OGH 8Ob3/19b

OGH8Ob3/19b24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Ullmann – Geiler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. A*****, und 2. Mag. M*****, beide vertreten durch Mag. Gerd H. Jelenik, Rechtsanwalt in Vaduz, wegen 33.493,52 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2018, GZ 1 R 110/18p, 1 R 111/18k-38, mit dem der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 15. Juni 2018, GZ 8 Cg 73/17p‑31, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00003.19B.0924.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 2.330,81 EUR (darin 388,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagten zeigten zugleich mit der (fristgerechten) Klagebeantwortung die Vertretung durch Mag. Gerd H. Jelenik, Rechtsanwalt in FL‑9490 Vaduz, an.

In der vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung vom 15. 11. 2017 erschien auf Beklagtenseite neben dem Zweitbeklagten auch Mag. ***** W*****, ein Konzipient des Beklagtenvertreters. In dieser Tagsatzung wurde ein bedingter Vergleich abgeschlossen. Für den Fall des Vergleichswiderrufs kündigte das Erstgericht die beschlussmäßige Entscheidung über die von den Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede an. Nachdem der Vergleich durch die Beklagten widerrufen worden war, verwarf das Erstgericht mit Beschluss vom 22. 12. 2017 die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Einem Rekurs der Beklagten gegen diesen Beschluss wurde vom Rekursgericht nicht Folge gegeben.

In der Folge erteilte das Erstgericht den Beklagten den Auftrag mitzuteilen, woraus Mag. W***** seine Legitimation ableite, bei Anwaltszwang vor dem Landesgericht Feldkirch als Rechtsanwalt aufzutreten. Die Beklagten brachten dazu vor, dass Mag. W***** bei der Jelenik & Partner AG als substitutionsberechtigter Konzipient beschäftigt sei und seit 2014 über den entsprechenden Legitimationsausweis der liechtensteinischen Rechtsanwaltskammer verfüge, der in Österreich der großen Legitimationsurkunde entspreche.

Auf Anfrage des Erstgerichts teilte die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer mit, dass es keine Eintragung von Mag. W***** in der Liste der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer als Rechtsanwaltsanwärter oder Rechtsanwalt gebe; es existiere auch kein Hinweis darüber, ob der Genannte die österreichische Rechtsanwaltsprüfung abgelegt hat.

Über Antrag der Klägerin erließ das Erstgericht daraufhin am 15. 6. 2018 ein Versäumungsurteil, in dem es die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Klagsbetrags verpflichtete. Mit Ergänzungsurteil vom 5. 7. 2018 verpflichtete es die Beklagten weiters, der Klägerin die Prozesskosten zu zahlen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten gegen das Ergänzungsurteil zurück, verwarf die Berufung der Beklagten gegen das Versäumungsurteil wegen Nichtigkeit und gab der Berufung gegen das Veräumungsurteil im Übrigen nicht Folge.

Da der für den Beklagtenvertreter einschreitende Konzipient vor österreichischen Gerichten als nichtanwaltlicher Vertreter anzusehen sei, seien die Beklagten in dieser Tagsatzung postulationsunfähig gewesen. Daher sei auf Antrag des Gegners nach § 396 ZPO ein Versäumungsurteil zu fällen gewesen. Das rechtliche Gehör im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO werde dabei nicht verletzt. Eine Nichtigkeit liege daher nicht vor.

Nach § 4 Abs 1 EIRAG hätten bei Ausübung einer Tätigkeit, die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt, dienstleistende europäische Rechtsanwälte die Stellung eines in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalts. Nach § 15 Abs 1 RAO könne sich der Rechtsanwalt, wenn die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich vorgeschrieben ist, auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden, substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter vertreten lassen. Substitutionsberechtigt sei ein Rechtsanwaltsanwärter, der die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt habe, sofern nicht von der Rechtsanwaltskammer davon abgesehen worden sei. Daneben sei allgemeine Voraussetzung die (konstitutive) Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter.

