OGH 1Ob176/19t

OGH1Ob176/19t23.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J* S*, vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte‑GmbH, Zell am See, gegen die Antragsgegnerin A* S*, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Juli 2019, GZ 21 R 51/19z‑55, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 27. Jänner 2019, GZ 26 Fam 5/17h‑49, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126543

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Rekursgericht vorbehalten.

 

Begründung:

Der erste Rechtsgang endete mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 64/18w(= EF‑Z 2018/125, 285 [Gitschthaler]).

Im fortgesetzten Verfahren stellte das Erstgericht ergänzend den Wert der (früheren) Liegenschaft in T* im Übergabezeitpunkt, die darauf während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft getätigten Investitionen und die Rückkaufswerte der beiden Lebensversicherungsverträge fest.

Das Erstgericht wies (neuerlich) dem Mann die Liegenschaft in M* bei gleichzeitiger Übernahme einer bestimmten Darlehensverbindlichkeit zu und verpflichtete die Frau zur Räumung binnen sechs Wochen. Den Mann verpflichtete es zu einer Ausgleichszahlung von 1.010.000 EUR binnen zwei Jahren. Zur Sicherstellung dieser Forderung räumte es der Frau „über ihr Verlangen“ ein Pfandrecht auf der Liegenschaft ein. Darüber hinaus wies es die Ansprüche aus zwei Lebensversicherungsverträgen jeweils einer der Parteien zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes in der Hauptsache nicht, jenem der Frau hingegen teilweise Folge. Es übertrug dem Mann Zug um Zug gegen Leistung von 200.000 EUR (eines Teilbetrags der Ausgleichszahlung) die bisher im Alleineigentum der Frau stehende Liegenschaft in M* (1.a), erkannte den Mann schuldig, die Rückzahlung des Darlehens bei einer Bank zu leisten und die Frau diesbezüglich schad‑ und klaglos zu halten (1.b) und wies jeder Partei einen bestimmten Lebensversicherungsvertrag zu (1.c und 1.d). Den Mann erkannte es schuldig, der Frau eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1.344.000 EUR samt 4 % Zinsen ab Fälligkeit zu leisten, dies in zwei Teilbeträgen, der erste von 200.000 EUR binnen vier Monaten, der zweite Teilbetrag von 1.144.000 EUR binnen zwei Jahren jeweils ab Rechtskraft des Beschlusses (2.). Zur Sicherstellung der Forderung der Frau von 1.144.000 EUR räumte es ihr auf der (künftig) im Alleineigentum des Mannes stehenden Liegenschaft ein Pfandrecht über diesen Betrag samt Zinsen ein (3.). Weiters verpflichtete es die Frau, die Liegenschaft binnen drei Monaten nach Zahlung des ersten Teilbetrags von 200.000 EUR zu räumen (4.a), sprach aus, dass die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts des Mannes und die Einverleibung des Pfandrechts zugunsten der Frau gleichzeitig zu erfolgen hätten (4.b), verpflichtete die Frau über Antrag des Mannes nach vollständiger Zahlung des Ausgleichsbetrags eine zur Löschung des Pfandrechts taugliche Löschungserklärung zu unterfertigen (4.c) und den Mann, sämtliche mit der grundbücherlichen Durchführung der Eigentumsübertragung sowie der Pfandrechtseinräumung verbundenen Gebühren, Steuern, Abgaben und Kosten zu tragen und die Frau diesbezüglich schad‑ und klaglos zu halten (4.d).

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs im Hinblick auf die Frage, ob eine „derart lange“ – wenn auch mit Sicherstellungsanordnungen verbundene – Leistungsfrist für die Ausgleichszahlung in Betracht komme, für zulässig.

Die dagegen erhobenen – vom jeweiligen Verfahrensgegner beantworteten – Revisionsrekurse der Parteien sind entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionsrekurse wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

I. Revisionsrekurs des Mannes

1. Der Mann bekämpft die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang zur gemischten Schenkung der früheren Liegenschaft in T* an die Frau und zu den Grundsätzen der Ermittlung des aufzuteilenden Werts der Liegenschaft in M* (1 Ob 64/18w [Punkte 2., 3. und 8.]). Auch der Oberste Gerichtshof ist – mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen – an seine in derselben Sache in einem früheren Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden (§ 71 Abs 4 iVm § 61 AußStrG; RS0007010; Fucik/Kloiber, AußStrG § 61 Rz 1; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 61 Rz 7; Klicka in Rechberger 2 § 61 AußStrG Rz 2). Auf die abweichende – großteils schon im ersten Rechtsgang vertretene – Meinung des Mannes ist daher nicht (nochmals) einzugehen.

