OGH 3Ob184/19h

OGH3Ob184/19h4.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.‑Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** T*****, vertreten durch Dr. Peter Lechner Rechtsanwalts KG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** T*****, vertreten durch DI (FH) Mag. Bernd Auer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Februar 2019, GZ 4 R 208/18v‑21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 31. August 2018, GZ 6 C 7/18h‑16, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00184.19H.1104.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 377,50 EUR (darin 62,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile waren bis 2000 verheiratet. Der Kläger ist aufgrund eines Vergleichs zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 145,85 EUR an die Beklagte verpflichtet.

Mit seiner Oppositionsklage begehrt der Kläger den Ausspruch, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten, zu dessen Durchsetzung die Exekution bewilligt wurde, erloschen sei. Dabei stützte sich der Kläger zunächst (nur) darauf, dass die Beklagte den Unterhaltsanspruch durch fortgesetzte Eingriffe in das Privat- und Familienleben des Klägers verwirkt habe. Erst in der zweiten Tagsatzung nach Durchführung des Beweisverfahrens zur behaupteten Verwirkung machte der Kläger auch geänderte Einkommensverhältnisse beider Streitteile geltend.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es verneinte die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Auf die behaupteten geänderten Einkommensverhältnisse sei aufgrund der Eventualmaxime nicht einzugehen. Die Ausnahme der Eventualmaxime für Oppositionsverfahren in Unterhaltssachen gelte nur in Fällen, in denen bereits mit der Oppositionsklage das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs aufgrund geänderter Verhältnisse bekämpft werde.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es verneinte ebenfalls eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, was vom Kläger unbekämpft blieb, ging aber unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Bestimmung des § 35 Abs 3 Satz 2 EO davon aus, dass das neue Vorbringen zu den geänderten Einkommensverhältnissen aufgrund der genannten Norm mangels Geltung der Eventualmaxime zu beachten und im weiteren Verfahren noch zu erörtern sei. Die Eventualmaxime gelte auch dann nicht, wenn sich der Kläger nicht bereits in der Oppositionsklage auf die geänderten Verhältnisse gestützt hat. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zu, weil sich der Oberste Gerichtshof zum Verständnis des § 35 Abs 3 letzter Satz EO noch nicht abschließend geäußert habe.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten, der entgegen der Rekursbeantwortung weder wegen Verspätung noch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einmaligkeit des Rechtsmittels absolut unzulässig ist. Die Beklagte hat innerhalb der Rekursfrist einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, sodass die Rekursfrist erst mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verfahrenshelfer (am 18. Juli 2019) zu laufen begann (§ 521 Abs 3 ZPO iVm § 464 Abs 3 ZPO). Innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist brachte die Beklagte den Rekurs (am 13. August 2019) beim Erstgericht ein. Der Umstand, dass das idente Rechtsmittel gleichzeitig (und zusätzlich auch) beim Berufungsgericht eingebracht wurde, widerlegt die Behauptung des Klägers, der Rekurs sei verspätet (vgl zur doppelten Einbringung eines Rechtsmittels an einem Tag: 3 Ob 93/17y mwN).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) – aber mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO):

1. Die Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist nur möglich, wenn das Rechtsmittel die unrichtige Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage geltend macht. Nur dann muss die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung überprüft und die in der Rekursbeantwortung vorgebrachten rechtlichen Argumente beachtet werden (RIS‑Justiz RS0048272). Das Berufungsgericht hat sich umfassend mit der Bestimmung des § 35 Abs 3 Satz 3 EO auseinandergesetzt. Es stützte seine Lösung auf die Entstehungsgeschichte dieser Norm, die Materialien und den Normzweck, wobei es auch auf die Judikatur vor und nach der EO‑Novelle 2014 einging und das Schrifttum berücksichtigte.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts finden im Rechtsmittel keinen argumentativen Niederschlag. Der Rekurs geht im Ansatz weder auf die Bestimmung des § 35 Abs 3 Satz 3 EO im Allgemeinen noch auf den Umfang dieser Ausnahmebestimmung im Besonderen ein. Die knappen Ausführungen im Rekurs beschränken sich vielmehr auf allgemeine Überlegungen zur im Oppositionsprozess grundsätzlich geltenden Eventualmaxime, deren Normzweck und den dem neuen Vorbringen angeblich zugrundeliegenden Motiven des Klägers. Das Rekursmittel qualifiziert die Ansicht des Rechtsmittelgerichts dabei lapidar als „nur wenig überzeugend“ bzw „verfehlt“ und sieht in der unterlassenen Anwendung der Eventualmaxime durch das Berufungsgericht eine „unrichtige rechtliche Beurteilung“, ohne eine inhaltliche Begründung dafür zu geben.

3. Abgesehen davon, dass damit keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird (vgl Punkt 1), hat es die Beklagte damit auch unterlassen, darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint. Setzt sich die Beklagte mit den Argumenten des Berufungsgerichts aber nicht auseinander, ist damit die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043605; RS0043603 [T9]). Diesfalls ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, inhaltliche Fragen zu klären (RS0043603 [T10]).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 9 Abs 3 RATG die einfache Jahresleistung, hier also (nur) 1.750,20 EUR (3 Ob 151/14y mwN).

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