OGH 14Os111/19h

OGH14Os111/19h3.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Jäger in der Strafsache gegen Herbert H***** wegen Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Juli 2019, GZ 16 Hv 11/19v-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00111.19H.1203.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Strafverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert H***** mehrerer Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (I) und eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. August 2016 in G*****

I/ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der (gemeint [US 8]) Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen in Schreiben an Karin Ho***** und den Präsidenten des Oberlandesgerichts G***** Dr. M***** S***** mit dem Inhalt, gegen sie würde „eine sofort vollstreckbare Obligation in Höhe von EUR 6.666.666,00 ausgesprochen“, wenn die Amtshandlungen in einem (im angefochtenen Urteil näher bezeichneten) Exekutionsverfahren gegen H***** fortgesetzt würden, wobei das Schreiben bei den Opfern den Eindruck erweckte, (Verfahrens-)Kosten für die Abwehr unberechtigter Ansprüche aufbringen zu müssen, zu einer Handlung, nämlich zur gesetzwidrigen Beendigung der Forderungs- und Fahrnisexekution, zu nötigen versucht, welche den betreibenden Gläubiger mit 255 Euro am Vermögen schädigen sollte;

II/ mit dem Vorsatz, den betreibenden Gläubiger im genannten Exekutionsverfahren an dessen Vermögen (US 8) zu schädigen, durch die zu I beschriebene Handlung Beamte, nämlich (zu A) Karin Ho***** als zuständige Rechtspflegerin für dieses Exekutionsverfahren und (zu B) Dr. M***** S***** als für die Dienstaufsicht über diese zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts, wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 (lit) a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Eignung einer Drohung, begründete Besorgnis zu erwecken, betrifft eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0092538), weshalb die zum Schuldspruch I geäußerte Kritik der Mängelrüge, diese (rechtliche) Urteilsannahme (US 7) sei offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), den in Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0117499, RS0130194).

Die Konstatierung des Einlangens der inkriminierten Schreiben beim Oberlandesgericht G***** und beim Bezirksgericht G***** begründeten die Tatrichter– von der Rüge übergangen (RIS-Justiz RS0119370) – mit Verweis auf die entsprechenden Aktenstücke, welche Eingangsstempel dieser Gerichte aufweisen (US 3). Die Feststellung der Urheberschaft des Beschwerdeführers stützte das Erstgericht mit ausführlichen Erwägungen in Auseinandersetzung mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers auf die Formulierung der Schreiben („in der Ich-Form“) und dem aus aktenkundigen Urkunden abgeleiteten Umstand, dass der Beschwerdeführer Sympathisant der Gruppierung „Amt der Menschen auf Erden“ gewesen sei (US 9 ff). Weshalb diese Erwägungen den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (RIS-Justiz RS0118317), vermag die weitere Rüge (nominell Z 5 vierter Fall) nicht darzulegen. Sie erschöpft sich vielmehr in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Mit dem Erhebungsergebnis des Landesamtes für Verfassungsschutz (ON 10) setzten sich die Tatrichter auseinander (US 10 f), weshalb der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Das Argument, die Staatsanwaltschaft habe es unterlassen, auf Basis dieses Erhebungsberichts weitere Ermittlungen anzuordnen, zeigt gerade kein erörterungsbedürftiges Beweisergebnis auf. Soweit dieses Vorbringen als Kritik am Unterbleiben amtswegiger Wahrheitsforschung zu verstehen ist (der Sache nach Z 5a), unterlässt der Beschwerdeführer den gebotenen Hinweis, wodurch er an darauf abzielender Antragstellung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

Unterlagen (über eine E-Mail-Korrespondenz des Beschwerdeführers), welche die Verteidigung (im ersten Rechtsgang) mit der Berufung (ON 21) gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Oktober 2017 (ON 19) vorlegte, sind nicht (gemäß § 252 Abs 1 Z 4 oder Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung vorgekommen (vgl ON 31 S 5) und waren daher (unter dem Aspekt der eingewendeten Unvollständigkeit) nicht erörterungspflichtig (RIS-Justiz RS0118316).

Mit der Berufung auf den „Zweifelsgrundsatz“ wird kein Begründungsmangel dargetan (RIS-Justiz RS0102162).

Ob der Beschwerdeführer in der Lage war, das angekündigte Übel zu verwirklichen, ist für den Schuldspruch I ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0127353). Das auf Verneinung der Realisierungsmöglichkeit gestützte Argument der Rechtsrüge (Z 9 lit a), es liege bloß ein im Sinn des § 15 Abs 3 StGB untauglicher Versuch vor, entbehrt daher einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565). Im Übrigen unterlässt der Einwand des Fehlens von Konstatierungen zur Beurteilung dieser negativen Tatbestandsvoraussetzung (der Versuchsuntauglichkeit [ Ratz , WK-StPO § 281 Rz 602]) die gebotene prozessförmige Geltendmachung (vgl zu deren Voraussetzungen RIS-Justiz RS0118580).

Welche weiteren Feststellungen „zur Person der vermeintlich Bedrohten“ (vgl US 7, 13 und 16) zur (nach einem objektiv-individuellen Maßstab vorzunehmenden) Beurteilung der Eignung der Äußerungen, begründete Besorgnis bei den Bedrohten zu wecken, erforderlich gewesen wären, legt die weitere Rechtsrüge nicht im Einzelnen dar (RIS-Justiz RS0099620). Ebenso wenig, welche „Feststellungen zur tatbestandsrelevanten subjektiven Tatseite fehlen“ (vgl US 7 f).

Die Notwendigkeit von Konstatierungen dazu, dass die Bedrohten tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt worden seien, wird nicht erklärt (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0092753).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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