2. Dem Argument, die Frau müsse sich den in der – nach seinen Behauptungen ist er aus gesundheitlichen Gründen ausgezogen – alleinigen Nutzung des ehelichen Hauses bestehenden Vorteil anrechnen lassen, hat sichder Fachsenat in seiner jüngeren Judikatur zu dieser Thematik nicht angeschlossen und die – auch hier angestrebte – generelle Zurechnung eines Vermögensvorteils (etwa in Höhe des fiktiven Mietzinses) für die alleinige Nutzung einer Liegenschaft abgelehnt. Auch wenn der Oberste Gerichtshof darauf hinweist, dass im Rahmen der nachehelichen Aufteilung auch jener Gebrauchsvorteil auszugleichen sei, den ein Ehepartner dadurch erlangt hat, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart, wurde doch betont, dass ein solcher Gebrauchsvorteil (nur) im Rahmen der Billigkeit bei der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden kann (RS0131883; 1 Ob 147/18a mwN = iFamZ 2019/77, 115 [Deixler‑Hübner] = EF‑Z 2019/95, 176 [Gitschthaler]). Im vorliegenden Fall sprechen die Billigkeitserwägungen aber nicht für eine zusätzliche Berücksichtigung des fiktiven „Wohnvorteiles“ der Frau, wurde doch dem Mann die Zahlung des Ausgleichsbetrags in zwei Teilbeträgen ermöglicht, wobei die zweite Rate erst in zwei Jahren – und lange nach Räumung der Liegenschaft – zu leisten ist, sodass die Frau durch die längere Leistungsfrist wirtschaftlich belastet ist und ein weiterer Ausgleich für den Mann nicht geboten ist.

3. Der Revisionsrekurs des Mannes, mit dem er die Übertragung der im Alleineigentum der Frau stehenden Liegenschaft ohne Leistung einer Ausgleichszahlung anstrebt und die Räumung durch sie begehrt, was letztlich einer – von der Rechtsprechung abgelehnten (vgl RS0057579 [T3]) – entschädigungslosen Enteignung gleichkäme, zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

II. Revisionsrekurs der Frau

4.1. Dass im konkreten Fall das Rekursgericht im Rahmen seiner Billigkeitsentscheidung, die eine Frage des Einzelfalls ist, den Rahmen des Ermessens bei Ausmessung der Höhe der Ausgleichszahlung, der Länge der Leistungsfrist und der Höhe der dem Mann eingeräumten Raten überschritten hätte (RS0057501 [T14]; zur Leistungsfrist siehe RS0057702; 1 Ob 110/17h mwN), kann nicht erkannt werden.

4.2. Hat ein Teil eine Ausgleichszahlung zu leisten, kann das Gericht nach § 94 Abs 2 EheG nicht nur die Entrichtung in Teilbeträgen, sondern auch eine „Stundung“, also eine längere Leistungsfrist, anordnen (1 Ob 148/17x mwN = RS0057579 [T8]). Solche Anordnungen sind zu treffen, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist. Maßgebend dafür sind Billigkeitserwägungen, die darauf Rücksicht zu nehmen haben, dass nach dem konkreten Stand der beiderseitigen Lebensverhältnisse eine wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung für beide Teile, soweit möglich, gesichert bleibt.

Zwar trifft es zu, dass der Zahlungspflichtige insbesondere bei langer Verfahrensdauer oder überhaupt dann, wenn er nach den Umständen des Falls mit der Festsetzung einer Ausgleichszahlung rechnen musste, im Laufe des Verfahrens in zumutbarer Weise Vorsorge zu treffen hat, um seiner Zahlungsverpflichtung fristgerecht nachkommen zu können (RS0057642; RS0057702 [T1]). Jedoch ist auch zu beachten, dass dem Zahlungspflichtigen, gerade bei sehr hohen Ausgleichszahlungen, je nach den konkreten Umständen nach Billigkeit allenfalls ein Zeitraum von einigen Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung über die Ausgleichszahlung im Aufteilungsverfahren für die Beschaffung der finanziellen Mittel zuzugestehen ist (RS0131881), insbesondere wenn sie allenfalls nur durch den Verkauf aufgebracht werden können (vgl 1 Ob 240/17a). Wie die Frau zu ihrer Annahme kommt, dem Mann wäre es „problemlos“ mögliche gewesen, „entsprechend“ Vorsorge für die (vollständige) Zahlung zu treffen, bleibt unerfindlich.

