OGH 1Ob165/19z

OGH1Ob165/19z25.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei DI R***** K*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 39.985,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Juli 2019, GZ 1 R 70/19y‑14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. April 2019, GZ 4 Cg 17/19s‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00165.19Z.0925.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Sachverständige haftet den Prozessparteien für die Folgen eines im Rechtsstreit schuldhaft abgegebenen unrichtigen Gutachtens (RIS‑Justiz RS0026319; RS0026360). Die Haftung nach § 1299 ABGB geht von einem objektiven Maßstab aus, wobei es auf die übliche Sorgfalt jener Personen ankommt, die die betreffende Tätigkeit ausüben (RS0026524 [T2]). Es handelt sich um die vom durchschnittlichen Fachmann des jeweiligen Fachgebiets einzuhaltende Sorgfalt (vgl RS0026541; RS0026535). Ob dieser Sorgfaltsmaßstab im konkreten Fall eingehalten wurde, ist eine Einzelfallfrage und wirft daher grundsätzlich keine erheblichen Rechtsfragen auf (vgl RS0026541 [T4]; RS0026535 [T8]).

2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

2.1. Die unterlassene Einvernahme des Klägers wurde in seiner Berufung nicht als Mangel geltend gemacht. In der Berufung nicht gerügte Verfahrensmängel erster Instanz können in dritter Instanz aber nicht mehr aufgegriffen werden (vgl RS0043111; RS0074223).

2.2. Wenn der Kläger die unterlassene Einholung eines vermessungstechnischen Sachverständigengutachtens mit den nicht näher konkretisierten Behauptungen rügt, daraus hätte sich ergeben, dass das vom Beklagten im Grenzfestsetzungsverfahren erstattete Gutachten hinsichtlich des Grenzverlaufs „unrichtig“ gewesen sei, er „schuldhaft und rechtswidrig gehandelt“ habe und bei „einer allfälligen Unklarheit des Gutachtensauftrags“ Rücksprache mit dem Gericht halten hätte müssen, fehlt der Mängelrüge die erforderliche Darstellung der Relevanz dieses Beweismittels (vgl RS0043027 [T10]), nämlich die Darlegung, welche für den Kläger günstigeren Verfahrensergebnisse allenfalls zu gewinnen gewesen wären (vgl nur A. Kodek in Rechberger 5 § 503 ZPO Rz 16 mwN).

Grundlage des vom Beklagten erstatteten Gutachtens zu einem bestimmten Grenzverlauf waren die amtliche (digitale) Katastralmappe, Luftbilder des Archivs des Bundesamts für Eich‑ und Vermessungswesen aus den Jahren 1967, 1982 und 2004, Unterlagen eines Vermessungsbüros über Einmessungen aus den Jahren 1986, 2011 und 2012 und seine Befundaufnahme. Wenn mit dem einzuholenden Sachverständigengutachten bewiesen werden soll, dass der Beklagte mit den Nachforschungen hinsichtlich des „richtigen“ Grenzverlaufs „nicht einige Jahrzehnte zurück stehen bleiben“ hätte dürfen, sondern auch Urkunden vor Mitte des vergangenen Jahrhunderts erheben und prüfen hätte müssen, zeigt der Kläger ebenfalls nicht die Relevanz der unterlassenen Aufnahme dieses Beweismittels auf:

Nach § 850 ABGB kann jeder Nachbar unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze verlangen, wobei die Grenzfestsetzung in erster Linie nach dem letzten ruhigen Besitzstand zu erfolgen hat (§ 851 Abs 1 Satz 1 ABGB; 1 Ob 173/08k mwN). Lässt sich dieser nicht feststellen, hat das Gericht die streitige Fläche nach billigem Ermessen zu verteilen (§ 851 Abs 1 Satz 2 ABGB). Die Ermittlung der „richtigen“ Grenze ist nicht Gegenstand dieses Außerstreitverfahrens (2 Ob 139/14a mwN; vgl RS0013882), sondern eines allenfalls anschließenden Prozesses (§ 851 Abs 2 ABGB). Der beklagte Sachverständige hatte die Grundlagen zur Beurteilung des letzten ruhigen Besitzstands am Grenzverlauf zu erheben. Dafür kommen aber – in der Revision nicht näher konkretisierte – weitere Urkunden vor 1950 nicht in Betracht.

3. In Bezug auf die Frage der schadensverursachenden Haftung ist der Gutachtensauftrag in aller Regel jener Maßstab, an dem die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens zu messen ist (RS0106433 [T6, T17]); in der Revision wird nicht aufgezeigt, inwieweit die Sonderkonstellation vorgelegen wäre, in der ein Sachverständiger gehalten ist, das Gericht auf eine Unklarheit oder Unvollständigkeit seines Auftrags hinzuweisen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Beklagten kein Sorgfaltsverstoß durch die unterlassene „Aufnahme weiterer Beweise“ anzulasten ist, ist nicht zu beanstanden. Mit seinen völlig allgemein gehaltenen Behauptungen, die Messungen des Beklagten seien ausgehend von der falschen Parzelle durchgeführt worden, dieser habe zwar in Urkunden eingesehen, allerdings nicht in „sämtliche vorliegenden“, sondern nur in jene der letzten Jahre (und nicht auch in solche vor Mitte des vergangenen Jahrhunderts), vermag der Kläger keine Fehlbeurteilung aufzuzeigen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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