Mag. W***** sei in Österreich nicht substitutionsberechtigt, weil er die (österreichische) Rechtsanwaltsprüfung nicht mit Erfolg abgelegt habe. Darüber hinaus sei er unstrittig nicht in die Liste der (österreichischen) Rechtsanwaltsanwärter eingetragen. Der Mangel der Vertretungsbefugnis führe zur Säumnis der Beklagten bei der Tagsatzung vom 15. 11. 2017.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Frage, ob sich ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt in einem österreichischen Gerichtsverfahren mit absolutem Anwaltszwang durch einen nach österreichischem Recht nicht substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter vertreten lassen könne, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Gemäß § 519 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen (Z 1) oder nach Aufhebung des Ersturteils die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und/oder Verfahrensergänzung zurückverwiesen hat (Z 2). Diese seit 1. 8. 1989 geltende Fassung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO geht auf die Wertgrenzennovelle 1989 (WGN 1989, BGBl 1989/343) zurück. Damals wurden die bis dahin in § 519 Z 1 und 2 ZPO enthaltenen Tatbestände in einer nunmehr neu formulierten Z 1 (nun in Abs 1 des § 519 ZPO) zusammengefasst. Bis dahin war gemäß § 519 Z 1 und Z 2 ZPO aF der Rekurs gegen im Berufungsverfahren ergehende Beschlüsse des Berufungsgerichts nur statthaft, wenn das Berufungsgericht die Berufung nur aus formellen Gründen zurückgewiesen hatte, ohne in die Prüfung der Sache einzugehen, wobei in Klammer auf § 474 Abs 2, § 471 Z 2 und 3 sowie § 495 ZPO verwiesen wurde (Z 1), oder wenn es die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage durch Beschluss ausgesprochen hatte (Z 2). Nach den Materialien sollten mit der Zusammenfassung durch die WGN 1989 die „alten“ Z 1 und 2 keine inhaltliche Änderung erfahren (AB 991 BlgNR XVII. GP 11; 1 Ob 144/16g).

2. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung (nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO) verworfen wurde, kann – auch dann, wenn er in das Berufungsurteil aufgenommen wurde – weder mit Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (§ 519 Abs 1 ZPO; RIS‑Justiz RS0043405). Die Anfechtungsbeschränkung nach § 519 Abs 1 ZPO kann auch nicht mit der Behauptung unterlaufen werden, das Rechtsmittelgericht sei nicht ausreichend auf bestimmte Rechtsmittelargumente eingegangen (RS0042981 [T24]).

3. Weil aber § 471 Z 4 ZPO (wonach die Berufung dann vor den Berufungssenat zur Beschlussfassung nach § 473 ZPO zu bringen ist, wenn sie sich gegen ein wegen Säumnis einer Partei gefälltes Urteil mit der Begründung, dass eine Versäumung nicht vorliege, wendet) in § 519 Z 1 ZPO aF nicht genannt war und die WGN 1989 keine inhaltliche Änderung bezweckte, ist der Rekurs hier ebenfalls nicht zulässig (1 Ob 144/16g).

Bei der Frage, ob der Konzipient des Beklagtenvertreters zur Vertretung der Beklagten in einem Verfahren mit absolutem Anwaltszwang zur Vertretung berechtigt war, handelt es sich um eine Frage des Prozessrechts. Dagegen wird mit dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stets die unrichtige rechtliche Beurteilung des Meritums geltend gemacht. Die Beurteilung von Nichtigkeitsgründen hat aber stets nach Prozessrecht zu erfolgen und ist nicht mittels Rechtsrüge bekämpfbar (1 Ob 144/16g mwN).

Ob eine Säumnis der Beklagten vorlag, weil sie in der Tagsatzung vom 15. 11. 2017 nicht ordnungsgemäß vertreten waren, worüber das Berufungsgericht richtigerweise mit Beschluss zu entscheiden gehabt hätte, kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden.

4. Auf Antrag der erschienenen Partei ist ein Versäumungsurteil nach § 396 Abs 1 ZPO zu fällen, wenn eine der Parteien von einer Tagsatzung ausbleibt, bevor sie sich durch mündliches Vorbringen zur Hauptsache in den Streit eingelassen hat (§ 396 Abs 2 ZPO). Das auf den Gegenstand des Rechtsstreits bezügliche tatsächliche Vorbringen des Klägers ist für wahr zu halten, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, und auf dieser Grundlage über das Klagebegehren zu erkennen (§ 396 Abs 1 zweiter Satz ZPO).

Nach der Rechtsprechung sind dabei nur Tatsachen, die kraft zwingenden Rechts berücksichtigt werden müssen, oder solche Tatsachen, deren Existenz zwingend die Klagsbehauptungen widerlegen, zu beachten (RS0037677). Auf schriftliche Eingaben der nicht erschienenen Partei ist dagegen kein Bedacht zu nehmen (9 ObA 39/16z).

5. Die Revision ist daher soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Berufungsgerichts wendet nach § 519 ZPO unzulässig, im Übrigen mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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