4.3. Das Rekursgericht begründete die Verpflichtung des Mannes zur Zahlung eines Teilbetrags von 200.000 EUR binnen vier Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses damit, dass er diesen Betrag aufgrund seiner Vermögensverhältnisse innerhalb dieser Frist (zumindest durch Kreditfinanzierung) aufbringen können werde. Umgekehrt werde die Frau dadurch ein „Startkapital“ für die Beschaffung adäquaten Wohnraums erhalten; allfällige Mehrkosten dafür werde sie angesichts der zu erwartenden restlichen Ausgleichszahlung von 1.144.000 EUR binnen zwei Jahren ab Rechtskraft des Beschlusses durch Kredite zwischenfinanzieren können. An die erste Teilzahlung seien einerseits die Eigentumsübertragung an den Mann, andererseits die Verpflichtung zur Räumung der Liegenschaft, deren Umstände nach § 93 EheG zu bestimmen seien, mit einer Räumungsfrist von drei Monaten ab der Teilzahlung zu knüpfen. Die von der Frau angestrebte Verschiebung der Eigentumsübertragung an den Mann und ihrer Verpflichtung zur Räumung auf einen Zeitpunkt nach der vollständigen Zahlung komme nicht in Betracht, weil dadurch ein zur Kapitalaufbringung womöglich notwendiger Verkauf der Liegenschaft durch den Mann erschwert würde. Im Hinblick auf die vergleichsweise lange Zahlungsfrist (der zweiten Teilzahlung) sei als Sicherstellung im Sinn des § 94 Abs 2 EheG einerseits die Eigentumsübertragung Zug um Zug gegen die erste Teilzahlung anzuordnen, zum anderen ein Pfandrecht im Umfang des zweiten Teilbetrags der Ausgleichszahlung zu begründen. Nach § 93 EheG sei dessen gleichzeitige Eintragung mit der Einverleibung des Eigentums des Mannes im Grundbuch anzuordnen.

Die Frau zeigt nicht auf, dass diese Beurteilung korrekturbedürftig wäre.

4.4. Wenn sie die Übertragung des Eigentums an den Mann nur Zug um Zug gegen Zahlung des Gesamtbetrags von 1.344.000 EUR (samt 4 % Zinsen ab Rechtskraft des Aufteilungsbeschlusses) für geboten hält, steht dem entgegen, dass der Mann (unbestritten) derzeit über diesen Betrag nicht verfügt. Es begegnet keinen Bedenken, wenn es das Rekursgericht im Hinblick auf die Höhe der insgesamt zu leistenden Ausgleichszahlung als zumutbar angesehen hat, zunächst eine kleinere Teilzahlung über 200.000 EUR zu erhalten, und den hypothekarisch sichergestellten Restbetrag von 1.144.000 EUR erst zwei Jahre später. Ihre Behauptung, dass ihr Ausgleichsanspruch im Fall einer exekutiven Verwertung der Liegenschaft nicht gedeckt wäre, geht von einem Meistbot weit unter dem Verkehrswert der Liegenschaft aus, was – ebenso wie die (nicht begründete) Annahme, es werde zu einer Zwangsversteigerung kommen – rein hypothetisch ist. Bei einem Verwertungserlös in Höhe des Verkehrswerts der Liegenschaft von 1.825.000 EUR wären sämtliche von ihr im Revisionsrekurs genannten Kosten und Forderungen abgedeckt. Die Frau ist mit dem ersten Teilbetrag der Ausgleichszahlung von 200.000 EUR in der Lage, sich eine angemessene (Miet‑)Wohnung zu verschaffen und einzurichten. Sie ist überdies als Lehrerin berufstätig, eines der beiden Kinder ist bereits volljährig, das zweite ist 15 Jahre alt. Wenn sie den Kauf einer adäquaten Wohnung anstrebt, kann sie mit dem Teilbetrag eine angemessene Eigenleistung erbringen. Eine Kreditfinanzierung dürfte im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit und die in zwei Jahren zu erwartende zweite Teilzahlung problemlos möglich sein. Sofern der Mann für die Aufbringung der zweiten Rate die Liegenschaft veräußern muss, ist für den Veräußerungserlös durchaus maßgeblich, dass die Frau nicht – wie von ihr angestrebt – nach wie vor im früheren ehelichen Haus wohnt. Wie der Mann die Liegenschaft zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen verkaufen soll, wenn die Eigentumsübertragung an ihn erst nach vollständiger Zahlung an sie erfolgen soll, zeigt die Frau nicht schlüssig auf, wäre doch für einen Käufer durch die erforderliche Offenlegung des Inhalts der Aufteilungsentscheidung ersichtlich, dass der Mann beim Verkauf unter dem wirtschaftlichem Druck seiner Zahlungsverpflichtung steht.

Eine Wertsicherung des Betrags kommt hier nicht in Betracht, wurde doch das eheliche Haus von der Frau bislang (mit den Söhnen) benützt, ohne dass dafür ein fiktives Mietentgelt zugunsten des Mannes in Ansatz gebracht wird (siehe oben 2.). Es entspricht durchaus der Billigkeit, diesen Gebrauchsvorteil der Frau dadurch Rechnung zu tragen dass die Verpflichtung des Mannes zur Zahlung der zweiten Rate in zwei Jahren nicht wertgesichert wird.

4.5. Damit zeigt auch die Frau keine erhebliche Rechtsfrage auf. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

III. Kosten

5. Das Rekursgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (analog § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG), sodass es auch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu entscheiden hat (1 Ob 107/18v mwN).

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