegten) Rechnungen und Einzelpositionen. Dass das Berufungsgericht den vom Obersten Gerichtshof durch die vorgenannten Leitlinien vorgegebenen Beurteilungsspielraum überschritten hätte, indem es die Klage als schlüssig beurteilte und weiteres Vorbringen nicht als notwendig ansah, ist nicht ersichtlich.

3. Darauf, ob das Erstgericht für den geltend gemachten Anspruch zu Unrecht von der Anwendung der 30‑jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist, kommt es nicht an. Das Berufungsgericht beurteilte die zugesprochenen Forderungen auch bei (von der Beklagten eingeforderten) Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist als nicht verjährt. Auf die in der Revision angestellten Überlegungen zur Rechtsnatur von Nutzungs‑ und Halterschaftsverträgen für Luftfahrzeuge und daraus abgeleiteten Ansprüchen ist damit nicht näher einzugehen.

4. Mit ihrer Kritik, es sei mit dem (auszugsweise festgestellten und seinem Wortlaut nach nicht strittigen) Schreiben Beil ./6 keine Aufrechnung erfolgt, eine solche sei auch gar nicht behauptet worden, gelingt es der Beklagten ebenso wenig, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen. Eine Aufrechnungserklärung kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig erfolgen (RS0033835 [T2]; Dullinger in Rummel , ABGB 3 § 1438 Rz 11). Wie das Prozessvorbringen (RS0042828) oder eine abgegebene Willenserklärung auszulegen ist, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall und stellt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042555 uva). Die dazu von der Beklagten erteilte Erläuterung „durch das Geständnis, dass eine Forderung entstanden sei unter gleichzeitiger Behauptung des Erlöschens dieser Forderung durch Kompensation“ werde „die Verjährung nicht unterbrochen“, ist nicht recht verständlich, geht es doch nicht um eine „Unterbrechung der Verjährung“, sondern um die Frage, welche Einzelforderungen mit der vorliegenden Klage begehrt wurden und welche bereits vor Klageeinbringung durch außergerichtliche Aufrechnung erloschen waren.

5. Der Vorhalt, es könne sich eine Aufrechnungserklärung „naturgemäß nur auf einen Teilbetrag in der Höhe der Gutschriften beziehen“, es stehe damit nicht fest, mit welchen Forderungen ihrerseits die Klägerin aufgerechnet habe, übergeht die dazu erteilte Erläuterung des Berufungsgerichts. Dieses ging – insoweit ohne Kritik durch die Beklagte in der Revision – davon aus, dass die Klägerin (mit Ausnahme einer Rechnung über 342 EUR) ihre Aufwendungen nicht vor Dezember 2012 hätte fällig stellen müssen, sodass im Zeitpunkt der „ersten Aufrechnung“ die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Überdies legte es dar, dass mit verjährten Forderungen ebenso aufgerechnet werden könne, wie gegen verjährte Forderungen, wenn nur bei Eintritt der Aufrechnungslage noch keine Verjährung eingetreten gewesen sei. Es nahm zweifelsfrei ein Erlöschen (durch die nicht gewidmete Aufrechnung) der Forderungen mit der früheren Fälligkeit (vgl dazu 3 Ob 114/14g; 4 Ob 42/15b mwN) an, nämlich jener, „denen die Berufung [Anm: der Beklagten] ausdrücklich noch wegen Verjährung entgegentritt“. Damit setzt sich die Beklagte, die insoweit auf ihrem Standpunkt beharrt, es sei eine Aufrechnung gar nicht erfolgt, nicht näher auseinander.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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